Kleine Ursache, größtmögliche Wirkung – so könnte das Motto des Buchs von Markus Krajewski über „Weltprojekte“ lauten. Am Anfang seiner 1876 beginnenden Geschichte verpaßt ein Mann namens Sanford Fleming den Zug – und wird über diese Erfahrung eines zeitlichen Mißverständnisses zum Erfinder der „Weltzeit“. Viele solcher „Projektemacher“ um 1900 wollten eine unzulängliche Welt durch deren „totale“ Organisation verbessern. Technische Errungenschaften und der boomende Weltverkehr legten solche Entwürfe geradezu nahe.
Krajewski stellt drei solcher Entwürfe einer standardisierten und vollkommen vernetzten Welt vor. Der Chemiker Wilhelm Ostwald suchte nach der perfekten Gestaltung von Sprachen, Papierformaten und Währungen. Sein „energetischer Imperativ“ identifizierte menschliches Glück mit der möglichst „restlosen“ Ausnutzung von Kraft und Materie. Der Autodidakt Franz Maria Feldhaus widmete sein Leben (und das seiner Familie) der vollständigen Erfassung und „Verschlagwortung“ des technischen Wissens aller Länder und Zeiten. Seine „Weltgeschichte der Technik“ blieb – natürlich – unvollendet. Walther Rathenau schließlich, eine weltmännische Figur par excellence, wollte im Verlauf des Ersten Weltkriegs die deutsche Wirtschaft, Gesellschaft und den Kreislauf der Ressourcen zu einer schlagkräftigen Einheit schmieden. Damit prägte er eine „totale Mobilmachung“ vor, die später der Sowjetunion und anderen Gesellschaften als Vorbild diente. Krajewski deutet solche Weltprojekte nicht als Kursbücher einer zwanghaften Hybris, sondern als Ausdruck einer Zeit, die sich ihres Wissens überaus gewiß war. Auch wenn die Vorhaben im einzelnen scheiterten, ja scheitern mußten: Oft regten sie weitere Projekte an und wurden später von der Realität eingeholt. Diese Reise durch visionäre Planungen der Hochmoderne leistet daher einen aufschlußreichen Beitrag zur Geschichte der Globalisierung. Die oft suggestive Beweisführung des Buches mag gelegentlich befremden. Doch wird der Leser mit überraschenden Querverweisen zwischen Technik-, Medien- und Kulturgeschichte reichlich belohnt. Und gemeinsam mit den Projekteschmieden lernt er darüber hinaus, aus dem abseitigen Detail auf das Ganze zu schließen.
Rezension: Laak, Dirk van