Jeder in der DDR könne den „Rundfunk und das Fernsehen der BRD … nach Belieben ein- und ausschalten“. Die heute lapidar anmutende Feststellung Erich Honeckers verbreitete sich im Mai 1973 in Windeseile. Schließlich hatte die kommunistische Diktatur 25 Jahre lang versucht, das eigene Land von westlichen Medien abzuschirmen – mit allen verfügbaren technischen, propagandistischen und juristischen Mitteln. Denn lange hatte die SED-Führung den Traum aller totalitären Regime geträumt: Wer erst über das Informations- und Kommunikationsmonopol verfügt, dem würde endlich auch die Umerziehung der Bevölkerung gelingen.
Die Berliner Historikerin Franziska Kuschel zeichnet in ihrem Buch die Anstrengungen der SED nach, die Ostdeutschen vom Konsum der Westmedien abzuhalten. Leidlich erfolgreich war das Regime nur beim Kampf gegen westdeutsche Printprodukte, nachdem sich die DDR 1961 eingemauert hatte. Doch Funk- und Fernsehwellen machten am Eisernen Vorhang nicht halt. Die Genossen versuchten es mit Störsendern, einer Neuauflage des NS-Volksempfängers, der auf DDR-Sender voreingestellt war. Unermüdlich trommelte die DDR-Propaganda gegen das „Gift des Klassenfeindes“. FDJ-Trupps stiegen buchstäblich auf die Dächer ihrer Mitbürger, um TV-Antennen nach Osten auszurichten. Doch letztlich alles vergeblich.
In der Rückschau sorgen die von Kuschel so materialreich beschriebenen Donquijoterien der SED und die Findigkeit der Ostdeutschen, technische Hürden beim Empfang von Westsendern zu überwinden, beim Leser oft für Heiterkeit. Doch diese Heiterkeit weicht immer dann, wenn die Autorin schildert, wie der Kampf der SED gegen die Westmedien vor allem in den 1950er Jahren unbescholtene Bürgerinnen und Bürger ins Gefängnis brachte.
Trotz aller Kampagnen, Schikanen und politischer Verfolgung ließ sich die Mehrheit der Ostdeutschen nie vom Konsum der Westmedien abhalten. Honeckers Halbsatz von 1973 trug dem Rechnung. Doch so wenig der Empfang von ARD, ZDF, Deutschlandfunk oder RIAS zuvor ausdrücklich verboten war, so wenig war er danach die Privatangelegenheit jedes DDR-Bürgers. Wer in der DDR etwas werden wollte oder etwas zu verlieren hatte, der überlegte sich bis 1989 genau, mit wem er montags den „Tatort“ vom Vortag auswertete und mit wem besser nicht. Denn bis zum Ende der SED-Diktatur konnte der Konsum von Westmedien bei Bedarf gegen DDR-Bürger in Stellung gebracht werden, wenn sie ins Visier der SED oder ihrer Stasi geraten waren.
Rezension: Dr. Ulrich Mählert