Der Untergang der Titanic war der erste große Schlag gegen das Vertrauen in die Technik. So groß war der Schrecken, so stark die Verklärung, dass die nüchternen Fakten dahinter verschwanden. Es ist das Verdienst des Dortmunder Physikprofessors Metin Tolan, sie wieder hervorzuholen, noch dazu auf bemerkenswert vergnügliche Weise. Er weiht den Leser ein in die Physik von Ozeandampfern und Eisbergen und rekonstruiert akribisch die Ereignisse jener Tage im April 1912. Eine der Überraschungen, die dabei zutage treten: Der Hollywood-Schinken Titanic von James Cameron stellt diese Ereignisse weitgehend korrekt dar.
Auf die große Frage indes verweigert Tolan die Antwort: Woran lag es? An minderwertigen Nieten, mutmaßen Forscher neuerdings. Derart monokausal denkt Tolan nicht. Er erzählt das Titanic-Desaster als Kette kleiner Zufälle, von denen keiner für sich genommen allzu unwahrscheinlich, auch keiner ein schwerer menschlicher Fehler war, die aber zusammen zur Tragödie führten. Das ist weniger spektakulär als die üblichen Titanic-Geschichten dafür wohl näher an der Wahrheit.
Tobias Hürter