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Trunkenheit und Gewalt im Mittelalter

Kaiser, Reinhold

Trunkenheit und Gewalt im Mittelalter

April 1074: Kölner Bürger verjagen ihren Erzbischof, der widerrechtlich ein Schiff requirieren wollte, aus der Stadt. Was die bisherige Stadtgeschichtsforschung als heroischen Akt bürgerlichen Aufbegehrens würdigte, erscheint im vorliegenden Buch „Trunkenheit und Gewalt im Mittelalter“ von Reinhold Kaiser als Ergebnis eines kollektiven Rauschs, Lynchmord inklusive. Entsprechende Hinweise des Chronisten Lampert von Hersfeld hält der Autor – unter anderem wegen ihrer Übereinstimmung mit der modernen Alkoholforschung – für glaubwürdig, keineswegs für klerikale Feindpropaganda gegen die aufrechten Bürger. Dies ist nur ein Beispiel unter vielen für die doppelte violentia vini, die Gewalt des Alkohols. Sie liege nicht nur in den fatalen physiologischen Rausch-Folgen begründet, sondern auch im sozialen Druck, den die Rituale des gemeinschaftlichen Trinkens erzeugten, und der wiederum gewaltfördernd wirke. Diese Spur vom engen Zusammenhang zwischen gemeinschaftlichem Alkoholgenuß, Rausch und Gewalt verfolgt Reinhold Kaiser von der Antike bis hinein in das hohe Mittelalter – die spätere Zeit soll in einem zweiten Band aus der Feder seiner Frau und Mitautorin behandelt werden. Dabei ist die Epoche der Akkulturation der nördlichen „Barbaren“ in die mediterrane Weinkultur besonders spannend dargestellt. In seiner Fixierung darauf, die bisherige Forschung der einseitigen Weichzeichnung von gemeinschaftlichem Trunk und Mahl als friedens- und gemeinschaftsstiftend zu überführen, wirkt Kaisers Abhandlung bisweilen ein wenig monomanisch. Und für den Laien wird das gelehrte, bisweilen langatmige Werk, das zu einem Drittel aus Anmerkungen besteht, kein durchgängiger Lesegenuß sein. Aber klare Aussagen fördern die wissenschaftliche Auseinandersetzung, und im einzelnen ist die Darstellung doch sehr viel facettenreicher (und damit auch lesenswerter), als es die thesenhafte Zuspitzung vermuten lassen könnte. Auch wer gegenüber der „realistischen“ Lesart eines Autors wie Lampert von Hersfeld skeptisch bleibt, wird das gedanken- und materialreiche Buch mit Gewinn lesen.

Rezension: Schwerhoff, Gerd

Kaiser, Reinhold
Trunkenheit und Gewalt im Mittelalter
Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2002, 354 Seiten, Buchpreis € 34,90
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