Afrika erscheine noch immer als ein geschichtsloses Land, bei dem entweder die Naturschönheit gepriesen oder Hunger und Chaos beklagt werden. Und die deutsche Kolonialherrschaft? Sie habe keine großen Schäden verursacht, sondern das Land modernisiert – diese Fehlurteile bestimmen nach Bartholomäus Grill noch immer in weiten Teilen unser Bild von Afrika und den deutschen Kolonien. Der Autor, der viele Jahre als Korrespondent verschiedener Medien in Afrika tätig war, möchte diese Annahmen gründlich revidieren.
Der Leser reist mit Grill quer durch die einst von Deutschen beherrschten Gebiete, durch „Deutsch-Ostafrika“ (Tansania), „Deutsch-Südwestafrika“ (Namibia), Kamerun und Togo. Überall trifft man noch auf Spuren der deutschen Kolonialherrschaft, an deren Gewalt- und Unrechtscharakter Grill keinen Zweifel lässt. Eindringlich schildert er die rassistischen Taten und brutalen Methoden, möchte allerdings die von großen Teilen der Afrika-Forscher vertretene These vom Völkermord an den Herero und Nama relativieren. Beachtlich an Grills Buch, das leider über keine Anmerkungen verfügt, sind aber vor allem die Recherche vor Ort und die Gespräche mit Afrikanern, denen der Autor eine Stimme verleiht.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Bartholomäus Grill
Wir Herrenmenschen
Unser rassistisches Erbe: Eine Reise in die deutsche Kolonialgeschichte
Siedler Verlag, München 2019, 299 Seiten, € 24,–