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Verhöre – Die NS-Elite in den Händen der Alliierten 1945

Overy, Richard (Hrsg.)

Verhöre – Die NS-Elite in den Händen der Alliierten 1945

Die internationale Forschung zur Geschichte des Naziregimes und des von ihm entfesselten Krieges hat seit dessen Ende einen langen Weg zurückgelegt. Was wir heute mit einiger Sicherheit über die Funktionsprinzipien des NS-Staates und die Stellung Hitlers in ihm, über den Zusammenhang von Kriegführung und Massenverbrechen oder über die Rolle einzelner Interessengruppen, Parteigliederungen und Verbände sagen können, unterscheidet sich wesentlich von dem, was die Zeitgenossen wußten oder einzugestehen bereit waren. Vor diesem Hintergrund liegt die Frage nahe, was von einem Buch zu erwarten ist, das uns über ein halbes Jahrhundert nach dem Zusammenbruch der deutschen Diktatur noch einmal mit den zeitgenössischen Stellungnahmen von knapp 20 ihrer führenden Repräsentanten konfrontiert. Sie drängt sich um so mehr auf, als die für den vorliegenden Band ausgewählten Aussagen der späteren Angeklagten und Zeugen im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß keinesfalls, wie der Herausgeber ausdrücklich warnt, unbesehen als „Zeugnisse der historischen Wahrheit“ gelesen werden sollten, „sondern als Darstellung von Standpunkten, die zudem stark von den Fragen beeinflußt sind, die zu stellen den Vernehmungsbeamten gerade einfiel, und von der jeweiligen Bereitschaft der Vernommenen, entweder mit Offenheit oder in Täuschungsabsicht zu antworten“. Tatsächlich zeigt sich gerade hierin der besondere Reiz des Buches. In 34 thematisch angeordneten Dokumenten werden britische (in Einzelfällen auch russische) Vernehmungsprotokolle präsentiert– alles in allem nur ein Bruchteil der im Jahre 1945 tatsächlich durchgeführten Verhöre. Sie zeigen uns einen erinnerungslosen Heß ebenso wie einen kooperativen Speer, einen trotzig-reulosen Göring, einen weinerlichen Funk und einen scheinbar arglosen Ribbentrop, daneben aber auch gläubig-gehorsame Generale (Keitel, Jodl, Guderian) und bemerkenswert auskunftsfreudige Handlanger des Völkermords (etwa Wisliceny, Höß). Was sie alle zu Protokoll geben (oder auch nicht), bietet, wenngleich von der Forschung bislang weitgehend vernachlässigt, in der Sache kaum grundlegend Neues, dokumentiert jedoch authentischer als spätere Selbstzeugnisse der NS-Elite deren Seelenverfassung im Augenblick ihres Absturzes. In seiner fast 200seitigen, glänzend geschriebenen Einleitung leuchtet der Herausgeber, selbst einer der renommiertesten Weltkriegshistoriker, die geradezu bizarre historische Szenerie in den Monaten zwischen Kriegsende und Prozeßbeginn aus. Dabei wird deutlich, daß es die hier abgedruckten Dokumente, von denen ein kleiner Teil erst unlängst in anderem Zusammenhang veröffentlicht wurde (vgl. Albert Speer, „Alles, was ich weiß“, München 1999), um ein Haar nicht gegeben hätte: Wäre es nämlich nach Churchill gegangen, so wären alle Spitzenfunktionäre des NS-Regimes binnen sechs Stunden nach ihrer Gefangennahme erschossen worden.

Rezension: Wegner, Bernd

Overy, Richard (Hrsg.)
Verhöre – Die NS-Elite in den Händen der Alliierten 1945
Propyläen Verlag, München 2002, 656 Seiten, Buchpreis € 30,00
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