Sebastian Münster (1488–1552), der eine der meistgelesenen Weltbeschreibungen des 16. Jahrhunderts verfaßte, war kein weitgereister Mann. Das Leben des Winzersohns aus Ingelheim, der als junger Mann in den Franziskanerorden eintrat und später Hebräisch und Theologie an den Universitäten Heidelberg und Basel lehrte, spielte sich fast ausschließlich im Rheintal und in Schwaben ab. Sein Wissen über die Welt bezog er aus antiken Texten, mittelalterlichen Reisebeschreibungen, der Schedelschen Weltchronik und Berichten über die Entdeckungsreisen der Spanier und Portugiesen.
Die „Cosmographia“, die Münster 1544 nach 20jähriger Vorarbeit in Basel publizierte, war ein Kind ihrer Zeit: Münster vertraute auch dort den antiken Autoritäten – etwa bei der Einteilung der Welt in drei Erdteile Europa, Asien und Afrika durch Ptolemäus –, wo ihm neuere Berichte über die Entdeckung Amerikas bekannt waren. Er übernahm kritiklos fabelhafte Darstellungen von Monsterwesen, seltsamen Meeresungeheuern und den bizarren Sitten fremder Völker. Die 500 Holzschnitte, die die Kosmographie illustrieren, mischen ebenfalls Reales und Fiktives. So stellt sich Münsters Werk, zu dem zahlreiche Gelehrte ihr Wissen beisteuerten, als Kompendium der Vorstellungswelt des 16. Jahrhunderts dar. Das Werk wurde ein großer Publikumserfolg. Bis zu seinem Tod arbeitete Münster an erweiterten Neuauflagen, für die er nicht nur Texte zusammenstellte, sondern auch Karten zeichnete und Druckstöcke schnitt.
Günther Wessel hat sich mit Münster und seiner „Cosmographia“ befaßt. In chronologisch aufgebauten Kapiteln erzählt er Münsters Leben, andere Kapitel widmen sich einzelnen Themenbereichen der Kosmographie. Die Darstellung ist zwar nicht ganz fehlerfrei – so läßt Wessel Sebastian Münster einmal im erst 1715 gegründeten Karlsruhe Station machen –, zeichnet insgesamt jedoch ein lebendiges und aufgrund der vielen Holzschnitt-Illustrationen auch anschauliches Porträt eines Gelehrten und seines Wissenshorizonts im 16. Jahrhundert.
Rezension: Häberlein, Mark