Insgesamt 16 Prozesse, elf Straf- und fünf Zivilverfahren, werden in dem Band des Rechtshistorikers Detlef Liebs vorgestellt. Er ist ansprechend und locker geschrieben. Das zeitliche Spektrum deckt die gesamte römische Geschichte von der Frühzeit (Horatierprozess) bis in die Spätantike (Donatistenstreit, die Verurteilung des Priscillian) ab. Dem Verfasser geht es dabei weniger um eine systematische Darstellung des römischen Gerichtswesens in allen Einzelheiten. Im Zentrum steht vielmehr die Gerichtspraxis, in der er einen permanent arbeitenden Motor für die Fort‧entwicklung des römischen Rechts sieht. Damit rücken insbesondere die Richter selbst in den Vordergrund.
Dieser Fortgang des Rechts wird an einzelnen Beispielen anschaulich dargestellt, wobei jedem Exempel ein Abschnitt zur Wirkung des Prozesses beigefügt wurde. Hier werden Traditionslinien nachgezeichnet, die nicht selten bis in die aktuellen Rechtsbücher der europäischen Staaten führen. Dabei werden – anders, als der Titel suggeriert – nicht nur die tatsächlich prominenten Prozesse aus der römischen Antike, wie etwa das Verfahren gegen Jesus von Nazareth, vorgestellt. Häufiger geht es um auf den ersten Blick kleine, eher unbedeutende Streitfälle, die außerhalb der rechtshistorischen Spezialforschung bisher nur wenig Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, deren besondere Bedeutung vom Autor aber stets konzise herausgearbeitet wird und die lehrreiche, mitunter auch unterhaltsame Einblicke in die römische Alltagswelt vermitteln.
So wird etwa nach dem Ursprung des Rechts eines römischen Bürgers gefragt, gegen obrigkeitliche Maßnahmen an die Volksversammlung zu appellieren, oder am Beispiel der Verurteilung des Dichters Ovid die Entstehung des Kaisergerichts nachgezeichnet, die problematische Rolle des Pontius Pilatus bei der Kreuzigung Jesu herausgearbeitet und zugleich ein differenziertes Bild von der Rolle der Juden in diesem Verfahren entwickelt. Die grundlegende Bedeutung der Christenverfolgung unter Nero für den späteren Umgang mit den Christen wird diskutiert oder das unter Marc Aurel eingeführte Verbot gewaltsamer Selbsthilfe. Die kurzlebigen Versuche der Adoptivkaiser des 2. Jahrhunderts, der Sklaverei ein humaneres Gesicht zu verleihen, werden auch aufgegriffen.
Dem Verfasser ist ein informativer und zugleich gut lesbarer Überblick gelungen, der auch als Einstieg in die Geschichte der römischen Gerichtspraxis geeignet ist.
Rezension: Meier, Mischa