Wolfgang Brenners Rathenau-Biographie ist eine geschickte Neuzusammenstellung der bekannten Forschung ohne wissenschaftlichen Anspruch. Christian Schölzels Leipziger Dissertation beruht auf allen erreichbaren Quellen. Aus mehr als 80 Archiven hat der Autor ungedruckte Materialien zusammengetragen; darunter befindet sich auch Rathenaus lange verschollener, nach 1990 in Moskau wiederaufgefundener Nachlaß. Brenner kommt mit einem minimalen wissenschaftlichen Apparat aus, sein Buch ist journalistisch leicht, teilweise glänzend geschrieben. Schölzels Arbeit ist von akribischer Gelehrsamkeit und liefert eine Fülle neuer Detailinformationen und -einsichten. Ein Lesevergnügen dagegen bereitet das Buch nicht.
Brenners Porträt folgt im wesentlichen den bekannten, traditionellen Positionen. Die entscheidenden Antriebskräfte Rathenaus speisten sich aus seinem Verhältnis zum übermächtigen Vater sowie aus seiner Religion. Auch die vermutete Homosexualität spielte Brenner zufolge eine uneingestandene, aber wichtige Rolle. Dem entspricht es, wenn der junge, der private und der einsame Rathenau breiten Raum beanspruchen. Die Darstellung ist über weite Strecken psychologisierend und zum Teil auch nicht ganz frei von stereotypen Urteilen. Im Vordergrund steht die „Rolle des Verlierers, des Einzelkämpfers, des Außenseiters, der demütig um Einlaß bittet und weggeschickt wird“; sie im wesentlichen erklärt bei Brenner die brillante und zugleich abgründige Dynamik in der Biographie des Protagonisten.
Rezension: Wirsching, Andreas