DIE MANAGERKRANKHEIT
Herzinfarkt ist unter Patienten keine angesehene Diagnose mehr, seit bekannt ist, dass nicht nur Stress, sondern auch ein Leben als Couch-Potato die Ursache dafür sein kann. Wer auf der Höhe der Zeit sein will, sollte seinen Arzt besser wegen Chronischer Erschöpfung oder Sick-Building-Syndrom konsultieren. Damit sind Aufmerksamkeit und Status garantiert, rät der Arzt und Journalist Werner Bartens. In seinem Buch zeigt er, wie sich die Wahrnehmung verschiedener Krankheiten im Laufe der Zeit gewandelt hat und illustriert damit eine wichtige Erkenntnis der Medizinhistoriker: Krankheiten machen Karriere, sie unterliegen Konjunkturen der Aufmerksamkeit und geraten wieder in Vergessenheit. Stets sind sie auch soziale und gedankliche Konstrukte. So wird heute kein Arzt mehr eine Bleichsucht diagnostizieren, sondern vielmehr eine Blutarmut, und statt einer Hysterie eher Schwindel oder Herzstolpern. Bartens zeigt auch, wie wirtschaftliche Interessen der Pharma- und Medizinindustrie sowie die Berichterstattung in den Medien unsere Bilder von bestimmten Erkrankungen prägen. Die Diagnose und medikamentöse Behandlung des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms (ADS) bei Kindern zum Beispiel hat in den letzten Jahren epidemische Ausmaße angenommen. Einige Kapitel, wie beispielsweise das über Depression, hätten freilich etwas mehr Tiefgang verdient. Und bisweilen scheint leider der Wille zum Witz mit dem Autor durchgegangen zu sein. So ist etwa die Bemerkung, der Nachteil einer Magersucht sei, dass sie manchmal tödlich ende, schlicht geschmacklos.
Dr. Eva Tenzer