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Was wäre gewesen, wenn …?

Christoph Nonn/Tobias Winnerling (Hrsg.)

Was wäre gewesen, wenn …?

Die Karriere des englischen Bestsellerautors Robert Harris begann mit dem Kriminalroman „Vaterland“, der in einem fiktiven Deutschland des Jahres 1964 angesiedelt ist. Die Annahme: Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg gewonnen. Sind solche phantasievollen Gedankenspiele nur Schriftstellern erlaubt, die Geschichten frei konstruieren können und die sich – anders als Historiker – nicht der Wahrheitssuche im Dienst der Wissenschaft verschrieben haben? Mitnichten, argumentieren die Autoren des vorliegenden Sammelwerks, das anhand ausgewählter Beispiele der deutschen Geschichte alternative Ereignisverläufe diskutieren will.

Denn was wäre gewesen, wenn der preußische König Friedrich II. während des Siebenjährigen Kriegs bei der verlustreichen Schlacht von Kunersdorf 1759 – in der, wie er selbst schrieb, sein Rock „von Schüssen durchbohrt“ wurde und zwei Pferde unter seinem Leib fielen – tödlich getroffen worden wäre? Und wäre aus dem bekannten „Mirakel des Hauses Brandenburg“ ein Debakel geworden, wenn die russische Zarin Elisabeth Petrowna nicht unerwartet am 5. Januar 1762 gestorben und daraufhin wenige Monate später ein Separatfrieden zwischen Preußen und Russland zustande gekommen wäre? Schon diese beiden Beispiele machen deutlich, dass es oftmals kleine, unscheinbar wirkende Begebenheiten sind, die über große Entwicklungen entscheiden.

Das Einbeziehen kontrafaktischer Geschichtsverläufe heißt nun freilich nicht, das tatsächliche Geschehen als ein rein zufälliges zu deuten. Im Gegenteil, ein solches Vorgehen zwingt vielmehr dazu, sich über die Wirkmächtigkeit einzelner Faktoren, vor allem über die Bedeutung von Personen und Strukturen, Gedanken zu machen. Wäre es nicht auch ohne Bismarck in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Gründung eines deutschen Gesamtstaats gekommen, einfach weil ein solcher Akt angesichts der nationalen Bewegungen in ganz Europa gleichsam in der Luft lag?

Die Lektüre der einzelnen Fallstudien ist anregend, mitunter sogar aufregend. Manche Beispiele – eine Neuzeit ohne Reformation, Europa ohne die EU – sind allerdings viel zu abstrakt, um alternative Entwicklungen sinnvoll zu beschreiben. Am Ende gleichen sich die Befunde zur jüngeren Vergangenheit auffallend. So hätte, um nur ein Beispiel herauszugreifen, ein Massaker in Leipzig am 9. Oktober 1989 am inneren Zerfall der SED und am Niedergang der DDR „auf Dauer nichts ändern können“, auch wenn die Tatsache, dass dieses Massaker ausblieb, „keineswegs zwangsläufig, sondern das Resultat einer Kette von glücklichen Zufällen“ gewesen sei. Ob dieses Urteil besonders originell ist, sei dahingestellt.

Wichtiger ist, dass sich das eine wie das andere kaum belegen lässt. Man sieht, das Schreiben ungeschehener Geschichte ist für den Wissenschaftler kein leichtes Unterfangen. Vielleicht sollte man es doch den Romanautoren überlassen?

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Rezension: Prof. Dr. Joachim Bahlcke

Christoph Nonn/Tobias Winnerling (Hrsg.)
Eine andere deutsche Geschichte 1517–2017
Was wäre wenn …
Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2017, 298 Seiten, € 29,90

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