WENN DIE MENSCHEN Gottes Gebote mit Du sollst nicht… beginnen lassen, dann deshalb, weil diese übertreten werden können. Gegen Naturgesetze aber kann man nicht verstoßen. Sie lassen sich daher nur unter Formeln wie Du darfst… oder Du kannst nicht… stellen. Doch was sind Naturgesetze? Darum geht es im neuen Buch von Henning Genz, Professor für Theoretische Physik an der Universität Karlsruhe. Jeder, der sich mit naturphilosophischen und wissenschaftstheoretischen Rätseln beschäftigt kurz: mit den uralten Fragen nach der Welt und unserer Erkenntnis von ihr , wird das glänzend geschriebene und gut illustrierte Buch mit Gewinn und Freude lesen. En passant gibt Genz Einführungen in die klassische Mechanik, Relativitäts-, Quanten- und Chaostheorie, Thermodynamik und Astronomie. Er erklärt das schwierige Verhältnis von Mathematik und Wirklichkeit, von Sprache und Realität. Genz illustriert seine Überlegungen mit konkreten Beispielen aus den Naturwissenschaften und ihrer Geschichte. Seine Grundüberzeugung ist die keinesfalls triviale Einsicht, dass die Welt verstanden werden kann. Er will eine Lanze für den Realismus brechen. Dabei lässt sich nicht vermeiden, dass Begriff und Vorstellung von der Realität je nach Betrachtungsweise drastischen Wandlungen unterliegen. Aber die Hauptfunktionen unseres Umgangs mit Naturgesetzen bleiben: Voraussagen machen und Beobachtungen erklären. Genz plädiert wie der Physiknobelpreisträger Steven Weinberg dafür, dass Naturgesetze so real wie Stühle sind. Diese Position ist riskant, denn sie muss sich zwischen der Scylla des Platonismus und der Charybdis menschlicher Konventionen hindurchmanövrieren, um nicht an metaphysischer Höhenluft oder einem radikalen Relativismus unterzugehen. Doch Genz ist ein gewandter Formulierer und Popularisierer, so dass wohl niemand über Bord springen wird. Immer wieder tritt er mit seinen mitdenkenden Lesern in einen fiktiven Dialog, indem er Fragen, die sich aufdrängen, explizit formuliert und dann auch beantwortet. Dabei verschweigt er nicht die Grenzen und Probleme des naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinns. Schon Albert Einstein wusste: Das ewig Unbegreifliche an der Welt ist ihre Begreiflichkeit.