Biographie und Lebensalter sind untrennbar miteinander verbunden. Zum Charakter Alexanders des Großen und seiner historischen Bedeutung scheint es zu gehören, daß sein Stern hell erstrahlte, um dann mit 33 Jahren rasch zu verglühen.
Teil der Tragik Ciceros dagegen war, daß er lange genug lebte, um sich als Relikt aus der „guten alten Zeit“ noch einmal ungebeten in die Rolle des Republikretters drängen zu können. Sulla starb mit 60 Jahren, als er nach römischer Vorstellung gerade dabei war, ein senex, ein alter, im besten Fall würdiger Mann zu werden. Das Ideal des frühgriechischen Dichters Mimnermos erreichte er damit freilich nur teilweise: „Ach könnte ohne Krankheitsleid und peinigende Sorgen den Sechzigjährigen dereinst ereilen das Todeslos.“
Hartwin Brandt führt vor, was über die alten Menschen in der Antike wissenswert ist. Die gradlinige Darstellung erörtert Gedanken und Ansichten zum letzten Lebensabschnitt, wie sie sich zumal bei den Philosophen, in mannigfachen Brechungen auch in der Dichtung finden, ferner „realgeschichtlich“ die Rolle und Position alter Menschen im politischen, sozialen und kulturellen Gefüge antiker Gesellschaften. Der Autor urteilt ausgewogen, ist aber nicht davor gefeit, Konflikte zu unterschätzen. So hing die von ihm bezweifelte Marginalisierung der Alten im klassischen Athen unter anderem damit zusammen, daß diese irgendwann von ihren Söhnen aufs Altenteil gesetzt wurden und als machtlose Greise nicht selten der Willkür des Hausherrn ausgesetzt waren; in Rom erlosch dagegen die „väterliche Gewalt“ erst mit dem Tod.
Eine Stärke von Brandts lesenswertem Überblick sind die Abbildungen, die nicht nur illustrativ eingesetzt, sondern sorgfältig interpretiert werden. Das Ziel, „der heutigen Leserschaft einmal mehr die antiken Wurzeln europäischer Zivilisation und die mannigfache Präsenz der Antike in der Moderne zu demonstrieren“, erreicht das Buch voll und ganz.
Rezension: Walter, Uwe