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Woodrow Wilson – Amerika und die Neuordnung der Welt. Eine Biographie

Manfred Berg

Woodrow Wilson – Amerika und die Neuordnung der Welt. Eine Biographie

In einem Wahljahr tut es gut, sich daran zu erinnern, was Politikerversprechen wert sein können: Am 4. März 1917 wurde Thomas Woodrow Wilson für eine zweite Amtszeit als 28. Präsident der USA vereidigt. Den Wahlkampf hatte er mit dem Slogan „He kept us out of war“ gewonnen, was anzudeuten schien, dass unter diesem Präsidenten das Land weiterhin dem Massensterben in Europa fernbleiben würde. Am 2. April, nur vier Wochen später, ersuchte Wilson den Kongress, den Mittelmächten den Krieg zu erklären – die USA traten unter seiner Führung in den Waffengang ein.

Der an der Universität Heidelberg lehrende Historiker Manfred Berg hat eine höchst lesenswerte Biographie Woodrow Wilsons verfasst, die sowohl der Bedeutung des Präsidenten, unter dem die USA endgültig zu einer globalen Supermacht wurden, als auch dem vielschichtigen Charakter des Quereinsteigers in die Politik gerecht wird. Berg zeigt schonungslos die zahlreichen Widersprüche zwischen Wilsons moralischer Selbstgerechtigkeit, den mit der Rhetorik des Princeton-Professors vorgetragenen hehren Idealen und der Wirklichkeit seiner Amtsführung auf – zwischen beidem liegen oft Abgründe.

Der Weg Wilsons ins Weiße Haus 1912 war alles andere als vorgezeichnet. Ob der Kandidat, seit 1910 Gouverneur von New Jersey, aufgrund mindestens eines Schlaganfalls und der Erblindung auf einem Auge möglicherweise gar nicht amtsfähig war, ist aber eine Frage, die erst viel später gestellt wurde. Seine angeschlagene Gesundheit, hinter einem Nebel von Geheimhaltung verborgen, hatte weltpolitische Konsequenzen, als er 1919 einen neuerlichen Schlaganfall erlitt und weite Teile seiner verbleibenden Amtszeit im Weißen Haus vor sich hindämmerte, während die republikanische Opposition den Eintritt der USA in den Völkerbund verhinderte.

Wilsons übersteigertes Sendungsbewusstsein steht im Widerspruch zu seiner holprigen Karriere. Zum Kandidaten der Demokraten wurde er 1912 erst im 46. Wahlgang gewählt. Präsident wurde er vor allem wegen der Spaltung der Republikanischen Partei in den Flügel mit dem Expräsidenten Theodore Roosevelt und jenen um den amtierenden Präsidenten William H. Taft. Auch 1916 war – trotz Wirtschaftsblüte und scheinbarer Friedenspolitik – Wilsons Sieg knapp.

In Erinnerung ist er geblieben mit seiner vollmundigen Vision, die Welt durch Krieg „safe for democracy“ zu machen. Um die Demokratie im eigenen Land war es indes mit der massiven Einschränkung von Bürgerrechten nach dem Kriegseintritt, der Drangsalierung (und in einem Fall Ermordung) von Deutsch-amerikanern sowie einer Welle von Lynchmorden an Afroamerikanern nicht zum Besten bestellt. Sein von den Franzosen – verständlicherweise – vielumjubelter Besuch in Paris 1919 (die erste Auslandsreise eines amtierenden US-Präsidenten) mündete in den Vertrag von Versailles, der sich als wenig demokratiefördernd erwies.

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Wilson – der in Mexiko 1914 militärisch intervenierte und die 1917 in Russland siegreichen Bolschewiki als „im wahren Geist moderner Demokratie“ handelnd bezeichnete – wirkt wie ein selbstgefälliger politisierter Gutmensch. Der Althistoriker Eduard Meyer nannte ihn knapp einen „salbungsvollen, scheinheiligen Heuchler“.

Manfred Berg aber trifft mit seiner mutigen Schlussfolgerung einen Nerv, wenn er konstatiert, dass die Deutschen des frühen 21. Jahrhunderts mit ihrer Neigung, sich als „moralische Supermacht“ zu profilieren, „stärker in der Tradition Wilsons stehen, als es hiesigen Kritikern amerikanischer Machtpolitik bewusst sein dürfte.“

Rezension: Ronald D. Gerste

Manfred Berg
Woodrow Wilson – Amerika und die Neuordnung der Welt. Eine Biographie
C. H. Beck, München 2017, 277 Seiten, Buchpreis € 16,95
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