Wucher galt im Mittelalter als Inbegriff des Bösen. Als Wucher bezeichnete man den Zins, der aus einer Geldleihe gezogen wurde (also nicht aus der von Sachgütern). Zinsen waren zu jener Zeit unglaublich hoch: Sätze von etwa 30 Prozent waren üblich, doch es kamen auch 200 Prozent vor. Mit Schreckensszenarien haben die Maler der Gotik vor dem Wucher gewarnt: Der Geldgierige findet sich in den Klauen des Teufels oder im Höllenrachen wieder. Doch weder dies noch flammende Wucherpredigten nützten etwas; der Widerspruch zwischen christlicher Moral und wirtschaftlichem Nutzen – Herrschaftsrepräsentation und Kriegsfinanzierung sind nur zwei Gründe der Geldleihe – blieb bestehen, zumal Wucher nur nach kirchlichem, nicht aber nach weltlichem Recht verfolgt werden sollte.
Der französische Historiker Jacques Le Goff widmet sich diesem „explosiven Gemisch“ von Religion und Ökonomie. „Der Wucherer ist der Wegbereiter des Kapitalismus“, so lautet seine griffige These. Er schildert die christlichen Grundlagen des Wucherverbots und seine Verknüpfung mit der aufkommenden Geldwirtschaft sowie die Popularisierung der kirchlichen Normen durch Predigt, Exempla-Literatur und Beichtspiegel. Soziale Koordinaten steuert die instruktive Einführung von Johannes Fried bei.
Rezension: Talkenberger, Heike