Zwangsarbeit wird zumeist mit dem Zweiten Weltkrieg verbunden. Doch bereits im Ersten Weltkrieg, der in so vielerlei Hinsicht schon als „totaler Krieg“ zu bezeichnen ist, rekrutierten und beschäftigten deutsche Behörden zwangsweise Tausende Arbeitskräfte im Reich und in den besetzten Gebieten. Mit diesem Thema befasst sich die Dissertation von Christian Westerhoff. Im Mittelpunkt stehen das besetzte Polen und Litauen.
Wegen der ausgeweiteten Kriegswirtschaft und der Einberufung von Millionen Deutschen an die Front herrschte großer Mangel an Arbeitskräften im Reich. In den besetzten Gebieten sollte die lokale Bevölkerung im Straßenbau sowie für die Forst- und Landwirtschaft arbeiten. Der Autor widerlegt die bisherige Forschungsmeinung, dass die im Jahr 1916 auf Initiative Ludendorffs – und unter Missachtung des Völkerrechts – flächendeckend eingeleiteten Zwangsmaßnahmen zur Gewinnung von Arbeitskräften aufgrund von Protesten bald wieder hätten eingestellt werden müssen. Vielmehr kann er zeigen, dass vor allem in Litauen zahlreiche Menschen weiter zur Arbeit gezwungen wurden, teils unter dramatisch schlechten Bedingungen. Dies betraf neben Strafgefangenen und Frauen auch „Müßiggänger und arbeitsscheues Gesindel“, wie der Leiter der Militärverwaltung Litauen Tiesner noch im August 1918 schrieb.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger