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Zwangsarbeiterentschädigung – Vom Streit um „vergessene Opfer“ zur Selbstaussöhnung der Deutschen

Borggräfe, Henning

Zwangsarbeiterentschädigung – Vom Streit um „vergessene Opfer“ zur Selbstaussöhnung der Deutschen

Ohne Zwangsarbeit wäre es Nazi-Deutschland nicht möglich gewesen, die Wirtschaft während des Zweiten Weltkriegs aufrechtzuerhalten. Viele Millionen Männer, Frauen und Kinder wurden aus allen Teilen der von deutschen Truppen besetzten Gebiete zur Zwangsarbeit deportiert. Die Organisatoren des Zwangsarbeiter-Einsatzes saßen unter anderem in den Arbeitsämtern, den Ortskrankenkassen, der Reichsbahnverwaltung, im Militär, bei Polizei und Gestapo, bei den Verwaltungen der Gefängnisse und Zuchthäuser, aber auch in den Chefetagen der Rüstungsbetriebe und vieler anderer Wirtschaftsunternehmen und schließlich in den Verwaltungen von Kommunen und Kreisen.

Über viele Jahre hinweg versuchten ehemalige Zwangsarbeiter, Forderungen nach Entschädigung in der Bundesrepublik einzuklagen oder zu einer außergerichtlichen Einigung zu gelangen. Wie die Bemühungen ausgingen, ist bekannt: Die Ansprüche wurden nicht anerkannt oder abgewiesen. Bis in die 1980er Jahre blieb das Thema Zwangsarbeit im öffentlichen Bewusstsein eine Marginalie. Zögerlich und in aller Regel nur aufgrund wirtschaftlichen Drucks begann ein Umdenken. Nicht wegen der Sache selbst, sondern weil Unternehmensverkäufe und -umstrukturierungen im Rahmen der Globalisierung anstanden, wurde auf die berechtigten Ansprüche ehe‧maliger Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen eingegangen.

Wer die Auseinandersetzungen um die Frage der Zwangsarbeiter-Entschädigung detailliert nachlesen möchte, der greife zum Buch von Henning Borggräfe. Seine Studie nimmt die Rolle von Wirtschaft und Politik, aber auch von Verfolgtenvertretern und der Zivilgesellschaft in den Fokus. Am Ende steht die traurige Bilanz, dass erst die Angst führender deutscher Industrieunternehmen vor zivilrechtlichen Auseinandersetzungen (etwa in Sammelklagen) zu einem veränderten Verhalten führte.

Im Jahr 2000 wurde die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ gegründet, die mit einem Betrag von umgerechnet gut fünf Milliarden Euro ausgestattet wurde. Ein großer Teil der Gelder kam – vermittelt über Partnerorganisationen in vielen Ländern Europas – bei den noch Lebenden mit über 50-jähriger Verspätung an. Allerdings fielen auch weiterhin ganze Gruppen von Zwangsarbeitern durch das Raster der Entschädigungsansprüche: Kriegsgefangene und italienische Militärinternierte etwa.

Borggräfe kommt im Kapitel zur gesellschaftlichen Verantwortung zu dem Schluss, dass die Entwicklungen der vergangenen 30 Jahre auch als Beitrag zur „Selbstaussöhnung“ der Deutschen verstanden werden können. Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann jedoch auch pessimistischer betrachtet werden. Ohne Frage haben die Auseinandersetzungen um Entschädigung eine neue Sensibilisierung für NS-Themen bewirkt. Inwieweit sich das gesellschaftliche Gedächtnis in dieser Hinsicht aber als stabil erweisen wird, wird die Zukunft zeigen.

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Rezension: Dr. Wolfgang Form

Borggräfe, Henning
Zwangsarbeiterentschädigung – Vom Streit um „vergessene Opfer“ zur Selbstaussöhnung der Deutschen
Wallstein Verlag, Göttingen 2014, 568 Seiten, Buchpreis € 42,00
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