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1000 Sonnen für San Diego

Technik|Digitales

1000 Sonnen für San Diego
Freiburger Forscher haben eine Solartechnologie entwickelt, die weit mehr Energie aus dem Sonnenlicht herausholt als herkömmliche Silizium-Zellen. Sie soll künftig sonnenreiche Regionen mit preisgünstigem Photovoltaik-Strom versorgen.

unermüdlich scheint die Sonne über Südkalifornien. Übers Jahr kommen in San Diego – einer Millionenstadt unweit der mexikanischen Grenze – fast 3000 Sonnenstunden zusammen. Zum Vergleich: In Berlin sind es nur etwa 1600 Stunden. Der Südwesten der USA ist vom Klima bevorzugt. Das macht die Region zu einem idealen Standort für solare Kraftwerke, die per Photovoltaik elektrischen Strom aus dem Sonnenlicht gewinnen. In Deutschland sind solche Anlagen im Kleinformat millionenfach auf Dächern von Wohn- und Geschäftsgebäuden montiert und stehen in Reih und Glied in Solarfarmen auf Äckern und Wiesen. Ihr Herzstück sind Module aus Solarzellen, die in der Regel aus kristallinem Silizium bestehen.

Doch für die künftige Stromversorgung in sonnigen Landstrichen wie Kalifornien favorisieren Forscher am Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE eine andere solare Technologie: die Konzentrator-Photovoltaik (kurz: CPV, Abkürzung von „concentrator photovoltaics”). Was diese Technologie auszeichnet, ist vor allem ihr hoher Wirkungsgrad. Das heißt: Ein relativ großer Teil der Energie des Sonnenlichts lässt sich damit in Strom umwandeln. So erreichen montagefertige Module aus Konzentrator-Solarzellen eine Effizienz von etwa 30 Prozent.

Damit ist ihre Energieausbeute rund doppelt so groß wie die konventioneller Silizium-Module. Doch die hohe Ausbeute hat einen Haken: Der Einsatz der CPV-Technologie lohnt sich nur dort, wo ausgiebig und meist ungetrübt die Sonne scheint – und daher viel direktes, nicht durch Wolken getrübtes Sonnenlicht die Erde erreicht. In Mitteleuropa ist das Klima zu unbeständig.

Trick: Das Licht Separat Sammeln

Der Grund liegt in einem technischen Trick, mit dem der hohe Wirkungsgrad erreicht wird: In den CPV-Systemen stecken „ Mehrfach-Solarzellen”, bei denen mehrere einzelne Zellen in einem Materialstapel miteinander kombiniert sind. Dadurch lässt sich das Sonnenlicht besonders effizient nutzen. Um die Kosten möglichst gering zu halten, sind in einem CPV-Modul zwei Grundfunktionen der Photovoltaik voneinander getrennt: das Sammeln des Sonnenlichts und dessen Umwandlung in elektrische Energie – was aufwendig ist und recht große Investitionen verlangt.

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Bei herkömmlichen Solarzellen geht beides Hand in Hand: Das Licht dringt ohne Umwege durch die Oberfläche des Siliziums in die Zelle ein, wo es in speziell präparierten („dotierten”) Materialschichten eine elektrische Spannung erzeugt – und damit einen Strom fließen lässt.

Auch bei der Konzentrator-Technologie verwandelt sich auf diese Weise Energie des Sonnenlichts in elektrischen Strom. Doch bevor es auf die Solarzelle trifft, bündelt eine Sammellinse das Licht und fokussiert es auf einen etwa stecknagelkopfkleinen Fleck. Die Intensität des Lichts steigt dort durch die Konzentration auf das Vielfache. Forscher sprechen salopp von 500 oder 1000 „Sonnen”, wenn das Sonnenlicht so um den Faktor 500 oder 1000 verdichtet wird.

Der Vorteil der Konzentration: „Um das fokussierte Licht zu nutzen, genügt eine winzige Solarzelle”, erklärt Andreas Bett, Leiter des Geschäftsfelds Alternative Photovoltaik-Technologien am ISE. „Dadurch benötigt man zum Herstellen der Zelle sehr wenig Material – je nach Konzentrationsfaktor nur ein Fünfhundertstel bis Tausendstel.” Das ermöglicht es den Solaringenieuren, sehr hochwertige und effiziente – aber auch teure – Werkstoffe für die Fertigung der Mehrfach-Solarzellen zu verwenden.

Freiburg gilt als deutsches Mekka der Solarenergie. Zu diesem Ruf haben vor allem die Forscher am ISE beigetragen. Die Einrichtung mit über 1100 Mitarbeitern ist das größte Solarforschungsinstitut Europas. Seine Forscher waren Vorreiter bei der Entwicklung etlicher Solartechnologien – auch bei der hocheffizienten Photovoltaik aus Mehrfach-Solarzellen und Konzentrator-Linsen.

Bereits Anfang der 1990er-Jahre schufen die Fraunhofer-Forscher Zellen und Module, die darauf basierten. Dazu verwendeten sie III/V-Verbindungshalbleiter – Werkstoffe, die aus chemischen Elementen der dritten und fünften Hauptgruppe des Periodensystems bestehen. Dazu gehören Gallium, Indium, Arsen, Phosphor und Stickstoff.

Um das Sonnenlicht auf wenige Quadratmillimeter kleine Zellen aus diesen Materialien zu konzentrieren, entwickelten die Freiburger gemeinsam mit Forschern am Ioffe-Institut in St. Petersburg spezielle Linsen. Die Fresnellinsen – benannt nach dem französischen Physiker Augustin Jean Fresnel – bestehen aus gewöhnlichem Fensterglas und optisch hochtransparentem Silikon, das auf pfiffige Weise geformt ist. Dadurch bündeln sie das Licht besonders wirkungsvoll – und lassen sich dennoch einfach und kostengünstig herstellen.

Trotzdem war der Strom aus CPV-Modulen bisher zu teuer, um mit Strom aus anderen Quellen konkurrieren zu können. „Vor allem Galliumarsenid ist sehr kostspielig”, sagt Hermann-Josef Wagner, Inhaber des Lehrstuhls für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum. „Daher blieben Zellen aus III/V-Halbleitern trotz ihrer hohen Effizienz fast zwei Jahrzehnte lang fast ausschließlich Forschungsobjekte.”

Nur in der Raumfahrt konnten die hocheffizienten Zellen Fuß fassen. An Bord vieler Satelliten produzieren Module aus Mehrfach-Solarzellen Sonnenstrom für den Betrieb von Messgeräten und Funkantennen. „Die Kosten in der Raumfahrt werden wegen des teuren Transports ins All nach Energie pro Gewicht bewertet”, erklärt ISE-Forscher Bett. „Daher sind dort hocheffiziente Zellen willkommen, obwohl sie mehr kosten.” In den vergangenen fünf Jahren gelang es den Forschern, die Technik auch für eine irdische Nutzung fit zu machen.

Geschickter Materialmix

Derzeit setzen die Fraunhofer-Forscher Dreifach-Solarzellen ein, um die Stromausbeute zu verbessern. In ihnen sind rund 20, teils nur wenige Nanometer dünne Schichten aus verschiedenen Materialien wie Germanium und Galliumarsenid so „gestapelt”, dass eine Kombination von drei separaten Zellen entsteht. „Durch geschickte Zusammenstellung der verwendeten Werkstoffe lässt sich ein deutlich größerer Teil des Sonnenlichts energetisch nutzen als mit Solarzellen, die nur aus einem einzigen Material bestehen” , sagt ISE-Forscher Andreas Bett, stellvertretender Leiter des Instituts. Das Resultat sind ein besserer Wirkungsgrad und geringere Wärmeverluste.

Der physikalische Hintergrund: Damit ein Lichtteilchen – ein Photon – in einer Solarzelle ein Ladungsträger-Paar aus einem negativ geladenen Elektron und einem positiv geladenen „Loch” erzeugen kann, muss es ein bestimmtes Quantum an Energie besitzen. Bei Silizium beträgt diese Energieschwelle etwa 1100 Nanometer Wellenlänge, das ist im Bereich von infrarotem Licht. Das Sonnenlicht ist ein Gemisch aus allen Farben des Regenbogenspektrums sowie infraroten und ultravioletten Anteilen, deren Photonen unterschiedlich stark energiegeladen sind. Daher enthält es auch Lichtpartikel, die nicht genug Energie tragen und nicht zur Stromerzeugung beitragen. Andere Photonen haben mehr Energie als nötig – der Überschuss geht als Wärme verloren. Beide Effekte begrenzen den theoretisch maximal erreichbaren Wirkungsgrad. Bei Silizium-Solarzellen liegt er bei etwa 30 Prozent. Anders bei Mehrfach-Solarzellen: In der Theorie lässt sich deren Effizienz bis fast 90 Prozent steigern.

Verknüpft man in einer Mehrfach-Zelle verschiedene Halbleiter-Materialien miteinander, lässt sich ein deutlich größerer Teil des Sonnenspektrums energetisch nutzen. Denn jedes Material kann in einem anderen Frequenzbereich auf Energiefang gehen.

Die Kombi-Zellen aus Freiburg bestehen zurzeit aus drei Teilzellen: Eine fischt Energie aus dem blauen Anteil des Sonnenlichts heraus, eine andere ist für grünes bis rotes Licht empfänglich, die dritte saugt Strom aus dem infraroten Bereich des Spektrums.

Mit einer Dreifach-Zelle aus Galliumindiumphosphid, Galliumindiumarsenid und Germanium gelang es den ISE-Forschern 2009, einen Wirkungsgrad-Rekord aufzustellen: 41,1 Prozent der solaren Energie holte die Zelle aus dem Sonnenlicht heraus. Inzwischen steht die Rekordmarke bei 43,5 Prozent – erreicht haben sie Forscher der Firmen Sharp in Japan und Solarjunction in den USA. Die Wissenschaftler um Bett arbeiten derzeit an der Entwicklung noch deutlich effizienterer Stapel aus bis zu sechs Solarzellen.

Auch für die Herstellung von Modulen, in denen mehrere Dreifach-Zellen elektrisch verbunden und mit konzentrierenden Linsen versehen sind, fanden die ISE-Experten neue kostengünstige Wege. Dazu haben sie am Institut eine Modul-Fertigungslinie aufgebaut und neuartige Instrumente entwickelt, um Zellen, Module und komplette Systeme zu kalibrieren und zu testen.

„Der Systemansatz ist entscheidend bei der Konzentrator-Technologie”, sagt Bett. Mit der Herstellung von Zellen und Modulen ist es nicht getan. „Da zum Fokussieren des Lichts direkte Sonnenstrahlung nötig ist, müssen die Module stets exakt zur Sonne ausgerichtet sein”, erklärt der Forscher. Dazu werden mehrere Module zusammengefasst und auf einer „ Tracking-Einheit” installiert, die sie der Bewegung der Sonne nachführt.

Die Notwendigkeit von direktem Sonnenlicht beschränkt den Einsatz der CPV-Technologie auf Regionen wie den Sonnengürtel im Norden und Süden Afrikas, Australien, den Mittleren Osten und den Südwesten der USA. In Europa kommen allenfalls Südspanien sowie Teile von Italien und Frankreich infrage. „Da Konzentrator-Anlagen der Sonne nachgeführt werden, liefern sie das Gros des Stroms dann, wenn besonders viel davon gebraucht wird”, sagt der Physiker Hansjörg Lerchenmüller: in den Mittagsstunden, wenn Klimaanlagen, Computer und Maschinen auf Hochtouren laufen. Lerchenmüller ist Geschäftsführer von Soitec Solar – einem Unternehmen, das 2005 unter dem Namen Concentrix aus dem ISE ausgegründet wurde. 2009 übernahm der französische Halbleiter-Konzern Soitec die Freiburger Firma, die heute fast 200 Mitarbeiter beschäftigt.

Ziel der Ausgründung war es, die von den Fraunhofer-Forschern entwickelte Konzentrator-Technologie zu einem Produkt zu formen und am Markt zu etablieren. „Dieses Ziel haben wir schnell erreicht”, sagt Lerchenmüller. Wenige Monate nach Firmengründung errichteten Techniker des Unternehmens in einem Solarpark bei Sevilla in Südspanien einen ersten Prototyp. Weitere Anlagen folgten, etwa in Südafrika, Ägypten und im US-Bundesstaat New Mexico sowie zuletzt in Süditalien.

Konkurrenzfähige Preise

Das Unternehmen hat eine Fertigungslinie aufgebaut, in der CPV-Module komplett automatisiert hergestellt werden. Dabei kommen fast ausschließlich Standardmaschinen zum Einsatz, die auch in anderen Industriebereichen genutzt werden. Für Hansjörg Lerchenmüller ist es „die größte Innovationsleistung”, diese Fertigungsprozesse an die CPV-Module angepasst zu haben: „Das hat entscheidend dazu beigetragen, dass wir heute Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten können.”

Ein Blick in die Fertigung zeigt hohe Präzision: Dünne Germanium-Scheiben, die Wafer, tragen rund 1000 Dreifach- Solarzellen, die in einem Reinraum hergestellt werden. Ein „ elektronisches Auge” kontrolliert jede Zelle auf Funktion und Qualität. Danach werden die Zellen ausgestanzt, auf einer Kupferplatte positioniert und mit dünnen Drähten kontaktiert. Der Wirkungsgrad der Zellen beträgt 38 Prozent – was belegt, wie schnell die Entwicklungen aus dem Labor industriell umgesetzt werden. Ein Bestückungsautomat setzt dann 200 Solarzellen auf eine Glasbodenplatte, und ein Roboter fügt eine weitere Glasplatte mit den Konzentrator-Linsen hinzu.

Der technische Fortschritt ließ sich bei Soitec Solar eindrucksvoll verfolgen: Im Sommer startete die Fertigung der jüngsten Generation von Solarmodulen – der fünften in sieben Jahren. „Mit jeder neuen Generation sanken die Kosten der Module um 20 bis 30 Prozent”, sagt Lerchenmüller. 2014 soll ein neues Verfahren zum Herstellen und Verbinden von extrem dünnen Halbleiter-Schichten eingeführt werden. Es soll den Wirkungsgrad weiter verbessern und die Fertigungskosten kräftig drücken.

Daneben baut man bei Soitec Solar weiter auf die Expertise der Forscher am nahe gelegenen Fraunhofer-Institut. Diese haben eine Art optischen Trichter entwickelt, der über die winzigen Zellen gestülpt wird, um auch Licht einzufangen, das nicht exakt auf die Solarzellen fokussiert wurde – etwa Streulicht, das direkt um die Sonnenscheibe herum entsteht, zum Beispiel bei Schleierwolken. Das führt zu einem höheren Wirkungsgrad der Module – genau wie Stapelzellen mit vier statt drei Einzelzellen, an denen die Forscher von ISE und Soitec Solar gemeinsam feilen. 50 Prozent Effizienz für die Zellen und 40 Prozent für die Module will Lerchenmüller in wenigen Jahren erreichen.

Neuer Solarboom in Sicht

Andreas Bett sieht einen neuen Solarboom anbrechen. Die – entscheidenden – Kosten für die Stromerzeugung in CPV-Kraftwerken liegen derzeit bei 10 Cent pro Kilowattstunde. Und: Solarstrom à la CPV ist schon jetzt billiger als der Strom, den kristalline Silizium-Module oder solarthermische Kraftwerke liefern. Soitec-Solar-Geschäftsführer Hansjörg Lerchenmüller ist sogar überzeugt, dass sich die Kosten in den nächsten Jahren auf 7 bis 8 Cent senken lassen.

Dazu kommen weitere Vorteile: So benötigen CPV-Anlagen wenig Fläche – und die Wiesen oder Äcker darunter lassen sich landwirtschaftlich nutzen. Die energetische Rücklaufzeit – die Betriebsdauer, nach der die zur Herstellung aufgewandte Energie durch den gewonnenen Strom wieder hereingeholt ist – liegt bei CPV-Anlagen an guten Standorten nur bei etwa einem halben Jahr. „ Durch ihren modularen Aufbau lassen sich CPV-Kraftwerke in fast allen Größen realisieren”, sagt Lerchenmüller. Deshalb ist es kein Problem, die Anlagen in ein bestehendes Stromnetz einzubinden. Das alles macht die Nutzung der Konzentrator-Photovoltaik attraktiv, um den Strombedarf in den Sonnengürteln der Erde sauber und klimaschonend zu stillen. „Das Potenzial der Technologie ist gewaltig”, sagt ISE-Forscher Andreas Bett. Ende 2011 waren weltweit nur etwa 60 Megawatt Leistung in CPV-Anlagen installiert – in anderen Photovoltaik-Anlagen dagegen über 40 000 Megawatt. Doch in den nächsten Jahren wird der Markt kräftig wachsen, sind US-Marktforscher von GTM Research überzeugt.

Von diesem Kuchen will Soitec Solar ein großes Stück abhaben. „ Wir sind weltweit der Hersteller mit der größten Produkt-Pipeline” , sagt Firmenchef Lerchenmüller. Starke Wettbewerber gibt es vor allem in den USA: etwa die Firmen Semprius und Amonix, das im Mai in einer neuen Fabrik in Las Vegas die Produktion von CPV-Modulen startete.

Auch die Freiburger Solarpioniere erhöhen die Fertigungskapazität. Unter anderem aus Südafrika und Marokko liegen Bestellungen für Anlagen vor. Noch 2012 will Hansjörg Lerchenmüller in San Diego den Betrieb einer neuen Solarfabrik starten. Dort sollen Systeme für Kraftwerke in Kalifornien produziert werden – mit einer Jahreskapazität von 280 Megawatt. Das Energieministerium der USA unterstützt den Bau der Solarfabrik in San Diego im Rahmen einer Initiative zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der Photovoltaik mit einem Zuschuss von 25 Millionen Dollar.

Die Sorge, dass sein Unternehmen bei einem Boom der Konzentrator-Photovoltaik genauso unter die Räder kommen könnte wie in den letzten Monaten etliche deutsche Hersteller konventioneller Module, hat Lerchenmüller nicht: „Die Unternehmen hatten es versäumt, ihre früheren Gewinne in Ausbau und Modernisierung ihrer Produktionsstätten zu investieren”, sagt er. Anders in China: „Dort wuchs eine übermächtige Konkurrenz durch Hersteller, die ihre Produkte in riesigen modernen Fabriken deutlich günstiger fertigen können.” Diesen Fehler will Lerchenmüller nicht machen, sondern bei Technik und Fertigung führend bleiben. Wenn das gelingt, könnte die deutsche Solarbranche eine zweite Chance bekommen. ■

Ralf Butscher, bdw-Redakteur für Technik, würde gern im sonnigen Kalifornien leben – nicht nur wegen des günstigen Solarstroms.

von Ralf Butscher

Dreifacher Lichtfänger

Das Sonnenlicht ist ein Gemisch aus sämtlichen Spektralfarben und enthält außerdem Anteile von ultravioletter und infraroter Strahlung. Mit einer einfachen Solarzelle aus Silizium lässt sich prinzipiell nur ein begrenzter Teil dieser Licht-Mixtur energetisch nutzen. Der Rest geht als Wärme verloren. Bei einer Dreifach-Solarzelle dagegen knöpfen sich drei miteinander kombinierte Zellen, die aus verschiedenen Materialien bestehen, unterschiedliche Anteile des solaren Spektrums vor. Dadurch lässt sich deutlich mehr Strom aus dem Sonnenlicht herausholen, und der Wirkungsgrad steigt.

Kompakt

· Durch trickreiches Stapeln mehrerer Solarzellen lässt sich das Spektrum des Sonnenlichts besser ausnutzen.

· Die Kombination mit Linsen, die das Sonnenlicht stark konzentrieren, macht die Technologie erschwinglich.

· Deutsche Forscher und Unternehmen haben weltweit die Nase vorn.

Mehr zum Thema

Internet

Forschung zu PV-Konzentrator-Systemen am Fraunhofer ISE in Freiburg: www.ise.fraunhofer.de/de/ geschaeftsfelder-und-marktbereiche/ alternative-photovoltaik-technologien/ pv-konzentratorsysteme

Technologie und Produkte von Soitec Solar: www.soitec.com/en/solar-energy

Informationen zum Deutschen Zukunftspreis (Nominierung eines Teams zur CPV-Technologie 2011): www.deutscher- zukunftspreis.de/content/team-3–12

Andreas Bett

Eigentlich wollte er Lehrer werden und absolvierte daher an der Universität Freiburg das erste Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien in Physik und Mathematik. Daneben machte Andreas Bett (Jahrgang 1962) das Physik-Diplom, und er studierte einige Semester Sportwissenschaft. Bei seiner Diplomarbeit am ISE fand er ein Thema, das ihn fesselte und seinen Lebensplan neu orientierte: die Forschung an Solarzellen – mit dem Ziel, den Weg für eine Energieversorgung durch erneuerbare Energien zu ebnen. Schon früh hatten Andreas Bett (geboren in Furtwangen im Schwarzwald) diverse Reisen gelehrt, welche Vielfalt und Schönheit Erde und Natur besitzen – und wie wichtig es ist, diese zu bewahren. Bett beschäftigte sich am Freiburger Fraunhofer-Institut mit Schichtstrukturen für Solarzellen aus Materialien wie Gallium und Arsen, denen er treu geblieben ist. Heute leitet er ein Team, das sich die Entwicklung von Mehrfach-Solarzellen auf Basis von Galliumarsenid auf die Fahnen geschrieben hat. Die Zellen erreichen höchste Wirkungsgrade und sind das Herzstück von Konzentrator-Photovoltaik-Systemen, für die Andreas Bett einer der weltweit führenden Experten ist. In den letzten zehn Jahren brachte er die Forschung an dieser Solartechnologie weit voran – und schaffte es, sie für eine klimaschonende Stromerzeugung wettbewerbsfähig zu machen. Dafür erhielt Bett diverse Preise: etwa den Europäischen Becquerel-Preis und den Joseph-von-Fraunhofer-Preis. 2011 wurde er zusammen mit Soitec-Solar-Chef Hansjörg Lerchenmüller sowie Klaus-Dieter Rasch von Azur Space Solar Power für den Deutschen Zukunftspreis nominiert.

Hansjörg Lerchenmüller

Als er vor fast zehn Jahren mit CPV in Kontakt kam, war Hansjörg Lerchenmüller (Jahrgang 1967) sofort gefesselt von der Konzentrator-Photovoltaik. Der aus dem oberschwäbischen Biberach stammende Physiker und Marketing-Fachmann war am Fraunhofer ISE für Wirtschaftlichkeits-, Markt- und Technologieanalysen verantwortlich. Seine Aufgabe war, ab-zuschätzen, wie aussichtsreich Projekte waren, an denen seine Kollegen forschten. Für hochkonzentrierende Photovoltaik-Systeme sah er glänzende Zukunftsperspektiven, denn die Vorteile gegenüber anderen Solartechnologien wirkten bestechend. So brauchte es nur ein kurzes Gespräch mit seiner Frau, bevor Lerchenmüller „ja” sagte, als das ISE 2005 die Firma Concentrix ausgründete, um die CPV-Technologie in marktreife Produkte zu überführen – und Hansjörg Lerchenmüller den Posten des Geschäftsführers anbot. Diese Position füllt der dynamische Forscher und Unternehmer auch nach der Übernahme der Firma durch den französischen Soitec-Konzern 2009 mit Begeisterung aus – zumal er nun die Früchte seiner jahrelangen Arbeit ernten kann: So war er 2011 gemeinsam mit ISE-Forscher Andreas Bett und Klaus-Dieter Rasch, Geschäftsführer der Heilbronner Firma Azur Space Solar Power, für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. Und die Nachfrage nach den Produkten des Freiburger Solarunternehmens wächst rasch.

Konzentriert und effizient

Bei der Konzentrator-Photovoltaik bündelt eine sogenannte Fresnellinse das Sonnenlicht und konzentriert es bis zum 1000-Fachen auf eine Mehrfach-Solarzelle. Künftig soll eine trichterförmige Sekundäroptik dafür sorgen, dass auch Streulicht aus der direkten Umgebung der Sonnenscheibe eingefangen wird. Die Solarzelle ist auf einer Kupferplatte angebracht, die Verlustwärme rasch abfließen lässt. Die Wärmeverluste sind allerdings relativ gering, da die Mehrfach-Solarzelle das Licht sehr effizient nutzt (rechts): Drei einzelne Teilzellen gewinnen Energie aus unterschiedlichen Bereichen des Sonnenspektrums, um daraus elektrischen Strom zu erzeugen.

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