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Abrüstung ohne Schummeln

Technik|Digitales

Abrüstung ohne Schummeln
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Nuklearraketen (thinkstock)
Wenn es um die atomare Abrüstung geht, stehen die offiziellen Inspektoren vor einem Dilemma: Sie sollen sicherstellen, dass die zu vernichtenden Gefechtsköpfe auch wirklich verschrottet werden, dürfen aber andererseits diese Objekte nicht genau überprüfen, denn dann würden sie hochsensible technische Daten über die Nukleartechnik des jeweiligen Staates erhalten. US-Forscher haben für dieses Problem nun eine Lösung gefunden: Ein technisches Durchleuchtungssystem, das zwar registriert, ob es sich um einen echten Nuklearsprengkopf handelt, aber nicht, wie er aufgebaut ist. Die Idee für dieses System stammt aus der Computertechnik und Cryptografie.

Der aktuelle Abrüstungsvertrag zwischen Russland und den USA hat das Ziel, die Anzahl der Nuklearwaffen in beiden Ländern zu reduzieren. Dafür allerdings muss überwacht werden, ob die überzähligen Nuklearsprengköpfe auch wirklich vernichtet werden. Bisher konzentrieren sich die Inspektoren dabei vor allem auf Langstreckenraketen. Mehr als zu zählen, wie viele sprengkopfähnliche Objekte in den Nasen dieser Waffen sitzen, können die Inspektoren nicht tun. Problematisch wird es aber, wenn es darum geht, nicht eingebaute nukleare Sprengköpfe zu erfassen und ihre Vernichtung zu überwachen, wie es für künftige Verträge geplant ist. „Das Design dieser Nuklearwaffen ist eine hochgeheime Information, die niemand den internationalen Inspektoren enthüllen möchte“, erklären Alexander Glaser von der Princeton University in New Jersey und seine Kollegen. Theoretisch könnten Staaten den Inspektoren einfach Attrappen präsentieren und diese zerstören – die echten Sprengköpfe könnten sie hingegen heimlich einlagern.

Bisher gibt es für dieses Dilemma nur eine eher unzureichende Lösung: Die Sprengköpfe werden mittels Röntgen- oder Neutronenstrahlen durchleuchtet, die sensiblen Daten zum Bauplan werden erst durch eine nachgeschaltete Informationsbarriere wieder entfernt. Die Inspektoren erfahren so nur, ob es ein echter Sprengkopf ist oder nicht – zumindest theoretisch. Praktisch aber ist dieses System anfällig für Manipulationen: „Beide Parteien müssen sich darauf verlassen, dass der jeweils andere keine Hintertüren eingebaut hat“, erklären die Forscher. Doch genau das sei durchaus machbar. Glaser und seine Kollegen suchten daher nach einer Möglichkeit, Sprengköpfe zu identifizieren, bei der die sensiblen Daten gar nicht erst ausgelesen werden.

Abhilfe durch Zero-Knowledge-Prinzip

Fündig wurden die Forscher bei einer Prüfmethode der Kryptografie, dem sogenannten Zero-Knowledge-Beweis. Dieses Verfahren wird beispielsweise genutzt, um Online-Auktionen und elektronische Wahlen zu überprüfen, ohne Daten preiszugeben. Vergleichbar ist das Prinzip mit dem Versuch, zwei Eimer mit einer unbekannten Zahl von Murmeln zu vergleichen, ohne dass die Murmeln gezählt werden – entscheidend ist nur, ob beide Mengen übereinstimmen. Im Falle der nuklearen Sprengköpfe funktioniert das System so: Ähnlich wie bei der herkömmlichen Überprüfung werden die Waffen mit Neutronenstrahlen durchleuchtet. Als Detektor dient dabei eine Anordnung aus 367 jeweils zwei Quadratzentimeter großen Basenkammern. Diese registrieren auftreffende Neutronen, liefern aber ein extrem verrauschtes Bild, in dem Details nicht zu erkennen sind. „Die im Detektor enthaltenen Informationen sind daher nicht geheim“, so die Forscher. Dies reicht aber aus, um das entstehende Neutronenmuster mit einem Negativbild eines vergleichbaren Sprengkopfs zu vergleichen, der zuvor auf gleiche Weise aufgenommen wurde, erklären sie.

Stimmen Neutronen-Muster von Negativ und aktuelle Messung überein, löschen sich die Ergebnisse direkt bei der Messung aus. Dadurch wird selbst im Gerät kein Klarbild des Sprengkopfs oder seiner Zusammensetzung aufgezeichnet. Die für den Inspektor sichtbaren Daten zeigen nur, ob es eine Übereinstimmung gibt oder nicht. Liegt beispielsweise statt eines mit radioaktivem Material gefüllten Sprengkopfs eine Attrappe vor, dann löschen sich die Neutronenwerte nicht überall im Muster gegenseitig aus. Zu sehen ist dann ein Neutronenüberschuss – aber keine Details. „Dieser Zero-Knowledge-Ansatz könnte eine Haupthürde beim Abbau der Nukleararsenale aus dem Weg räumen“, konstatieren Glaser und seine Kollegen.

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Allerdings räumen die Forscher auch ein, dass bis zur Entwicklung eines praktikablen Inspektionssystems noch einiges zu tun gibt. Ein Knackpunkt ist dabei die Erstellung des Negativbilds, wie sie erklären. Denn theoretisch könnte der Überprüfte hier schon eine Attrappe einschleusen. Um das zu verhindern, könnte entweder unter Aufsicht der Inspektoren ein Sprengkopf direkt aus einer bereits fertigen Rakete entnommen werden oder aber es werden mehre Sprengköpfe gleichzeitig gemessen und dann deren Durchschnittswerte als Negativbild genommen. Entsprechende Ablaufprotokolle müssten dann ausgehandelt werden. John Finney vom University College London in der gleichen „Nature“-Ausgabe ist dennoch optimistisch: „Wenn diese Lücken geschlossen werden, dann könnte diese brillante Idee die Probleme lösen helfen, die uns bevorstehen, wenn wir unsere Atomwaffen loswerden wollen.“

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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