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Auszeichnung für die asymmetrische Organokatalyse

Chemie-Nobelpreis

Auszeichnung für die asymmetrische Organokatalyse
Katalysatoren
Organische Katalysatoren (Bild: Johan Jarnestad/The Royal Swedish Academy of Sciences)

Den diesjährigen Chemie-Nobelpreis erhalten zwei Forscher, die unabhängig voneinander eine Gruppe ganz neuer Werkzeuge für die maßgeschneiderte Herstellung organischer Moleküle entdeckt haben. Die von ihnen identifizierten Katalysatoren ermöglichen zudem die gezielte Produktion nur einer der beiden asymmetrischen Molekülvarianten. Benjamin List vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim fand heraus, dass sich einzelne Aminosäuren wie Prolin als Katalysatoren für die Produktion solcher Moleküle eignen. David MacMillan von der Princeton University identifizierte weitere Katalysatoren auf Basis der sogenannten Iminium-Ionen. Die von beiden Forschern entwickelte asymmetrische Organokatalyse eröffnet seither völlig neue Möglichkeiten, maßgeschneiderte organische Moleküle für den Einsatz in der Chemie, der Arzneimittelproduktion und in anderen Bereichen herzustellen.

Ohne die Katalyse würden viele chemische Reaktionen nicht stattfinden und ein Großteil unseres eigenen Stoffwechsels wäre nicht möglich. Denn um chemische Bindungen aufzubrechen und neu zu knüpfen, muss oft eine Energiebarriere überwunden werden. Ein Katalysator bewerkstelligt dies, indem er vorübergehend an der Reaktion teilnimmt und beispielsweise Elektronen von einem Molekül zum anderen transferiert. Bevor die beiden Preisträger im Jahr 2000 ihre bahnbrechenden Erkenntnisse publizierten, kannte man nur zwei Arten solcher Katalysatoren. In der Natur und auch im menschlichen Körper dienen Enzyme als katalytische Reaktionshelfer. Oft sind ganze Serien solcher Proteine hintereinander geschaltet, um die komplexen biochemischen Reaktionen in Gang zu halten. Sich diese Enzyme aber im Labor für die Katalyse zu Nutze zu machen, ist kompliziert und nicht immer möglich.

Die zweite Art von Katalysatoren sind anorganische Metallverbindungen, wie sie beispielsweise in der Abgasreinigung von Fahrzeugen zum Einsatz kommen. Sie sind allerdings meist wenig umweltfreundlich und viele von ihnen arbeiten nur unter Sauerstoffabschluss und in trockener Umgebung effektiv. Hinzu kommt, dass diese anorganischen Katalysatoren meist Molekülmischungen, sogenannte Razemate, erzeugen: Bei chiralen Molekülen, die asymmetrisch geformt sind und in zwei Konfigurationen oder „Händigkeiten“ vorkommen, entstehen durch diese Katalysatoren meist beide Formen zu nahezu gleichen Anteilen. Das Problem jedoch: Gerade in der Biochemie und Medizin spielt die Chiralität eine entscheidende Rolle für die Eigenschaften, die Wirkung und das Verhalten des Moleküls. Eine Variante kann eine effektive Medizin sein, die andere dagegen wirkungslos. An diesem Punkt setzen nun die Arbeiten der beiden Preisträger an.

List: Eine Aminosäure als Katalysator

Benjamin Lists ging bei seiner Forschung von Enzymen aus – komplexen Proteinen aus hunderten Aminosäuren. Er stellte sich die Frage, ob für die Katalyse-Funktion eines Enzyms immer die Gesamtheit aller Aminosäuren und ihrer Konfiguration nötig war: Könnte es ein, dass für manche Katalyse-Reaktionen nur eine oder wenige Aminosäuren ausreichten? Um eine Antwort zu finden, experimentierte List mit der Aminosäure Prolin, von der man schon wusste, dass sie bei bestimmten chemischen Reaktionen eine katalytische Wirkung entfalten kann. In seinen Versuchen testete der Forscher, ob Prolin die sogenannte Aldol-Reaktion katalysieren kann. Bei dieser Reaktion reagieren Aceton und aromatische Aldehyde miteinander und bilden neue Kohlenstoff-Kohlenstoffbindungen.

Es gelang: Wie List herausfand, bildet das Zusammenspiel des im Prolin enthaltenen Stickstoffatoms mit einem Proton der Reaktionspartner ein Zwischenprodukt, das die Bildung der neuen Verbindung stabilisiert und begünstigt. Und nicht nur das: Anders als bei Metallkatalysatoren entstand dabei bevorzugt eine der beiden asymmetrischen Molekülformen. Im Februar 200 veröffentlichte List seine Ergebnisse und beschrieb das Konzept als ganz neue Form der asymmetrischen Katalyse mit organischen Molekülen.

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MacMillan: Iminium-Ion gesucht

Etwa um die gleiche Zeit arbeitete David MacMillan an der University of California in Berkeley an einem ganz ähnlichen Katalyseprinzip. Er suchte nach einfachen organischen Molekülen, die ein bestimmtes Ion, das sogenannte Iminium-Ion, bilden konnten. Bei dieser geladenen Molekülform ist ein Stickstoffatom im Kohlenwasserstoffgerüst so eingebunden, dass es ein Elektron aufnehmen kann. Dadurch kann es in chemischen Reaktionen als Katalysator dienen. Nach Experimenten mit verschiedenen Molekülen fand MacMillan die Konfiguration, die das gesuchte Iminium-Ion effektiv und zuverlässig bildete. Am Beispiel der Diels-Alder-Reaktion, durch die ringförmige Kohlenwasserstoff-Verbindungen aufgebaut werden, demonstrierte der Forscher nicht nur, dass seine organischen Katalysatoren funktionierten, sie erzeugten ebenfalls bevorzugt eine der beiden asymmetrischen Molekülformen. Auch seine Ergebnisse wurden im Jahr 2000 veröffentlicht, MacMillan prägte dafür den Begriff Organokatalyse.

„Dieses Konzept der Katalyse ist ebenso einfach wie genial“, sagt Johan Åqvist, Vorsitzender des Nobelpreiskomitees für Chemie. Die Arbeiten von List und MacMillan bildeten den Startpunkt für ein ganz neues Gebiet der Katalyse und schufen damit neue Möglichkeiten, asymmetrische Moleküle einfach und in der gewünschten Konfiguration herzustellen. Neben Rohstoffen für Arzneimittel und chemische Produkte gehören dazu beispielsweise auch neue Materialien für organische Solarzellen. Weil die organischen Katalysatoren zudem anders als viele Metallkatalysatoren ungiftig und umweltverträglich sind, tragen sie auch dazu bei, die Chemie ein wenig grüner zu machen.

Quelle: Nobelprize.org

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