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Bakterien gegen Blüten

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Bakterien gegen Blüten
Immer mehr falsche Euroscheine sind im Umlauf. Bald sollen neue Farbstoffe und Chips das Geld besser vor Fälschungen schützen.

311 000 Euro-Blüten wurden nach Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) im ersten Halbjahr 2004 europaweit aus dem Verkehr gezogen – Tendenz: steigend! Zwar besitzen die Banknoten mit Wasserzeichen, fluoreszierenden Fasern, Hologrammen, Perlglanzstreifen und Spezialfäden eine ganze Reihe von Sicherheitsmerkmalen, doch dank hochwertiger Farbkopierer, Scanner und Drucker gelingt es vielen Fälschern, Blüten herzustellen, die den originalen Geldscheinen auf den ersten Blick zum Verwechseln ähneln.

Deshalb soll den Betrügern jetzt mit noch ausgefeilteren Sicherheitsmerkmalen das Handwerk gelegt werden. Eine Möglichkeit bieten Halobakterien, die in vielen heißen Salzseen leben und das Farbstoff-Protein Bakteriorhodopsin produzieren. Wird ein mit diesem Eiweiß bedruckter Geldschein beim Kopieren oder Scannen mit hellem Licht bestrahlt, wechselt der Bio-Farbstoff blitzschnell seine Farbe von lila zu einem blassen Gelb. Danach nimmt das Biomolekül, das durch Jahrmillionen der Evolution optimiert wurde, sofort wieder seine Ausgangsfarbe an. Die Folge: Die Kopie zeigt eine andere Farbe als das Original, unterscheidet sich also gravierend davon und ist ohne Hilfsmittel leicht als Fälschung zu erkennen.

Dass sich dieser Trick bei Geldscheinen anwenden lässt, dafür hat ein Forscher-Team um Prof. Norbert Hampp an der Universität Marburg gesorgt. Vor einem Jahr kostete ein Kilogramm Bakteriorhodopsin noch 50 000 Euro – zu viel für den Einsatz auf Banknoten, deren Herstellungskosten bei wenigen Cent liegen. Inzwischen konnten die Produktionskosten des Proteins aber deutlich gesenkt werden, weil man zu gentechnisch veränderten Mikroorganismen griff. Ob und ab wann der „intelligente“ Biofarbstoff die Euroscheine sicherer machen wird, ist aber noch offen – immerhin müssten 8,2 Milliarden Banknoten ausgetauscht werden. Im Moment sieht die Europäische Zentralbank dafür keinen Bedarf.

Eine andere Überlegung, wie man sich besser gegen Fälscher wappnen könnte, ist, einen Mikrochip in die Euronoten zu integrieren. Der sandkornkleine „Mu-Chip“ – der zurzeit kleinste drahtlos lesbare Transponder – ist in Papier mit bloßem Auge nicht zu erkennen, wegen seines geringen Gewichts auch nicht zu fühlen und macht Banknoten fälschungssicher, davon ist Hitachi-Sprecher Keisaku Shibatani überzeugt. Der Chip speichert eine 38-stellige Nummer, die nicht mehr überschrieben werden kann – sie bietet genug Platz für Seriennummer und codierte Ursprungsmerkmale einer Geldnote. Liest ein spezieller Computerscanner die Nummer, kann die Herkunft des Chips und damit die Echtheit des Scheins zweifelsfrei bestimmt werden. Da die Fertigungstechnologie für die Mikrochips teuer und kompliziert ist, sind die Hüter des Geldes bei der EZB in Frankfurt am Main überzeugt, dass es Geldfälschern nicht so schnell gelingen wird, selbst Mu-Chips mit 0,18-Mikrometer feinen Strukturen herzustellen.

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Ein weiteres Plus: Während die aufgedruckten oder aufgeprägten Sicherheitsmerkmale eines Geldscheins nach knapp eineinhalb Jahren im Einsatz teilweise abgenutzt sind, wäre der winzige Chip nicht von Verschleiß bedroht. In diesem Punkt ist die Chip-Technologie mit dem Einsatz von Bakteriorhodopsin vergleichbar: Diese Proteine verschleißen auf den Banknoten ebenfalls fast nicht. Aber es gibt auch einen entscheidenden Nachteil: Der Chip-Preis von derzeit sieben Cent pro Stück würde die Kosten der Geldherstellung mehr als verdoppeln.

Voraussetzung für einen wirksamen Kampf gegen Geldfälscher wäre, dass an Geschäftskassen flächendeckend entsprechende Scanner stünden. Dem normalen Bürger nutzt der Chip im Schein auf jeden Fall wenig, so lange er die Echtheit – etwa per umprogrammiertem Bluetooth-Handy – nicht selbst prüfen kann. Die Banken würden freilich von den mitteilungsfreudigen Banknoten profitieren: Geldscheinbündel müssten nicht mehr aufgepackt, in Zählautomaten gesteckt und dann wieder eingepackt werden, sondern würden samt Banderole an Lesegeräten vorbeigeführt, denen jeder Chip seinen Wert auf Anfrage mitteilt. ■

Edgar Lange

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