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Das Büro der Zukunft

Technik|Digitales

Das Büro der Zukunft
Die Schreibstube der Zukunft wird ganz anders aussehen. Arbeitslandschaften, die sich amöbengleich verändern, sollen die normierten Büros von heute ablösen. Berührungsempfindliche Bildschirmtapeten oder sensorengespickte Räume zeigen, worauf sich kreative Köpfe freuen können.

Mit einer ausladenden Geste streicht Teamleiter Torsten Holmer über die grünschimmernde Wand. Wie durch Zauberei erscheint an dieser Stelle ein Rahmen, fast einen Quadratmeter groß. Die Hand seines Kollegen Jörg Geißler huscht über die Fläche, wie ein Schatten folgen Schriftzeichen seinen Bewegungen. Kollegin Petra Rexroth hat eine bessere Idee: In ihrem bequemen Sessel schreibt sie auf einen Flachbildschirm ein paar Notizen, die sie neben die Ausführungen von Jörg Geißler auf die Wand dirigiert.

Arbeiten wir so in zehn Jahren? Ja, sagt Dr. Dr. Norbert Streitz vom Institut für Integrierte Publikations- und Informationssysteme (IPSI) des Forschungszentrums Informationstechnik (GMD) in Darmstadt. Der Physiker und Psychologe ist Vater des Informationsland-Projekts, kurz i-Land. Dieses soll nicht nur zeigen, wie wir in Zukunft arbeiten, sondern vor allem, wie wir zusammenarbeiten: „Kooperatives Arbeiten in kreativen Teams“ ist das Ziel des Darmstädter Forscherteams, das aus Informatikern, Elektrotechnikern, Produkt- und Grafikdesignern, Soziologen und Psychologen bunt gemixt ist.

Die Spielszene, bei der Streitz und seine Mitarbeiter verblüfften Besuchern die Gestaltung eines fiktiven Freizeitparks demonstrieren, ist eine Demo und noch an einen vorgefertigten Ablauf gebunden. Doch noch in diesem Jahr sollen alle Komponenten des i-Land-Prototyps frei bedienbar sein. Dazu gehört zum Beispiel DynaWall, eine Kreuzung aus Tapete, Schreibtafel und Bildschirm. Sie ist 4,5 Meter breit und 1,1 Meter hoch und gibt ein grünlich schimmerndes Bild von 3000 mal 1000 Pixeln wieder, das auf der Rückseite von drei Videoprojektoren erzeugt wird. Die Vorderseite ist berüh-rungsempfindlich: Ein Fingerdruck – und Fenster öffnen und verschieben sich, wie von Geisterhand erscheinen Buchstaben oder Bilder auf der Riesenleinwand. Nur wenn die Präsentation zu Ende ist, offenbart die DynaWall, welches Herz in ihr schlägt: Dann erscheint die Oberfläche des wohlbekannten PC-Betriebssystems Windows.

Was die i-Land-Programmierer über Windows gestülpt haben, hat mit dem Massenprodukt von Microsoft nur noch wenig gemeinsam: Die Gestaltung der Programmfenster mit ihrem ungewöhnlichen transparenten Hintergrund, der auch darunterliegende Informationen durchscheinen läßt, ist völlig neu. Selbst Laien kapieren sofort, wie man Fenster öffnet und bewegt, weil sie die Objekte mit den Händen im Sinne des Wortes „begreifen“ können.

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„Nach Hardware und Software kommt jetzt die Roomware“, prophezeit Streitz. Darunter versteht er die Fähigkeit eines Büros, aufmerksam, aktiv und anpassungsfähig zu sein. In diesen im Forscherjargon „A3-Umgebungen“ genannten Räumen sind die Möglichkeiten der Telekommunikation oder EDV nicht an einzelne Geräte gebunden, sondern im ganzen Raum auf Schritt und Tritt verfügbar.

Ergebnis dieser Gedanken ist das Passage-Konzept: Anstatt in den Ordnern des Computers nach der Studie über das Umweltkonzept eines Golfplatzes zu suchen, könnte der Mitarbeiter diese Datei mit einem realen Gegenstand, zum Beispiel einem Golfball, koppeln. Eine Armbanduhr würde aus dem Speicher vielleicht die Agenda der morgigen Besprechung abrufen.

Ob das auf den ersten Blick umständliche Passage-Konzept wirklich hält, was es verspricht, wird sich zeigen – vor allem wenn Computer beliebige Gegenstände endlich besser identifizieren können. Vielleicht stellt sich auch heraus, daß der Mensch in der heutigen Zeit so vom Computer „versaut“ wurde, daß der Knoten im Taschentuch als unlogisch abgelehnt wird.

Wer i-Land selbst einmal ausprobieren möchte, kann am 30. Oktober das Institut besuchen, wenn die IPSI-Forscher die funktionsfähigen Komponenten der Roomware an einem Tag der offenen Tür demonstrieren.

Massenhafte Verbreitung werden die i-Land-Komponenten zunächst nicht finden, das verhindern die gesalzenen Preise der als Einzelstücke gefertigten Möbel: Ein DynaWall-Segment kostet 50000 Mark – in Darmstadt sind drei aneinander gebaut. Ein CommChair schlägt mit 15000 Mark zu Buche, der InteracTable mit 40000 Mark. Norbert Streitz ist aber bereits mit Büromöbelherstellern im Gespräch, die Kleinserien der i-Land-Komponenten zu deutlich niedrigeren Preisen auflegen wollen.

Bern Müller
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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