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Deutschland sucht den Antriebs-Star

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Deutschland sucht den Antriebs-Star
Erdgas, Hybridantrieb und Biokraftstoffe – Alternativen zu herkömmlichen Otto- und Dieselmotoren gibt es viele. Doch auch in der konventionellen Technologie steckt noch reichlich Potenzial, um Sprit zu sparen.

Es braut sich etwas zusammen. Biertrinker müssen vermutlich bald deutlich mehr für den Gerstensaft bezahlen. Schuld daran ist der Klimaschutz. Weil beim Verbrennen von Benzin und Diesel in Automotoren große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) entstehen, wollen Bundesregierung und EU-Kommission einen Teil des Sprits aus fossilen Quellen durch weniger klimaschädliche Kraftstoffe ersetzen. Alternativen sind zurzeit vor allem Rapsmethylester (RME, kurz Biodiesel) und Bioethanol, die man in Deutschland aus Nutzpflanzen wie Raps, Mais und Weizen gewinnt.

Seit diesem Jahr muss jedem Liter Treibstoff ein Mindestanteil an Biosprit beigemischt sein: Bei Benzin beträgt er 1,2 Prozent, bei Diesel sogar 4,4 Prozent. Bis 2010 soll der Anteil des Biosprits am Kraftstoffverbrauch in den Ländern der EU auf 5,75 Prozent steigen, zehn Jahre später soll er gar 20 Prozent erreichen.

Auch als Lieferanten für Wärme und elektrische Energie sind Pflanzen immer mehr gefragt – etwa in Biomasse-Kraftwerken. Die Folge: Immer mehr Landwirte steigen vom Anbau der Pflanzen für Nahrungsmittel um auf die finanziell lukrativere Produktion von nachwachsenden Energieträgern. Auf rund zwei Millionen Hektar Ackerland gedeihen derzeit in Deutschland Raps, Mais oder Weizen zur Biosprit- oder Energiegewinnung – das sind rund 13 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Anbaufläche. Tendenz: steigend. Dagegen hat sich das mit Braugerste bepflanzte Areal in den letzten 15 Jahren halbiert. Das treibt die Preise für den alkoholträchtigen Rohstoff in die Höhe.

Auch andere Nahrungsmittel werden teurer. So steigt weltweit der Maispreis, weil in den USA riesige Mengen des Getreides zu Ethanol verarbeitet werden. Das löste Anfang 2007 Massenproteste in Mexiko aus, wo die Menschen immer mehr Geld für ihr Grundnahrungsmittel, die aus Mais hergestellten Tortillas, ausgeben müssen. „Wenn verstärkt landwirtschaftliche Rohstoffe nicht in die Nahrungsmittel-, sondern in die Energieherstellung geschleust werden, treibt das die Preise”, sagte Stefan Tangermann, Direktor für Handel und Landwirtschaft bei der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) in Paris, in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit”. Sein Resümee: „Mehr Mais im Tank bedeutet mehr Hungernde in den Entwicklungsländern.”

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Dennoch ist ein sparsamerer Umgang mit den fossilen Treibstoffen Benzin und Diesel geboten. Der Anstieg der globalen Temperaturen durch den Treibhauseffekt und das absehbare allmähliche Schwinden der Erdöl-Vorräte in den nächsten 50 Jahren drängen zur Entwicklung von Alternativen. Kohlendioxid gilt als Hauptverursacher des menschlichen Beitrags zum Treibhauseffekt. In Deutschland etwa gehen rund 20 Prozent des CO2-Ausstoßes auf den Verkehr zurück. „Eine CO2-arme oder gar CO2-neutrale Mobilität lässt sich langfristig nur mit einer Umstellung auf andere als die konventionellen fossilen Kraftstoffe verwirklichen” , ist Reinhard Grünwald vom Büro für Technikfolgenabschätzung am Deutschen Bundestag (TAB) überzeugt.

Doch Biodiesel und Bioethanol, die von Experten als Biokraftstoffe der ersten Generation bezeichnet werden, bieten für den Klimaschutz nur einen begrenzten Nutzen. Zwar setzen sie bei der Verbrennung nur so viel Kohlendioxid frei, wie die Pflanzen beim Wachstum aufgenommen haben. Doch der Energieaufwand, der etwa zum Düngen beim Anbau und während der Verarbeitung zu Biosprit nötig ist, lässt viel zusätzliches CO2 entstehen. OECD-Experte Stefan Tangermann rät daher, die Entwicklung von Technologien für die Produktion von Biokraftstoffen der zweiten Generation voranzutreiben.

Darunter verstehen Fachleute Biosprit, für dessen Gewinnung man alle Pflanzenbestandteile nutzen kann – anders als etwa bei Biodiesel, in den nur die Samen des Rapses einfließen. Vor allem aber lassen sich auch land- und forstwirtschaftliche Reststoffe verwerten, die ohnehin anfallen und nicht als Nahrungsmittel nutzbar sind – zum Beispiel Holz- und Strohreste.

Für die Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation wird zunächst ein Synthesegas aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff generiert, das sich mit etablierten Prozessen in synthetisches Benzin oder Diesel verwandeln lässt. Der Vorteil des Verfahrens namens Biomass-to-Liquid (BTL): Der Biosprit lässt sich für die Anforderungen der Motoren maßschneidern – also auf hohe Effizienz bei der Verbrennung und geringen Verbrauch trimmen.

Deutsche Unternehmen sind bei der Entwicklung von BTL ganz vorn mit dabei. So baut die Firma Choren derzeit im sächsischen Freiberg die erste kommerzielle Anlage für die Herstellung von sogenanntem SunDiesel mit einer selbstkonzipierten Technologie. Damit lassen sich zum Beispiel Holz und Pflanzenwurzeln zu Diesel verarbeiten, der dem herkömmlichen fossilen Treibstoff qualitativ ebenbürtig ist, die Atmosphäre aber mit weit weniger Kohlendioxid belastet. Mit Unterstützung der Autohersteller Volkswagen und DaimlerChrysler sowie des Mineralölkonzerns Shell plant das Unternehmen, ab Ende 2007 jährlich 13 Millionen Liter SunDiesel zu produzieren.

Deutschland und die EU fördern die Herstellung und Weiterentwicklung von Biokraftstoffen. Dazu sind sie in Deutschland teilweise von der Mineralölsteuer befreit. Allerdings ist die Herstellung des synthetischen Sprits technologisch noch nicht reif für eine Produktion in großem Stil. Außerdem sind die BTL-Kraftstoffe derzeit noch deutlich teurer als normaler Kraftstoff.

Anders beim Einsatz von Erdgas als Kraftstoff: Das hauptsächlich aus Methan bestehende Gasgemisch ist in beliebiger Menge und zu ähnlichen Preisen wie Benzin und Diesel verfügbar. Eine bis 2020 geltende Steuerbefreiung macht Erdgas-Fahrzeuge zudem finanziell attraktiv: Der alternative Treibstoff wird an der Tankstelle rund ein Drittel billiger angeboten als Normalbenzin. Dennoch besetzen Erdgas-Autos bislang nur eine schmale Nische: In Deutschland waren Anfang 2007 rund 55 000 Fahrzeuge mit Erdgas-Antrieb zugelassen – das sind nur 0,1 Prozent des gesamten Fahrzeugbestands.

Zwar ist auch Erdgas ein fossiler Rohstoff, dessen Vorrat endlich ist und bei dessen Verbrennung Kohlendioxid entsteht – doch erdgasbetriebene Motoren erzeugen weniger CO2 als vergleichbare Benziner und Diesel-Pkw. Die Differenz beträgt im Vergleich zu Benzin 25 Prozent, gegenüber Diesel 5 bis 10 Prozent. Rund 750 Tankstellen haben den komprimierten gasförmigen Sprit derzeit vorrätig.

Trotz aller Bemühungen, den Anteil alternativer Kraftstoffe zu erhöhen, werden Autos mit Benzin- oder Dieselmotor wohl noch lange Zeit den Straßenverkehr beherrschen. Doch auch sie bieten immer noch viel Potenzial, den Spritverbrauch zu senken. Dabei fokussieren sich die Entwickler bei den beiden Motortypen Otto (Benzin) und Diesel auf unterschiedliche Technologien, die auf deren verschiedene Funktionsweisen zugeschnitten sind. Während ein Ottomotor in jedem Brennraum eine eigene Zündkerze benötigt, um die Verbrennung des Benzins in Gang zu setzen, zündet der Dieselmotor sein Kraftstoff-Luft-Gemisch durch den Druck einer hohen Verdichtung von selbst. Das führt beim Dieselmotor zu einem höheren Wirkungsgrad und weniger Treibstoffverbrauch. Jedoch produziert er mehr Schadstoffe: Stickoxide, Ruß und Feinstaub.

„Beim Benzinmotor liegt der Schlüssel zum Spritsparen in der Aufladung”, sagt Stefan Pischinger, Direktor des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen der RWTH Aachen. Diese bei Benzinern bislang kaum praktizierte Nutzung der Abgasenergie in einem Turbolader sorgt für eine größere Zylinderfüllung. Dadurch lässt sich die spezifische Leistung des Motors steigern. Die Folge: Es lassen sich kleinere Motoren bauen, ohne dass der Motor schwächer wird. Fahrzeugingenieure sprechen von „Downsizing” – vom Schrumpfen der Motordimensionen. Die Vorteile: Der Motor muss weniger schwere Bauteile bewegen, er hat also weniger innere Reibung, wodurch die Verluste sinken. „In Tests haben wir gezeigt, dass sich der Verbrauch durch solche Technologien um bis zu 30 Prozent verringern lässt”, sagt Pischinger, der auch als Geschäftsführer die Firma FEV Motorentechnik in Aachen leitet.

Weitere Tricks, Ottomotoren effizienter zu machen, sind das Abschalten einzelner Zylinder, wenn gerade wenig Leistung erforderlich ist, und die Direkteinspritzung. Dabei wird der Kraftstoff nicht, wie bisher bei den meisten Benzinern üblich, über das Saugrohr zugeführt, sondern direkt in den Brennraum injiziert. Das erfordert allerdings einen höheren Einspritzdruck und eine genauere Dosierung des Treibstoffs. Weiterer Bonus: Der Motor lässt sich mager betreiben. Das heißt: Das Gemisch aus Treibstoff und Luft enthält einen höheren Luftanteil, als für die Verbrennung des Benzins nötig wäre. Resultat: Der Spritverbrauch sinkt.

Otto- und Dieselmotor nähern sich so einander an – Experten sprechen bereits von „Diesotto”-Motoren. „In 10 bis 15 Jahren werden Benzin- und Dieselmotoren einen vergleichbar niedrigen Kraftstoffverbrauch haben”, ist Stefan Pischinger überzeugt. „ Gleichzeitig wird man bis 2020 so weit sein, dass ein Dieselmotor nicht mehr umweltschädliche Emissionen hat als ein Ottomotor.”

Die wachsende Zahl sparsamerer Diesel-Pkw hat in den letzten 15 Jahren zu einer deutlichen Senkung des mittleren Kraftstoffverbrauchs um 25 Prozent beigetragen. Derzeit liegt der Anteil von Diesel-Pkw in Deutschland bei rund 40 Prozent, in einigen anderen europäischen Ländern sogar bei über 70 Prozent. Doch auch Dieselmotoren bieten noch Spielraum zum Spritsparen. „ Bei ihnen lässt sich durch Downsizing ein rund 10 bis 15 Prozent geringerer Verbrauch erreichen”, sagt Stefan Pischinger.

Klimaschützern gibt eine andere Technologie mehr Grund zur Freude: der Hybridantrieb. Er vereint unter der Haube des Fahrzeugs einen Benzin-, Diesel- oder Erdgas-Verbrennungsmotor mit einem Elektromotor. Je nach Anforderung treibt der eine oder der andere Motor das Auto an. Der Ottomotor kommt unter hoher Belastung bei schneller Fahrt und zum Beschleunigen zum Einsatz. Bei niedrigen Geschwindigkeiten und zum Anfahren übernimmt der Elektromotor das Zepter. Bei extremer Belastung arbeiten beide Motoren zusammen.

Das gewährleistet, dass stets die effektivste Fahrweise zum Zuge kommt – und spart reichlich Kraftstoff: gegenüber einem Benzinmotor etwa 25 Prozent. Vorteile beim Verbrauch bietet ein Hybridantrieb vor allem im Stadtverkehr und im Stau. Vergleichsmessungen von Toyota belegen, dass sich dort 65 bis 70 Prozent Sprit sparen lassen. Denn bei ständigem Bremsen und Anfahren zeigt ein Verbrennungsmotor Schwächen: Er kann nicht mit optimalem Wirkungsgrad betrieben werden. Der Elektromotor dagegen setzt die elektrische Energie bei allen Drehzahlen gleich effizient um und entwickelt sofort ein hohes Drehmoment.

Vorreiter bei der Einführung von Hybridfahrzeugen war Toyota. Mit dem Prius stellte das japanische Unternehmen vor zehn Jahren das erste Serienauto mit zwei Herzen unter der Haube vor. Seit 2004 ist der Prius II auf dem Markt. Bei allen Hybridfahrzeugen lässt sich über den Elektromotor während des Bremsens ein Teil der Bewegungsenergie zurückgewinnen. Normalerweise geht diese kinetische Energie als Reibungswärme verloren. Doch in einem Hybridauto lädt sie die Batterien auf. Der Prius II gewinnt dadurch auf 100 Kilometer Stadtverkehr eine Energiemenge zurück, die einem Liter Benzin entspricht.

Motorenforscher Pischinger ist von den Stärken des Hybridantriebs überzeugt: „Der Hybrid ist eine sehr sinnvolle Technologie, die sich sicher in Zukunft stärker durchsetzen wird.” Die Unternehmensberater von PriceWaterhouseCoopers hauen in dieselbe Kerbe. Zwar gebe es derzeit noch keine wirtschaftlichen Vorteile des – relativ teuren – Hybridantriebs gegenüber verbrauchsarmen Dieselfahrzeugen. Dennoch führe am Hybridantrieb kein Weg vorbei – zumal technologische Fortschritte und Massenproduktion Hybridfahrzeuge bald deutlich billiger machen dürften. Laut einer EU-Studie könnten die Kosten pro Kilometer schon 2013 die von Dieselfahrzeugen unterschreiten. ■

Ralf Butscher

COMMUNITY Internet

Infos zum Wasserstoff-Antrieb von BMW:

www.bmwgroup.com/d/

Brennstoffzellen-Autos von DaimlerChrysler:

www.daimlerchrysler.de

Homepage der FEV Motorentechnik Aachen:

www.fev.com

Übersicht über alternative Kraftstoffe vom Umweltbundesamt:

www.umweltbundesamt.de/verkehr/ index-alternative-kraftstoffe.htm

Vielfältige Informationen zu Wasserstoff und Brennstoffzellen:

www.hyweb.de/index-e.html

Infos von Toyota zum Hybridantrieb:

www.hybridsynergydrive.com/de

Website zu Erdgas und Erdgasautos:

www.erdgasfahrzeuge.de

Ohne Titel

· Forscher setzen für die Zukunft vor allem auf Biokraftstoffe, die sich aus Pflanzenabfällen gewinnen lassen.

· Erdgas-Autos belasten die Umwelt deutlich weniger als Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotor.

· Ein großes Potenzial, Treibstoff zu sparen, bietet der Hybridantrieb.

Ohne Titel

Ausstoß von Treibhausgasen in Gramm CO2-Äquivalent pro Kilometer

Benzin aus Rohöl 140

Diesel aus Rohöl 130

Rapsmethylester (Biodiesel) 61

Methan aus Biogas 16

Ethanol aus Zuckerrüben 94

Ethanol aus Weizen

(Herstellung über Braunkohlekraftwerk) 150

Ethanol aus Baumholz 36

BTL-Kraftstoff aus Restholz 9

Wasserstoff (Druck-H2, über Biogas) 19

Wasserstoff (Flüssig-H2, aus Holz) 4

Fast alle alternativen Kraftstoffe belasten das Klima weitaus weniger mit den Treibhausgasen Kohlendioxid, Methan und Lachgas als Benzin und Diesel.

Ohne Titel

Reichweite von Biokraftstoffen in Kilometern pro Hektar Anbaufläche

Kraftstoff Reichweite

Biodiesel (RME) 28 000

Bioethanol 34 000

SunDiesel (BTL) 75 000

Biokraftstoffe der zweiten Generation nutzen sämtliche Pflanzenteile – eine sehr effiziente Ausbeute des Ernteertrags.

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