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Die Last mit dem Schrott

Technik|Digitales

Die Last mit dem Schrott
Alte Elektronik ist alles andere als wertlos. Chips, Prozessoren und Platinen – elektronische Bauelemente in Computern – gehören nicht zwangsläufig auf die Müllhalde. So manches Bauteil ist funktionstüchtig genug für ein zweites Produktleben. Und lukrative Wertstoffe im Elektronikschrott lohnen allemal das Recycling.

Rund ein Jahrzehnt betrug die durchschnittliche Nutzungszeit von Computer-Hardware zu Anfang der achtziger Jahre. Derzeit liegt sie bei nur noch etwa vier Jahren – denn neue, immer leistungsfähigere Software mit explodierendem Anspruch an Speicherplatz und Arbeitsgeschwindigkeit läuft oft nicht mehr auf den “alten” Rechnern.

Für die Zukunft erwarten die Marktforscher noch kürzere Nutzungszyklen: drei Jahre für Desktop-PC, 18 Monate für Notebooks. Die Folge: kaum angeschafft, werden hochgepriesene Neuheiten angeblich zu altem Eisen.

Dabei sind die ausgemusterten Geräte häufig noch intakt und könnten nachgerüstet werden. Und für die Komponenten, beispielsweise Speicherchips und Prozessoren, gilt ohnedies: Ihre Lebensdauer beträgt 20 Jahre – weit mehr, als die Geräte in Gebrauch sind.

“Warum funktionsfähige Teile verschrotten und damit Werte vernichten?” fragt Rainer Kist vom Fraunhofer-Institut für Physikalische Meßtechnik in Freiburg. Er fordert: “Die Geräte müssen künftig langlebig sein, außerdem kostengünstig zu reparieren und technisch nachrüstbar.”

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Das müsse schon bei Entwicklung und Konstruktion bedacht werden. Derzeit seien die meisten Geräte nicht demontage- und recyclingfreundlich genug: Es fehle an Informationen über die Baugruppen in den Geräten, ebenso an Angaben über die enthaltenen Wert- und Schadstoffe.

Das Freiburger Institut will hier Abhilfe schaffen. Die Fraunhofer-Forscher arbeiten gemeinsam mit anderen Forschungseinrichtungen, mit großen europäischen Herstellern wie Philips, Siemens und Sony Deutschland sowie mit Recycling-Unternehmen an der Entwicklung eines umfassenden Recyclingkonzepts für Elektronikgeräte. Es soll den Weg elektronischer Geräte komplett erfassen und allen Beteiligten die notwendigen Informationen vermitteln. Das Ziel ist, eine durchgehende Wertschöpfungskette zu etablieren.

Kist und seine Kollegen denken an eine Identifikationseinheit (Identification Unit, IDU) in jeder Baugruppe. Sie soll nicht nur Angaben über die verwendeten Materialien speichern, sondern auch Ereignisse während der Nutzung festhalten: Nach den Vorstellungen der Fraunhofer-Forscher könnten Miniatursonden negative Einflußgrößen wie Temperaturschocks oder Erschütterungen messen und in das Systemgedächtnis einschreiben. Damit wären die Verwerter in der Lage, die Komponenten eindeutig zu identifizieren und ihre Restlebensdauer realistisch abzuschätzen.

Noch ist die IDU Zukunftsmusik. Aber: “Sie wird in spätestens 20 Jahren zumindest in jedem größeren Gerät vorhanden sein”, prophezeit Rainer Kist. “Allerdings muß dazu eine weitere Voraussetzung erfüllt werden, nämlich Standardisierung.”

Erst genormte Bausteine könnten helfen, Kreisläufe zu schließen – denn nur sie wären direkt austauschbar. Derzeit erarbeitet ein Gremium der Vereinigung europäischer Computerhersteller unter dem Vorsitz von Siemens Richtlinien für Produkte und Produktteile, die später zur Grundlage weltweiter Recycling-Standards werden und die Demontage gebrauchter Geräte zum Normalfall machen könnten.

Bereits 1991 hatte die Bundesregierung einen Entwurf zur Elektronikschrott-Verordnung vorgelegt. Er beinhaltete die Rücknahme, Verwertung und Entsorgung von Altgeräten sowie – über den Kaufpreis von Neugeräten – die Finanzierung dieser Maßnahmen. Der Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) lehnte diesen Entwurf ab.

Es folgte eine modifizierte Version, die immer noch unverabschiedet auf dem Tisch der Verhandlungspartner liegt. Sie sieht statt einer Gesamtregelung Teillösungen vor und besteht aus einer Kombination von freiwilligen und ordnungsrechtlichen Maßnahmen. So sollen Hersteller und Vertreiber von Informationstechnik-Geräten verpflichtet werden, ihre Produkte kostenlos zurückzunehmen und zu verwerten. Geräte, die vor Inkrafttreten der Verordnung in Verkehr gebracht wurden, sind davon ausgenommen.

Faktum ist: Derzeit fallen in Deutschland jährlich rund 1,5 Millionen Tonnen Elektronikschrott an – Tendenz steigend. Bei Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik – beispielsweise Großrechnern, PC, Monitoren, Druckern, Scannern – nimmt der Elektronikschrott-Abfall Jahr für Jahr um fünf bis zehn Prozent zu.

Keine Statistik erfaßt, wie viele ausgediente Geräte dort landen, wo sie bestimmt nicht hingehören – in der Mülltonne oder auf der Deponie. Der Schrott hat es in sich: PCB-haltige Kondensatoren, Bildschirmglas und Leiterplatten mit Inhaltsstoffen wie Nickel, Blei, Kadmium und Arsen. Ganz zu schweigen von den Kunststoffen, bei deren Verbrennung giftige Dioxine entstehen.

Evdoxia Tsakiridou
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