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Die unendliche Geschichte vom Halbleiter

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Die unendliche Geschichte vom Halbleiter
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Das Mooresche Gesetz: Alle 18 Monate gibt es neue Chips mit doppelter Speicherkapazität zum halben Preis. (Foto: anakeseenadee/Thinkstock)
Im April 1965 hat ein vom Chemiker zum elektronischen Ingenieur umgesattelter Unternehmer folgende Vermutung geäußert: Das späte 20. Jahrhundert wird eine massive Zunahme an Rechenkapazität erleben, und es wird ein technologisches Zeitalter erblühen. Ausgesprochen hat dies Gordon Moore, der 1968 zu den Gründern von Intel gehörte. Mit seiner Voraussage zur Computergeschichte ging es darum, dass die Zahl der Transistoren, die auf einen Chip passen, und die Speicherkapazität, die einen Dollar kostet, sich alle 18 Monate verdoppeln würden. Die Moral von der Geschichte: Das Mooresche Gesetz funktioniert bis heute.

Als Gordon Moore seine ungeheure Vorhersage machte und sein Mooresches Gesetz verkündete, konnte er auf den bisherigen Erfahrungsschatz der Halbleiter-Industrie zurückblicken. Seit diese integrierte Schaltkreise produzierte, also seit 1958, war es gelungen, die Größe der Komponenten in einem Chip Jahr für Jahr zu verringern und ihre Anzahl auf dem Chip zu verdoppeln. Moore meinte und hoffte, dass sich dieser Trend noch ein Jahrzehnt lang fortsetzen würde. Einige Zeit später korrigierte er dann seine Zukunftsvision: Die Verdopplung werde sich wohl eher in zwei-Jahres-Schritten vollziehen. Letzten Endes legte er sich auf 18 Monate fest.

In den folgenden Dekaden konnten die Ingenieure der Halbleiter-Industrie mit immer besseren Computer Chips produzieren, die eine verbesserte Performance mit raffinierter Funktionalität kombinierten. Zu den Gründen, warum das Mooresche Gesetz seine Gültigkeit bis heute behalten hat, gehören neben den großen Leistungen der Ingenieure aber auch Fortschritte in den Grundlagenwissenschaften. Damit konnte Moore zwar nicht rechnen, aber er konnte darauf vertrauen. Zu diesen Entwicklungen gehören auch die sogenannten Excimer-Laser, die von russischen Physikern in den 1970er-Jahren vorgestellt wurden. Diese Laser operieren mit Gasen, die ultraviolettes Licht erzeugen können, das wiederum für die Fotolithographie geeignet ist und mit dessen Hilfe hochintegrierte Halbleiterbauelemente angefertigt werden können.

Neue Entwicklungen setzen das Mooresche Gesetz fort

Zu den grundlegenden Entwicklungen gehört auch eine Einsicht aus der Physik der kondensierten Materie. Der zufolge kann Silizium Elektrizität viel besser leiten als andere Metalle, wenn die dazugehörigen Kristalle gestreckt werden. Dies gelingt, wenn man Kristalle passend aufeinander presst, um so Atome weiter voneinander zu entfernden. Das wiederum erleichtert den gewünschten Stromfluss.

In den noch frühen Tagen des 21. Jahrhunderts lassen sich nun Transistoren herstellen, die gerade einmal 14 Nanometer groß sind. Bei diesen Dimensionen spielt nun die physikalisch unvermeidliche Hitzeentwicklung eine ungute Rolle, und so macht sich allmählich die Vermutung breit, dass Forscher und Ingenieure an ihre Grenzen und die der Atome stoßen. Zwar hofft so mancher, mit neuen Materialien, die besser kühlen als die alten, die Größe von Transistoren auf fünf Nanometer zu reduzieren. Aber wer danach noch weitere Fortschritte erzielen und das Mooresche Gesetz eine weitere Dekade wirksam halten will, braucht eine ganz neue Physik. Daher träumen Forscher schon einmal von der Möglichkeit, den quantenmechanischen Tunneleffekt einzusetzen – oder die Daten nicht mit Ladungen in den Chips zu transportieren, sondern dafür den sogenannten Spin der Elektronen zu nutzen, also deren Eigendrehimpuls.

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Chips, die mit Knoten rechnen

Einige Physiker hoffen auch, die topologischen Eigenschaften von Atomen nutzen zu können, indem sie die elementaren Bausteine der Materie miteinander verknoten und so mit ihnen zu rechnen. Das würde dann so ähnlich funktionieren wie die Knotenschnüre der Inkas, die auf diese Weise Informationen und Zahlen dokumentierten. Andere Wissenschaftler wiederum versuchen sich durch das neuronale Netzwerk des Gehirns inspirieren zu lassen, um eine “neuromorphische Architektur” auf den Chips unterzubringen und mit ihr das Mooresche Gesetz weiter gültig sein zu lassen.

So spannend das alles klingt, es wirft auch die Frage auf, wann dank solcher Fortschritte die künstliche Intelligenz der Maschinen die natürliche Intelligenz der Menschen überholen wird. Gegenfrage: Kann das überhaupt jemals der Fall sein? Heißt es nicht, dass sich auch das Wissen der Menschheit alle paar Jahre verdoppelt? Häufig behauptet wird, dass sich das menschliche Wissen erst zwischen 1960 und 1980, dann zwischen 1980 und 1990 und wiederum zwischen 1990 und 1995 verdoppelt hat. Für die Zeit danach herrscht Uneinigkeit, wann genau sich das menschliche Wissen abermals verdoppelt hat. Vielleicht erfahren wir es von einem Computer, dessen Transistoren mit fünf Nanometer auskommen und die den Tunneleffekt mit Elektronenspins nutzen. Mir würde schon reichen, wenn jemand den Tunneleffekt kennt und ihn genauso schätzt wie den Mut von Gerald Moore, Jahrgang 1929, der darauf wartet, dass sein Gesetz an seine natürliche Grenze stößt.

© wissenschaft.de – Ernst Peter Fischer
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