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Die vierte Dimension des Fliegens

Technik|Digitales

Die vierte Dimension des Fliegens
Clevere neue Technologien machen Flugzeuge effizienter, sauberer und leiser. Eine Flotte von Forschungsjets hilft, Fragen zu Klima, Umweltschutz und Verkehr aus der Luft zu lösen.

Allmählich nähert sich der Jet seiner Maximalflughöhe – 15 Kilometer über der Erde. Seine Sensoren sind bereits in voller Aktion: Ein aus der Nase ragender Mast erfasst den Luftdruck. Thermometer messen die Temperatur, Hygrometer die Luftfeuchte. Durch Öffnungen in der Bordwand werden Proben genommen und haarklein analysiert: Welche Spurengase enthält die Luft in bestimmten Höhenschichten und in welcher Konzentration?

So sieht ein typischer Einsatz von Halo aus, dem jüngsten Forschungsflugzeug Deutschlands beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. „Halo ist einzigartig in Europa“, schwärmt Monika Krautstrunk, Leiterin der DLR-Forschungsflugabteilung in Oberpfaffenhofen. Ihr 40-köpfiges Team betreibt eine Flotte von vier Maschinen, die rund um den Globus für die Wissenschaft unterwegs sind. Von den Messdaten profitieren Klimaforscher und Atmosphärenphysiker genau wie Geologen und Verkehrswissenschaftler.

„Unsere Flugzeuge gibt es nicht von der Stange“, sagt Krautstrunk. „Wir müssen jede Maschine speziell anpassen, damit daraus ein fliegendes Labor wird.“ Das Resultat: Die Flugzeuge sind mit Sensoren gespickt, aufwendige Rechnersysteme erfassen und speichern die Daten. Je nach Mission können die Maschinen mit anderen Instrumenten beladen werden. Die Forscher, die sie nutzen, kommen nicht nur vom DLR, sondern aus Instituten, Universitäten, Behörden und Unternehmen aus aller Welt.

Das kleinste Fluglabor ist eine einmotorige Cessna 208B. Sie hat eine Reichweite von rund 2000 Kilometern und schafft eine Flughöhe von 7600 Metern. Ihre Spezialkameras beäugen unter anderem, wie Autoströme bei Großveranstaltungen an- und abfließen und liefern daraus Basisdaten für die Verkehrsforschung. Merklich größer ist die zweimotorige Dornier Do 228, Reichweite: knapp 3500 Kilometer. Ihre Radarsysteme können zum Beispiel die Rauigkeit und Dicke von Treibeis auf dem Meer bestimmen.

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Das Arbeitspferd unter den Forschungsflugzeugen des DLR ist die Falcon. Der zweistrahlige Jet dient vorrangig der Atmosphärenforschung. Seine Flughöhe beträgt bis zu 13 700 Meter, seine Reichweite maximal 3700 Kilometer. Als 2010 der isländische Vulkan Eyjafjallajökull ausbrach, maß die Falcon tagelang die Konzentration der Vulkanasche in der Atmosphäre über Europa und trug so dazu bei, dass der vorsorglich gesperrte Luftraum zum Teil wieder geöffnet werden konnte. Die Aschekonzentration war dort niedriger, als die Experten befürchtet hatten.

Halo auf Höhenflug

Das Prunkstück der Flotte ist Halo: Das Flugzeug basiert auf einem Businessjet der Marke Gulfstream – Reichweite: über 10 000 Kilometer. Bei einer maximalen Flughöhe von 15 500 Metern kann es drei Tonnen Nutzlast befördern. „Mit Halo kommen wir bis in die untere Stratosphäre“, sagt Monika Krautstrunk. „Für Klima- und Wetterexperten ist das ein besonders interessanter Bereich, denn bis hierher können Energie und Materie aus der Troposphäre transportiert werden.“ Die Troposphäre ist die unterste Luftschicht, die bis in eine Höhe von 15 Kilometern reicht und in der sich das Wetter abspielt. Darüber liegt bis in 50 Kilometer Höhe die Stratosphäre.

2012 flog Halo seine ersten Missionen, bei denen die Geoforscher das Erdmagnetfeld untersuchten. Und Klimaforscher maßen, wie die physikalischen Bedingungen in der oberen Troposphäre mit den Jahreszeiten variieren. Aber der Weg zu den ersten Einsätzen war lang: „Halo ist ein echtes Großprojekt“, sagt Krautstrunk. „Die Planungen begannen bereits 1999.“

Im Jahr 2005 bewilligte das Bundesforschungsministerium das 72 Millionen Euro teure Unterfangen. Zwar lieferte der Hersteller bereits ein Jahr später die Grundversion, doch die Umrüstung war aufwendig: „Für die vielen benötigten Sensoren mussten wir Öffnungen in den Rumpf schneiden“, erinnert sich Krautstrunk. „Er sah aus wie ein Schweizer Käse.“ Diese Öffnungen mussten die Experten verstärken, sonst drohte der Rumpf im Flug zu brechen. Zahlreiche Kabel wurden verlegt und die Schienensysteme für die Instrumentenhalterungen eingesetzt.

Durch Rütteltests prüfen die Forscher, ob die unter den Flügeln angebrachten Sonden für das Einsammeln und Analysieren kleiner Teilchen aus der Luft stabil genug sind. Schließlich wurden die Basissensoren und die Elektronik für die Datenerfassung installiert. Um das Equipment zu checken, folgten diverse Kalibrierflüge – bis Halo im Herbst 2010 endlich zu einer ersten wissenschaftlichen Testmission abheben konnte. Nun soll bald der Routinebetrieb beginnen. Dann soll Halo jedes Jahr für mindestens vier große Missionen zum Höhenflug ansetzen.

Der Fan frisst den Lärm

Flugzeuge haben eine unangenehme Eigenschaft: Sie machen Lärm. Dabei sind die Passagierjets seit den 1970er-Jahren deutlich leiser geworden: Ein modernes Triebwerk ist nur noch ein Achtel so laut wie seine Vorgänger vor 40 Jahren. Der wesentliche Grund dafür: Die Konstrukteure haben das Prinzip des „ Mantelstromtriebwerks“ weiterentwickelt. Bei ihm strömt nur ein Bruchteil der Luft durch den Triebwerkskern, wo die Verbrennung stattfindet. Das stark erhitzte Gas donnert hinten heraus und treibt eine Turbine an. Diese wiederum versetzt den „Fan“ – die von außen sichtbaren Turbinenschaufeln – in Rotation. Bei modernen Passagierjets treibt hauptsächlich der Fan das Flugzeug an. Da er die Luft nicht so stark beschleunigt wie das Kerntriebwerk, ist er deutlich leiser.

Das Entscheidende: Je größer das Verhältnis zwischen Fan und Kern ist, umso leiser und effizienter ist das Triebwerk – die Experten sprechen vom Bypass-Verhältnis. Bei einem Airbus- A380-Triebwerk liegt es bei 8,7 zu 1 – fast neun von zehn Teilen Luft strömen durch den Fan, nur der Rest wird durch den Kern geleitet. „Bei künftigen Maschinen wie dem Airbus A350 soll dieses Verhältnis noch größer werden“, sagt Lars Enghardt vom DLR-Institut für Antriebstechnik in Berlin. „Denkbar sind Werte von 15 zu 1 oder sogar 20 zu 1.“

Irgendwann aber ist die Strategie ausgereizt. Denn zwangsläufig werden dabei die Triebwerke immer größer – so groß, dass sie eines Tages nicht mehr unter die Flügel passen. Deshalb tüfteln Enghardt und seine Kollegen an einer anderen Art der Lärmdämmung, dem Antischall. Dabei wird dem Lärm ein gleichartiges, „invertiertes“ Schallfeld entgegengesetzt. Im Idealfall löschen sich beide gegenseitig aus. Dann herrscht Ruhe. Kopfhörer, die nach diesem Prinzip Umgebungsgeräusche eliminieren, gibt es bereits zu kaufen.

Zunächst fragten sich die Experten, ob sich ein Gegenschallfeld in einem Triebwerk mit Lautsprechern überhaupt erzeugen lässt. „Das wäre zwar möglich“, meint Enghardt, „doch der technische Aufwand wäre riesengroß.“ Daher ließen sich die Fachleute ein anderes Konzept einfallen: Über millimeterfeine Düsen blasen sie Pressluft, die im Jet sowieso vorhanden ist, in den Laufschatten der Turbinenschaufeln. Dort interagiert die Druckluft mit dem Strömungsfeld, sodass sich ein Antischallfeld ausbildet. Dieses eliminiert speziell die hohen singenden Töne des Triebwerks.

Labortests lassen hoffen

„Im Labor und am Prüfstand haben wir bereits vielversprechende Ergebnisse erzielt“, berichtet Enghardt. „Im Prinzip lässt sich die Lärmabstrahlung halbieren.“ Nun wollen die Forscher gemeinsam mit dem Luftfahrtkonzern EADS testen, wie sich das System am effizientesten regeln lässt. „Wir wollen zeigen, dass sich unsere Methode für den Einbau in ein Triebwerk eignet.“

Doch nicht nur Triebwerke sind laut. Auch Landeklappen und Fahrwerke machen bei Start und Landung Krach. Durch die Wechselwirkung mit turbulenter Strömung erzeugen sie ein deutlich vernehmbares Rauschen. Um diesen Lärm zu mindern, experimentieren Fachleute vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig mit Abschirmblechen, die gleich einem Windschutz vor das Fahrwerk montiert sind. „Damit rauscht die Luft nicht mehr durch Streben und Bremsen, und es entsteht weniger Lärm“, erklärt DLR-Ingenieur Michael Pott-Pollenske. Ein Nachteil der Technik: Sie erhöht das Gewicht des Flugzeugs und vermindert dadurch seine Nutzlast.

Ebenso wichtig wie das Treiben in der Luft ist das Geschehen am Boden. Manche Flughäfen drohen, an die Grenzen ihrer Kapazität zu stoßen. Das liegt unter anderem an einem zu komplexen Informationsfluss: Derzeit nutzen Airlines, Flugsicherung und Bodenverkehrsdienste jeweils eigene Informationssysteme. „Das muss künftig effektiver gestaltet werden“, sagt Volker Gollnick, Leiter des Instituts für Lufttransportsysteme in Hamburg. „ Deshalb arbeiten die DLR-Institute für Flugführung und Flughafenwesen daran, alle Informationen in einem System zusammenzuführen.“

Ein Beispiel: Bislang hat der Vorfeld-Manager sieben verschiedene Monitore vor sich. In Zukunft soll es nur noch ein einziger sein, auf dem er Gepäckwagen, Gangways und Tanklaster zentral im Blick hat, wodurch er bei Bedarf rasch umdisponieren kann. Die Wartezeiten ließen sich dadurch minimieren.

Auch der Passagier soll enger eingebunden werden. So könnte er künftig nicht nur per SMS über Gate-Änderungen informiert werden, sondern auch selbst die Airline verständigen, wenn er in der Sicherheitskontrolle festhängt. Nach Bedarf könnte die Fluggesellschaft das Gate dann einige Minuten länger offenhalten. Beim Spitzencluster-Projekt „Airport 2030″ testen die Forscher das an der Technischen Universität Harburg gebaute System am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel.

Ein Mega-Jumbo als ziel

Allerdings ist es mit solchen Techniken allein kaum getan. Denn die Herausforderungen für die Luftfahrt sind enorm: Es gibt immer mehr Megacitys, zwischen denen die Menschen pendeln. Die Energie wird teurer, die Emissionen sollen sinken, die Flughäfen sind zunehmend überlastet. „Um das alles zu meistern, brauchen wir größere und effizientere Flugzeuge, damit wir mit weniger Flügen auskommen“, meint Gollnick.

Ein vielversprechendes Konzept für einen solchen Mega-Jumbo wäre der „Blended Wing Body“, eine spezielle Form des Nurflüglers. Bei ihm fungiert fast der gesamte Rumpf als Tragfläche. Die Vorteile: viel Auftrieb und wenig Luftwiderstand. Das würde das Flugzeug, das bis zu 1200 Passagiere fassen soll, äußerst spritsparend machen. „Möglich sind 30 Prozent Kraftstoffersparnis im Vergleich zu den heutigen Jets“, sagt Gollnick.

Doch es gibt offene Fragen: Das Ein- und Aussteigen müsste über spezielle Gates erfolgen. Die Kabine hätte Kinosaal-Dimensionen und könnte Probleme beim Druckausgleich bereiten. Und Passagiere, die außen sitzen, würden beim Kurvenflug achterbahnmäßig auf- und ab beschleunigt werden, was sich aber durch intelligente Aktuatoren in den Sitzen mildern ließe. Um die Probleme praxisnah zu lösen, würde Gollnick gern einen Nurflügler als großes, unbemanntes Modell bauen – Spannweite: bis zu zehn Meter. Immerhin: „Sowohl Boeing als auch Airbus denken bereits über das Konzept nach.“ (

Der Wissenschaftsjournalist FRANK GROTELÜSCHEN aus Hamburg freut sich schon auf seinen ersten Trip mit einem Riesen-Nurflügler.

von Frank Grotelüschen

Landelotse für Helikopter

Ein Unfall auf der Autobahn: Bei dichtem Schneegestöber sind mehrere Wagen kollidiert. Sofort hat sich der Rettungshubschrauber auf den Weg gemacht. Kurz darauf setzt die Maschine direkt neben der Unfallstelle auf – trotz des Schneesturms und der lausigen Sicht. Ein automatisches Landesystem hat sie sicher zum Boden geleitet. Noch ist das eine Vision. Doch die Forscher des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik in Braunschweig arbeiten an den technischen Voraussetzungen dafür, dass Hubschrauber künftig bei schlechtem Wetter fast überall landen können.

Dass Passagierjets bei schlechter Sicht sicher aufsetzen, ist einem ausgefeilten Instrumentenlandesystem zu verdanken, bei dem Leitstrahlen vom Boden den Flieger nach unten führen. Anders bei Helikoptern: „Sie müssen überall landen können“, sagt Institutsleiter Stefan Levedag. „Doch auf Dächern, Autobahnen oder Äckern gibt es kein Instrumentensystem, das den Helikopter mit Leitstrahlen unterstützt.“ Zudem stehen oft Häuser, Bäume oder Autos im Weg, und manchmal ist der Boden wellig.

Für eine automatische Einparkhilfe braucht der Helikopter diverse Sensoren. „Wir nutzen Radar-, Laser- und Infrarotsensoren, die sich gegenseitig ergänzen“, sagt Levedag. „ Eine Software steuert den Hubschrauber mit deren Hilfe sicher zum Boden.“ Erproben können die DLR-Experten das neue System auf dem „ Fliegenden Hubschraubersimulator“ FHS – einem eigens spezifizierten Serienmodell zum Testen von neuen Technologien (Foto).

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

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♦ elek|tro|ma|gne|tisch  auch:  elek|tro|mag|ne|tisch  〈Adj.〉 auf Elektromagnetismus beruhend … mehr

he|te|ro|fon  〈Adj.; Mus.〉 von der Einstimmigkeit abweichend; oV heterophon … mehr

Ei|bisch  〈m. 1; Bot.〉 Angehöriger einer Gattung von Kräutern u. Sträuchern der Malvengewächse: Althaea ● Echter ~ wirkt bei Bronchialkatarrhen schleimlösend u. reizlindernd: A. officinalis; … mehr

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