Aus Stop-and-Go-Verkehr wird Stillstand, aus monotonem Wechselspiel zwischen Gas- und Bremspedal Leerlauf. Die Stimmung nähert sich dem Nullpunkt – Alltag auf einer deutschen Autobahn. Zwischen den Anschlußstellen Kreuz Leverkusen und Dreieck Heumar nutzen täglich bis zu 170000 Fahrzeuge die A3. Durchschnittlich ereilt die Autofahrer allein auf diesem nur 16,8 Kilometer langen Streckenabschnitt an jedem Tag gleich zweimal der Verkehrsinfarkt.
Im Mai 1995 wurde hier eine der modernsten deutschen Verkehrsbeeinflussungsanlagen installiert. 160 Wechselverkehrszeichen – auf 39 Schilderbrücken über der Fahrbahn installiert – sollten per Leuchtdisplay das Tempolimit an die aktuelle Verkehrssituation anpassen, verhießen die Planer. Notfalls werde man zeitig vor dem nächsten Stau gewarnt.
Das Prinzip: An 19 Meßstellen registrieren unter dem Asphalt verlegte Induktionsschleifen die Geschwindigkeit der vorbeirollenden Fahrzeuge. Selbst der Fahrzeugtyp läßt sich durch solche Fahrbahn-Sensoren anhand der Veränderung im Stromfluß identifizieren. Fünf Nebelsensoren und ebenso viele Wetterstationen versorgen die 22 Millionen Mark teure Anlage mit digitalen Informationen über Wolkenbrüche, Schneematsch und Glatteis.
Wetterdaten plus Verkehrsdichte werden im Minutenrhythmus von einem Rechner der Autobahnmeisterei Leverkusen ausgewertet. Das Ergebnis der digitalen Fleißarbeit zeigt sich drei Minuten später in Form leuchtender Verbots- oder Warnhinweise über der Fahrbahn. Soweit die Theorie. Seither verläuft das Chaos in geordneten Bahnen – bewältigt ist es nicht.
Ist die Formel „Verkehrstelematik plus Öffentlicher Personen-Nahverkehr (ÖPNV) gleich weniger Umweltbelastung“ tatsächlich korrekt? Darauf können gegenwärtig selbst Fachleute des Umweltbundesamtes (UBA) keine eindeutige Antwort geben. Eine vergleichende Studie des Basler Prognos-Instituts soll den Expertenstreit bis zum Sommer 1997 versachlichen.
Um den gefürchteten Kollaps des Straßennetzes möglichst lange hinauszuschieben, planen und erproben Mobilfunkbetreiber wie die Bonner Telekom-Tochter „T-Mobil“ und der Düsseldorfer Mannesmann-Konzern heute bereits die Telematik von morgen. Eine Symbiose aus GPS (Global Positioning System) und GSM (Global System for Mobile Communication) ist ihr Rezept gegen vorzeitigen Verkehrsinfarkt in den Ballungszentren der Republik.
Ein Feldversuch mit etwa 1000 Testfahrzeugen in der Rhein-Ruhr-Region verlief nach Firmenaussagen derart positiv, daß Mannesmann zusammen mit seiner Servicetochter „Autocom“ und dem Fahrzeugelektronik-Spezialisten VDO möglicherweise bereits zur CeBIT ’97 die notwendigen Endgeräte anbieten will.
Zusammengefaßt im integrierten transeuropäischen Verkehrstelematik-System „IntraGSM“ der T-Mobil, könnten neue Telematik-Dienste in Zukunft zu weit mehr fähig sein, als nur vor dem nächsten Stau zu warnen. So soll noch in diesem Jahr ein Pannenruf via D-Netz das Angebot bereichern. Dank übermittelter GPS-Information kennt der Einsatzdienst den Fahrzeugstandort. Wird die Elektronik über den Bordcomputer auch mit Fahrzeugdaten wie „Bremsbeläge abgenutzt“ oder „zu hohe Öltemperatur“ versorgt, ist selbst eine Kfz-Ferndiagnose per D-Netz keine Utopie mehr.