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Flotter Dreier

Technik|Digitales

Flotter Dreier
Ein ferngelenktes Fluggerät aus dem Saarland schafft bislang undenkbar waghalsige Manöver.

Ferngesteuerte Flugobjekte, die aussehen wie Helikopter mit mehreren Rotorblättern sind ein beliebtes Technikspielzeug. Die ausgereifteren Varianten solcher „Drohnen“ oder „Multikopter“ sind echte Multitalente. Sie helfen beispielsweise beim Aufspüren von Menschen in zerstörten Gebäuden nach einem Erdbeben oder einer Gasexplosion oder von eingeschlossenen Bewohnern in Hochwassergebieten. Oder sie erstellen spektakuläre Luftaufnahmen von Sportevents, Open-Air-Konzerten oder Landschaften für Dokumentarfilme. Was früher ein Kamerateam an Bord eines Hubschraubers erforderte, erledigen heute die unbemannten ferngesteuerten Flugroboter.

Inzwischen haben auch ingenieurwissenschaftliche Studienrichtungen an Universitäten und Hochschulen das Thema für sich entdeckt. Angehende Ingenieure untersuchen das Steuer- und Lenkverhalten von Multikoptern und entwickeln technische Lösungen für neue Einsatzgebiete. So entstehen am Lehrstuhl für Systemtheorie und Regelungstechnik der Universität des Saarlandes in Saarbrücken unter der Leitung von Institutschef Joachim Rudolph neuartige Multikopter für den zivilen Einsatz. Ihr besonderes Merkmal: Sie haben drei Propellerflügel.

Knifflige Technik an den Rotoren

Das macht die Technologie knifflig: Denn anders als bei den bislang üblichen Multikoptern mit starr montierten Antrieben kommen bei dem sogenannten Trikopter schwenkbare Rotoren zum Einsatz. Denn Trikopter mit starren Rotoren wären flugunfähig, weil sie instabil sind. Sie würden sich um ihre eigene Achse drehen und trudelnd wieder abstürzen.

Die bislang gebräuchlichen Multikopter haben stets eine gerade Zahl von Propellern, um sich auf möglichst einfache Weise stabil manövrieren zu lassen. Meist halten vier Rotorblätter die Maschinen in der Luft. Die Flugdynamik solcher Quadrokopter ist gut beherrschbar, lässt aber nur bestimmte Flugbewegungen zu. Anders bei Rotoren, die nicht starr, sondern um eine feste Achse schwenkbar sind: Sie ermöglichen eine viel bessere Beweglichkeit bei Flugmanövern.

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Um das auf die Spitze zu treiben, sollten die angehenden Ingenieure aus dem Saarland den Trikopter so gestalten, dass sich alle drei Rotoren einzeln bewegen lassen. „Dazu musste ein komplexer Aufbau entwickelt werden, der die Grundvoraussetzung für die Realisierung beliebiger Flugmanöver ist“, sagt Joachim Rudolph.

Die jungen Forscher in seinem Team meisterten die Aufgabe mit Bravour. Der von ihnen konstruierte Trikopter ermöglicht beliebige Bahnbewegungen und trotzt allen Störungen, zum Beispiel Windböen. Voraussetzung dafür war die Entwicklung eines leistungsfähigen Bordcomputersystems, das den Trikopter stabil in der Luft hält und zielgerichtet fliegen lässt – eine anspruchsvolle regelungstechnische Aufgabe. Denn schon eine winzige Änderung der Drehzahl oder des Schwenkwinkels eines der Propeller führt zu komplizierten Bewegungsänderungen, die die Steuerung ausgleichen muss.

Die Lösung dieser Aufgabe macht den Trikopter nicht nur äußerst wendig, sondern lässt das neuartige Fluggerät auch in Schrägstellung horizontal fliegen, ohne dass es vorher kippen muss. Und der Trikopter kann in einer Parkposition über einem festen Ort schweben. Auch das gelingt mit einem Quadro-, Sexto- oder Oktokopter nicht. Diese Drohnen können nur in horizontaler Lage fliegen und müssen immer in Bewegung sein, um nicht abzustürzen.

Unter der Leitung des Technischen Kybernetikers Joachim Rudolph und seines Mitarbeiters David Kastelan arbeiteten Studenten ab dem 5. Semester im Rahmen von Praktika fachübergreifend im Trikopter-Projekt. An der Lösung des komplexen Problems beteiligten sich auch zwei Gaststudenten aus Frankreich und Kanada. In Vorarbeiten analysierten die angehenden Ingenieure das Zusammenspiel von Propeller und Flugdynamik des Trikopters und simulierten das Flugverhalten mithilfe von Bewegungsgleichungen, die in mathematischen Modellen formuliert waren. Nach einer Reihe von Flugtests und Korrekturen am technischen System des Trikopters brachten die jungen Forscher die kippelige Flugsituation schließlich unter Kontrolle.

Der entscheidende Kniff war eine Flugregelung, die in jedem Moment die aktuellen Bewegungsdaten auswertet und mit den Vorgaben des „Piloten“ an der Fernsteuerung abgleicht. Dazu messen Sensoren die Drehrate und Beschleunigung des Trikopters und senden die Daten 200 bis 400 Mal pro Sekunde an den Bordcomputer.

Dessen Herzstück, ein Mikrocontroller, verfügt über alle Funktionen, die für eine permanente Regelung des Flugverhaltens notwendig sind. Er berechnet nicht nur die aktuellen Koordinaten des Trikopters, sondern bestimmt auch während des Flugs ständig vorausschauend die weitere Flugbahn. Dank der eigens dafür entwickelten mathematischen Algorithmen erkennt der Bordcomputer, wann der Trikopter eine falsche Bewegung zu machen droht. Dann berechnet er blitzschnell Korrekturbefehle – etwa, um die Drehzahl eines Propellers zu erhöhen oder seine Neigung zu ändern.

Der Horizont bleibt stabil

Die Drohne aus Saarbrücken gewährleistet nicht nur einen „ ruckelfreien“ Flug bei Richtungsänderungen, sondern kann auch in fließenden Übergängen aus einer schwebenden Parkstellung in eine Vorwärtsbewegung wechseln – und umgekehrt. Damit gerät bei Film- und Fotoaufnahmen aus der Luft kein Horizont mehr in „Schieflage“ , wie bei konventionellen Flugrobotern, die für einen horizontalen Flug zunächst gekippt werden müssen.

„Im Gegensatz zu Fluggeräten aus dem Hobbybereich basieren die bei unserer Entwicklung genutzten Regeleingriffe auf einer mathematischen Beschreibung des Flugverhaltens, die aus den Gesetzen der Mechanik abgeleitet wurde und auch bei ungewöhnlichen Flugmanövern gilt“, erklärt der Saarbrücker Institutsleiter Rudolph. „Schließlich soll unser Trikopter völlig autonom spektakuläre Flugmanöver ermöglichen.“ So ist daran gedacht, mehrere Trikopter beim Transport von Lasten zusammenarbeiten zu lassen. Einen weiteren Pluspunkt nennt David Kastelan: „Die Möglichkeit, schwer zugängliches Gelände schnell, gefahrlos, preiswert und ohne großen Aufwand zu erreichen, macht die Technologie etwa für Katastropheneinsätze interessant.“

Künftig wollen die Forscher mit Partnern aus der Industrie zusammenarbeiten, um das Fluggerät zu einem kommerziellen Produkt weiterzuentwickeln. Interessenten dürften sich nicht nur in der Spiele-, Film- und Werbeindustrie finden. Auch viele andere Anwendungen für das „fliegende Auge“ sind denkbar: Es könnte etwa Straßen und Kreuzungen beobachten, bei Grenzkontrollen helfen, das Wachstum von Bäumen in Wäldern oder Ackerpflanzen kontrollieren sowie aktive Vulkane überwachen.

Die Eigner von Windkraftanlagen, Schornsteinen, Fernmeldetürmen oder Strommasten könnten Trikopter zudem nutzen, um die Bauwerke aus der Luft auf Schäden zu inspizieren. David Kastelan betont: „Das wäre deutlich kostengünstiger und weniger gefährlich als die heute üblichen Kontrollen durch menschliche Inspekteure.“ ■

CHRISTINE RITSCHEL aus Saarbrücken ist es wichtig, für innovative Forschungsergebnisse auch innovative Anwendungen aufzuspüren. Der Fotograf OLIVER DIETZE hielt die Flugmanöver in Bildern fest.

von Christine Ritschel (Text) und Oliver Dietze (Fotos)

Roboter mit Propeller

Was der Trikopter fertigbringt, das gelang Studierenden der Mechatronik aus dem Saarland auch am Boden: ein eigentlich instabiles Objekt durch eine clevere Art der Steuerung dazu zu bringen, sich selbstständig und sicher zu bewegen. Diesen Balanceakt brachten die angehenden Ingenieure einem Stab bei, der wie ein Akrobat auf einem Ball balanciert, das Gleichgewicht hält und den Ball mit trippelnden Schritten an ein bestimmtes Ziel rollt. Der Stab sollte gleichzeitig den Ball lenken und – damit es noch schwieriger wird – auf drei kleinen Kugeln stehen. Das ist etwa so, als müsste der Akrobat den Balanceakt auf dem Ball mit Rollschuhen ausführen.

Die Lösung des Balance-Problems für den „Ballbot“ basiert auf einem sogenannten Starrkörperproblem: einer starren Kugel und einem Pendelkörper darüber. Beide sind durch ein sphärisches Gelenk miteinander verbunden. Aufrecht stehend befindet sich der Schwerpunkt des Pendels exakt über dem Kugelkontakt mit dem Boden, aber in instabiler Ruhelage. Schon der kleinste Luftzug genügt, um das Pendel kippen zu lassen. Vier Propeller dienen der Stabilisierung und fangen jegliche Kippbewegung ab. Je zwei stehen sich gegenüber. Komplettiert wird das Ganze durch ein ausgeklügeltes Regelungssystem. Droht der Stab zu kippen, erhöht einer der Propeller seine Drehzahl, um den Stab abzufangen. Neigt sich der Stab zur anderen Seite, tritt der Propeller gegenüber in Aktion.

Was spielerisch wirkt, ist raffinierte Ingenieurleistung. Zuerst mussten die Studenten dem Stab beibringen, dass er auf der Kugel stehen bleibt. Dazu wird die Bewegung des Stabs auf dem Ball berührungslos mit einem Sensor gemessen, den die Studenten aus einer Computermaus ausgebaut haben. Zusammen mit weiteren Sensoren misst der Maussensor ständig, was der Stab, der Ball und die Motoren gerade machen. Die Informationen laufen im „Gehirn“ des Ball-Roboters zusammen, einem Mikrocontroller. Ähnlich wie beim Trikopter ermitteln Algorithmen permanent, wie Stab und Ball sich bewegen. Kippt der Stab oder bewegt sich der Ball anders als gewünscht, berechnet der Controller aus den Messsignalen die notwendige Stellgröße: die Propellerkraft, mit der der Regler gegensteuern muss. Dank einer zusätzlichen Kommunikationsschnittstelle kann der Ballbot wie ein Spielzeug beliebig durch den Raum gelenkt werden – per Joy-Stick mit einer handelsüblichen Funkfernbedienung.

Paragrafen für Drohnen

Drohnen sind kleine unbemannte Flugzeuge, die ähnlich wie Modellflugzeuge per Fernbedienung gesteuert werden. In Deutschland fallen sie unter das Modellflugzeug-Gesetz, weshalb sie nur in Sichtweite gesteuert werden dürfen. Bei bis zu 5 Kilogramm Startgewicht ist das ohne Genehmigung für Sport- und Freizeitzwecke möglich, bei mehr als 5 und maximal 25 Kilogramm Startgewicht ist eine Aufstiegserlaubnis der Luftfahrtbehörde erforderlich. Doch sobald das Flugzeug mit Kamera oder Mikrofon ausgerüstet ist, dient es im Verständnis des Gesetzgebers nicht mehr dem Sport- und Freizeitzweck und braucht daher auf jeden Fall eine Fluggenehmigung.

Schon ab 300 Euro sind ferngesteuerte Kleinflugzeuge mit eingebauter Kamera für Hobbypiloten erhältlich. Leistungsstärkere Geräte, wie sie zum Beispiel die Polizei nutzt, kosten zwischen 40 000 und 70 000 Euro.

Für Bundeswehr und Polizei erlaubt das Luftfahrtgesetz den Drohneneinsatz für besondere Zwecke. In Deutschland verfügt neben der Bundespolizei auch die Polizei in Sachsen, Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Berlin über einsatzbereite Drohnen für Aufklärungsflüge – etwa zum Fotografieren des Tatorts nach einem Verbrechen, zur Sicherung von Objekten oder bei Naturkatastrophen. Dagegen nutzt die Bundespolizei ihre Drohnen vor allem zum Überwachen von Grenzen und Gleisen oder um Menschenschmuggler aufzuspüren.

Der militärische Einsatz von Drohnen ist stark umstritten, wodurch sie ein massives Imageproblem haben. Deutsche Behörden nutzen die Technik derzeit eher zurückhaltend. International sieht es anders aus. Der Markt boomt: Vorreiter sind die US-Streitkräfte, die über mehr als 10 000 Drohnen für militärische Einsätze verfügen. Für ihren Einsatz bildet die US-Armee bereits mehr Piloten aus als für bemannte Flüge.

Kompakt

· Anders als bislang gebräuchliche Drohnen hat der Trikopter drei Flügel.

· Um ihn stabil fliegen zu lassen, sind alle drei Rotoren beweglich gelagert.

· Das erfordert eine aufwendige elektronische Regelung.

Mehr zum Thema

IInternet

Forschung am Lehrstuhl für Systemtheorie und Regelungstechnik der Universität des Saarlandes: www.uni-saarland.de/campus/fakultaeten/professuren/naturwissenschaftlich- technische-fakultaet-ii/mechatronik/ professuren-fr-74-mechatronik/rudolph/forschung.html

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