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Fossile Flieger: Potenzial für die Technik

Technik|Digitales

Fossile Flieger: Potenzial für die Technik
Fliegende Giganten benötigten raffinierte Flug-Systeme: Künstlerische Darstellung des Pterosauriers Hatzegopteryx, der eine Flügelspannweite von über zehn Metern besaß. (Bild: Mark Witton)

Für Jahrmillionen machten sie ihre erstaunlichen Flugkünste zu den Herrschern des Himmels – doch bei der Suche nach bioinspirierten Flugtechnologien wurden die Flugsaurier und andere fossile Luftakrobaten bisher weitgehend übersehen. Das sollte sich nun ändern, sagen Forscher. In einer Veröffentlichung zeigen sie das Potenzial der modernen Paläontologie als Inspirationsquelle für die Entwicklung von neuen Flugtechnologien auf.

Bionik heißt das Fachwort: Schon lange lassen sich Forscher und Entwickler von Vorbildern aus der Natur inspirieren, um verschiedene technische Herausforderungen zu meistern. Denn die biologischen Konzepte sind stark optimiert, da sie teils auf Jahrmillionen der Evolution basieren. Besonders in der Luftfahrttechnik richtete sich der Blick auf die Flugkünstler der Natur – die Vögel, Fledermäuse und Insekten. Bis heute liefern sie wichtige Anstöße für Konzepte beim Design von Flugzeugen oder Drohnen. Ein Blick in die Vergangenheit der „tierischen Luftfahrt“ ist in der Bionik hingegen bisher unüblich, berichten die Forscher um Liz Martin-Silverstone von der University of Bristol.

Paläontologie als Inspirationsquelle für die Technik?

Wie sie erklären, ist ein Grund dafür, dass paläontologische Informationen traditionell eher ungenau erscheinen, da sie oft auf der Untersuchung fragmentarischer Fossilien beruhen. Inwieweit dies wirklich zutrifft, haben Martin-Silverstone und ihr Kollegen nun hinterfragt. Sie haben dazu Studien über Flugsaurier (Pterosaurier) und andere fossile Flugspezialisten ausgewertet. Ihr Fokus lag dabei auf der Frage, ob sich Potenziale für die bioinspirierte Flugtechnologie abzeichnen.

Wie die Forscher berichten, gibt es einige Pterosaurierfossilien, die erstaunlich detaillierte Einblicke in die Anatomie ihrer Flügel und damit ihrer Flugfähigkeiten gewähren. Besonders interessant ist bei diesen Tieren, dass ihre Konzepte ausgesprochen lange erfolgreich waren und erstaunliche Leistungen ermöglichten: Ihre zahlreichen Vertreter flogen rund 160 Millionen Jahre lang über den Himmel – viel länger als es die Vögel bisher geschafft haben. Sie brachten auch die größten und schwersten Wesen hervor, die sich jemals in die Luft erhoben haben: Mit über zehn Metern Spannweite schwebten diese Giganten einst über den Horizont. Die Flugsaurier starben auch nicht etwa aus, weil sie „veraltete Modelle“ waren: Der Asteroideneinschlag vor etwa 65 Millionen Jahren fegte sie gemeinsam mit den Dinosauriern gewaltsam von der Bühne der Evolutionsgeschichte.

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Auf manche Fossilien lohnt sich der Blick

Aus der Sicht der Bionik stellt sich vor allem die Frage, wie sich diese großen Tiere in die Luft beförderten und wie ihre Flugmembranen den aerodynamischen Belastungen standhalten konnten. Denn dabei handelt es sich um Aspekte, die nach wie vor eine technische Herausforderung darstellen. „Es gibt zwei oder drei absolut erstaunlich detailliert erhaltene Pterosaurierfossilien, die die verschiedenen Schichten innerhalb der Flügelmembran erkennen lassen und uns somit Einblicke in ihren Feinbau geben können“, berichtet Martin-Silverstone. Einige Fossilien sind auch so gut erhalten, dass die Verbinungen der Flughäute mit dem Körper erkennbar sind, berichten die Wissenschaftler. „Selbst wenn die Form des Flügels nicht genau erkennbar ist, könnte man durch die Kenntnis der Membranverankerung die Wirksamkeit verschiedener Flügelformen modellieren und bestimmen, welche unter natürlichen Bedingungen am besten funktionierten“, so Martin-Silverstone.

Es scheint sich auch abzuzeichnen, dass die Pterosaurier technisch interessante Startverfahren nutzten. Die Umsetzung des Sprungstarts, durch den sich einige Vögel oder Fledermäuse auf einen Schlag in die Luft befördern können, hat sich bisher als knifflig herausgestellt. Mit zunehmender Größe wird er auch für Vögel problematisch. Doch die über 200 Kilogramm schweren Flugsaurierarten entwickelten offenbar alternative Methoden, um sich in die Luft zu katapultieren. Einer Hypothese des Co-Autors Mitautor Mike Habib vom Natural History Museum of Los Angeles County zufolge könnten es spezielle Anpassungen der Muskulatur sowie der Merkmale der Ellbogen und Handgelenke den Tieren ermöglicht haben, ohne viel Anlauf abzuheben. „Die genauere Untersuchung solcher Fähigkeiten könnte dazu beitragen, technische Probleme etwa beim Design bestimmter Drohnen zu lösen“, so Martin-Silverstone.

Uralte Konzepte mit Potenzial

Wie die Forscher weiter berichten, könnten die Pterosaurier auch Erkenntnisse darüber liefern, wie sich Fluginstabilitäten in der Luft verhindert lassen. Denn im Gegensatz zu einigen technischen Konzepten, die bei starkem Wind instabil werden, haben Pterosaurier offenbar Strategien entwickelt, um das Flattern ihrer breiten Flügel zu verhindern. „Bisher gibt es immer noch Optimierungsbedarf bei der Entwicklung von Fluganzügen mit Membranen, die dem Druck beim Flug standhalten können. Wenn wir verstehen, wie die Flügelmembran der Flugsaurier aufgebaut war, können wir möglicherweise bessere Lösungen entwerfen“, so Martin-Silverstone. Wie sie und ihre Kollegen berichten, bieten einige Fossilien dazu durchaus das Potenzial.

Neben den Pterosauriern richten die Wissenschaftler den Blick auch auf Vertreter der geflügelten Dinosaurier. Einige haben demnach Konzepte hervorgebracht, die ebenfalls technisch interessante aerodynamische Effekte hervorbrachten. Ein Beispiel ist der sogenannte Microraptor. Er besaß gefiederte Flügel und Beine und flog wohl mit einer Art Doppeldecker-Strategie. Ein anderer kleiner Dinosaurier kombinierte hingegen Federn mit einer fledermausähnlichen Membran, was ihm offenbar ebenfalls spezielle Fähigkeiten vermittelte. „Wenn wir nur moderne Tiere als Inspirationsquelle betrachten, ignorieren wir womöglich viele Optionen, die technisch nützlich sein könnten“, ist Martin-Silverstone überzeugt.

Deshalb wollen sie und ihre Kollegen mit ihrer Veröffentlichung nun Wissenschaftler zu einer verstärkten Zusammenarbeit anregen: „Wir wollen, dass sich Entwickler auch an Paläontologen wenden, wenn sie nach Lösungen für Flugprobleme suchen, denn es könnte ein ausgestorbenes Wesen geben, das als Vorbild dienen kann“, sagt Martin-Silverstone abschließend.

Quelle: Cell Press, Fachartikel: Trends in Ecology & Evolution, doi: 10.1016/j.tree.2020.03.005

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