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Hat Apple die Welt verändert?

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Hat Apple die Welt verändert?
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Steve Wozniak und Steve Jobs 1976 mit ihrem ersten Computer. Das Bild zeigte Jobs bei einer Präsentation. (Foto: Bloomberg/Getty Images)
Vor 40 Jahren bastelten zwei Amerikaner mit Vornamen Steve in einer Garage im kalifornischen Örtchen Mountain View an einer Apparatur herum, die bald als Computer die Welt erobern sollte. Am 1. April 1976 – kein Aprilscherz – hatten Steve Wozniak und Steve Jobs den dreiseitigen Gründungsvertrag unterzeichnet. Damit riefen sie ihre „Apple Computer Company“ ins Leben, die das Leben der Menschen auf dieser Welt veränderte. Ein Technikgenie und ein Verkaufstalent hatten sich gesucht und gefunden, um etwas in Gang zu setzen, das 40 Jahre später als wertvollstes Unternehmen auf diesem Globus gefeiert wird. Man darf herzlich gratulieren und einen Blick auf die historische Kulisse wagen.

In Deutschland genießen Historiker innerhalb und außerhalb der akademischen Welt einen großen Ruf, der nur von Philosophen oder Sozialwissenschaftlern übertroffen wird. Wenn sich Geschichtswissenschaftler einem Publikum zuwenden, betonen sie gerne, dass es die Aufgabe ihrer Zunft sei, die Gegenwart begreiflich zu machen. Dabei richten sie ihr Interesse immer mehr auf die jüngsten Epochen unserer Zeitrechnung. Das heißt, Historiker halten sich nicht mehr mit dem Mittelalter, der Renaissance oder dem 19. Jahrhundert auf, sondern schreiben Bücher mit Titeln wie „21.0“ oder „Eine kurze Geschichte der Gegenwart“.

Diese beiden Abhandlungen verfasste Andreas Rödder von der Universität Mainz. Seine mutigen Darstellungen beginnen damit, was allgemein als „digitale Revolution“ bezeichnet wird. So erfährt der Leser, was sich im Jahr 1976 abgespielt hat: Ein Computerspezialist der Firma Hewlitt Packard namens Wozniak gründet mit seinem Freund Jobs in der Garage von dessen Eltern die Firma Apple. Im ersten Jahr ihres Bestehens verkaufen die beiden 200 Computer und verzeichnen 1982 einen Jahresumsatz von mehr als zwei Milliarden Dollar.

Die Welt schrumpft

Die beiden Gründer – und andere Nerds wie Bill Gates – „gelangten wie im 19. Jahrhundert die Stahlbarone und Eisenbahnkönige zu märchenhaftem Reichtum“, wie Rödder seinen Lesern versichert. Er bezeichnet die Verbindung zwischen Kapitalismus und kalifornischer Hippie-Kultur als „Informationskapitalismus“ und schwärmt von vielen weiteren technologischen Möglichkeiten. Offenbar – so der Historiker – hat die Menschheit eine neue Stufe der Industriellen Revolution erreicht, die sie der Kombination aus Mikroelektronik und Digitalisierung verdankt und durch die globale Vernetzung mittels Internet gelungen ist.

Völlig neu ist das alles nicht, wie Rödder weiß. Bereits 1943 (!) notierte der Schriftsteller Stefan Zweig: „Die Welt ist verändert, seit es möglich ist, in Paris gleichzeitig zu wissen, was in Amsterdam, Moskau und Neapel und Lissabon in derselben Minute geschieht.“ Damals hatten Telegraphie und Elektrizität Raum und Zeit erstmals kräftig zusammenschrumpfen lassen. Das iPhone, das Apple zum wertvollsten Unternehmen der Welt machte, verdichtete dieses Schrumpfen auf die winzige Fläche eines Glasdisplays.

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Keine Frage, „die Welt ist verändert“ – nicht nur 1943, sondern erst recht 2016. Wenn immer mehr iPhone-süchtige Menschen den aufrechten Gang, die stolze Errungenschaft ihrer Evolution, aufgeben, um zu einer Kopf-unten-Generation zu werden. Man möchte nur gerne verstehen, wie diese Veränderung und mit ihr die erlebte Gegenwart zustande gekommen ist – und denkt, da könnten die Historiker helfen. Das sei doch ihre selbstgestellte Aufgabe, wie eingangs erwähnt. Aber man wird enttäuscht. Zwar schwärmt Andreas Rödder von vernetzten Wirklichkeiten, Hyperkonnektivität und künftigen Dimensionen der Digitalisierung, aber nirgendwo erfährt der Leser, welche Kraft und welches Streben urtümlich hinter all diesen Entwicklungen steckt.

Wo bleibt die Wissenschaft?

Die Gegenwart erklären heißt doch nicht, die Gründung einer Firma zu melden, die dann erfolgreiche Produkte entwickelte und die Welt mit Computern und anderen elektronischen Geräten versorgte. Die Gegenwart erklären heißt doch, das Treiben der Menschen zu verstehen, die als Physiker etwa Halbleiter untersuchten und dabei kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Transistoren konstruierten, mit denen sich erste Chips fertigen und dann zuverlässige Rechenmaschinen bauen ließen.

Die Gegenwart erklären heißt weiter, auf die Geschichte der Wissenschaft einzugehen, die es überhaupt möglich machte, Halbleiter so einzusetzen, dass sie elektrische Ströme steuern und verstärken konnten. Die Gegenwart erklären heißt insgesamt, das wissenschaftliche Treiben verständlich zu machen, auf der all die digitalen Entwicklungen aufbauen konnten, die heute die Märkte bestimmen und das Börsengeschehen beherrschen. Diese Grundlage wurde nicht vor 40, sondern vor 400 Jahren gelegt, und zwar nicht in einer alten Garage, sondern auf dem alten Kontinent, den man Europa nennt. Denn im frühen 17. Jahrhundert gelang dank Galilei und Co. die Geburt der modernen Wissenschaft.

Apple mag das wertvollste Unternehmen in der Finanzwelt sein – obwohl es in jüngster Zeit zu wackeln beginnt –, aber die Wissenschaft ist sicher die wertvollste Unternehmung in der Geschichte der Menschheit, auf die nach wie vor Verlass ist. Es wäre schön, mehr Historiker würden das zur Kenntnis nehmen und davon erzählen.

© wissenschaft.de – Ernst Peter Fischer
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