Auf der Zielgeraden
Die Gerüchteküche brodelt schon seit Tagen. Und hinter den Kulissen gab es beim CERN lange Diskussionen, was denn nun wie mitgeteilt werden soll. Denn sowohl CMS als auch ATLAS haben bereits letztes Jahr ein Signal bei Energien um etwa 125 Gigaelektronenvolt aufgespürt, das auf die Existenz des Higgs-Teilchens hindeutet. Allerdings war die statistische Signifikanz noch zu gering, um von ?Indiz? oder gar von ?Entdeckung? zu sprechen. Selbst eine später kombinierte Auswertung lag unter drei Sigma Standardabweichung, dem Kriterium für ?Hinweis?. Die magischen fünf Sigma, die Konvention für Entdeckung, das heißt eine Fehlerunsicherheit von nur 1 zu 1,74 Millionen, sind auch mit den bisherigen Daten noch nicht gewährleistet. Aber fast!
Seit März 2012 arbeitet der LHC fast ununterbrochen mit einer Kollisionsenergie von 8 Teraelektronenvolt ? Weltrekord in der Geschichte der Teilchenphysik. Wenn alles nach Plan so weiter läuft, wird es schon im Herbst dieses Jahres klar sein, ob das Standardmodell-Higgs-Teilchen existiert oder nicht. Das hat CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer bereits letztes Jahr im Interview mit bild der wissenschaft versprochen. Und auf einer Konferenz im März war Heuer noch zuversichtlicher: Der LHC ist bereits auf der Zielgeraden bei der Higgs-Suche.
Ein Blick in die Zukunft
Zwar gibt es nichts Schwierigeres, als Prognosen zu machen ? vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Aber dass morgen schon die Entdeckung des Higgs-Teilchens verkündigt wird ? also von den Wissenschaftlern, manche Medien werden da sicher anders ticken ?, das darf man heute schon ausschließen.
Denn selbst ein glasklares Signal, zum Beispiel bei 125 Gigaelektronenvolt, ist noch kein Beweis für das Higgs-Teilchen. Dazu sind auch Daten über andere Zerfallsvorgänge nötig, die ATLAS und CMS noch nicht in ausreichendem Maße haben. Außerdem müssen die Physiker das Verhalten des Higgs-Kandidaten studieren sowie seine Eigenschaften. So lange beispielsweise nicht feststeht, dass sein Spin (?innerer Drehimpuls?) den Wert 0 hat, ist auch nicht erwiesen, dass es das lang ersehnte Teilchen ist, das anderen Elementarteilchen ihre träge Masse vermittelt.
Doch das Warten wird bald ein Ende haben. ?Ob es sich wirklich um ein Higgs-Teilchen handelt, werden wir wohl im Herbst sagen können?, sagt Thomas Müller, Physik-Professor am Institut für Experimentelle Kernphysik am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT). ?Denn dazu brauchen wir auch Daten zu seinen Kopplungen, zu seinem Spin und aus den fermionischen Zerfallskanälen. Solche Messungen haben wir momentan noch nicht in ausreichendem Maße.?
Somit heißt es wie in den Abenteuergeschichten: Fortsetzung folgt!
Bis morgen also!