Es gibt rund tausend Fledermausarten, die für ihren Beutefang auf das Echoortungssystem angewiesen sind. Sie senden Ultraschallrufe aus, die im Idealfall von einer leckeren Beute wie beispielsweise einem Insekt zurückgeworfen werden. Je nach Art nutzen die fliegenden Säuger dabei unterschiedlich hohe Frequenzen -angepasst an ihre jeweilige Umgebung und ihre Beute. Das ausgeklügelte System hat allerdings einen Haken: Wie weit das Ultraschallsignal reicht, hängt unter anderem von der Lufttemperatur ab: Wärmere Luft schluckt die höheren Frequenzen stärker, dafür breiten sich tiefe Frequenzen besser aus. Dieser physikalische Fakt aber wirft die Frage auf, ob und wie sich der Klimawandel künftig auf die Echoortung der Fledermäuse auswirken könnte. Jinhong Luo und seine Kollegen von dem Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen haben diese Frage nun untersucht.
Ultraschall-Signale in warmer Luft
Für ihre Studie fütterten sie ein Computermodell zunächst mit Daten zur abendlichen Lufttemperatur in den gemäßigten Breiten und in den Tropen. „Denn viele Fledermausarten gehen abends in den ersten Stunden nach Sonnenuntergang auf Beutefang“, erklären die Forscher. In den Szenarien für den Klimawandel erhöhten sie diese Temperaturwerte um 2 und um 4°C. Dann simulierten sie, wie weit sich Ultraschalllaute von Frequenzen zwischen 10 und 150 Kilohertz (kHz) in Luft unter diesen Bedingungen ausbreiten. Aus diesen Simulationen ermittelten die Forscher, wie weit eine Beute maximal entfernt sein darf, um noch erkannt zu werden und auch, wie laut der Ruf sein muss, um eine bestimmte Tragweite zu behalten.
Das Ergebnis: Die globale Erwärmung beeinflusst die Echoortung von Fledermäusen tatsächlich – aber je nach Art und Klimazone unterschiedlich. Die Arten mit hochfrequenten Rufen verlieren bei zwei oder vier Grad wärmerer Luft deutlich an Reichweite, wie die Modelle zeigten. Besonders betroffen sind davon viele Arten der hohen und gemäßigten Breiten, da ihre Rufe nicht an ohnehin warme und feuchte Luft angepasst sind. „Um das auszugleichen, müsste eine Fledermaus der gemäßigten Breiten ihre Frequenz um 14 kHz senken oder aber ihre Lautstärke um 4,9 Dezibel erhöhen – das entspricht fast einer Verdopplung der Amplitude“, erklären die Forscher. Arten mit einer niedrigen Ruffrequenz werden dagegen sogar profitieren: Die Reichweite ihrer Echoortung vergrößert sich sogar. In Europa liegen demnach vier von fünf im Flug jagende Fledermausarten über der Frequenzschwelle, ab der die Reichweite abnimmt. Neun dagegen darunter.
Verschiebung im Arten-Gleichgewicht
„Das ist das erste Beispiel dafür, dass der Klimawandel auch direkt auf die Sinneswahrnehmung von Tieren wirkt“, konstatieren Luo und seine Kollegen. Und dieser Effekt könnte weitreichende ökologische Folgen haben: Verschlechtert sich der Jagderfolg einer Fledermausart, nimmt ihre Populationsdichte ab, eine andere Art profitiert und nimmt an Zahl zu. Dadurch kann sich das gesamte Artengleichgewicht in einem Gebiet stark verändern.
Theoretisch wäre es zwar möglich, dass sich die Fledermäuse anpassen, indem sie beispielsweise ihre Frequenz senken. „Das aber ist ein zweischneidiges Schwert“, wie die Forscher betonen. Denn dadurch verringert sich auch die Auflösung des Beutesignals. Bei einigen Fledermausarten ist zudem das gesamte Echoortungssystem nur auf eine einzige Frequenz hin optimiert. Wenn das Tier tiefer rufen würde, könnte sein hochspezialisierter Empfangsapparat das reflektierte Signal nicht mehr verarbeiten. Und noch etwas kommt hinzu: Die meisten Fledermäuse haben lange Generationszeiten, der Klimawandel geht aber sehr schnell vonstatten. „Die Zeit könnte ihnen daher nicht reichen, um evolutionäre Anpassungen zu entwickeln“, warnen die Forscher.