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Technik|Digitales

Künstliche Intelligenz für digitale Zwillinge

KI-Systeme à la Darwin wühlen sich durch die industriellen Abläufe und fördern dabei wie im Bergbau wertvolle Nuggets zutage – das erklärt, warum Fachleute wie Wil van der Aalst das Konzept dahinter als „Process Mining“ bezeichnen. Zum Weltmarktführer auf diesem Feld ist ein deutsches Unternehmen aufgestiegen, das erst 2011 von drei Studenten der TU München gegründet wurde: Celonis.

Vom Start-up zum Schwergewicht

Noch vor wenigen Jahren ein kleines Start-up-Unternehmen, hat Celonis heute einen Marktwert im zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich und Tausende von Firmen als Kunden, darunter Großkonzerne wie ABB, Bosch, Coca-Cola, die Deutsche Telekom, IBM, Lufthansa und Siemens. Im September 2021 konnte Celonis, dessen drei Gründer Ende 2019 mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet wurden, zudem den Aachener Vordenker Wil van der Aalst als „Chief Scientist“ gewinnen.

Auf dem KI-Kongress „Smarte Maschinen im Einsatz“ berichtete Rick Schneider, Senior Data Scientist bei Celonis, warum Unternehmen aller Art auf Process Mining setzen: „In großen Firmen gibt es oft Tausende von Systembrüchen, unterschiedlichste Programme und nicht zusammenpassende Abläufe – hier setzen wir an.“ Denn mithilfe von Künstlicher Intelligenz kann die Celonis-Software komplexe Prozesse anhand ihrer Datenspuren durchleuchten, sie bis in die feinsten Verästelungen analysieren und die Punkte finden, an denen es hakt.

Mit diesen Informationen lässt sich dann termingerechter fertigen, Rechnungen werden schneller bearbeitet, Nacharbeiten, unnötige Lagerbestände, Emissionen und Abfallmengen werden reduziert. Flugzeuge fliegen pünktlicher, im Supermarkt werden die Regale rechtzeitig nachbestückt, und in der Notaufnahme von Kliniken verkürzen sich die Wartezeiten. Immer öfter findet das Execution Management System von Celonis die Fehler nicht nur, sondern hilft auch, sie zu beheben. Manchmal gelingt das sogar automatisch, „weil die Software Störungen in Echtzeit feststellt und dann entsprechende Arbeitsabläufe anstößt“, wie Schneider erklärt.

„Besonders wichtig ist, dass das auch über Prozessgrenzen und die Silos der IT-Systeme hinweg gelingt“, sagt der Datenexperte. „Den digitalen Schatten ganzer Lieferketten können wir damit schon erstellen.“ Mit automatisierten Feedback-Schleifen und Simulationen – den sogenannten Was-wäre-wenn-Szenarien – sei Celonis auch auf dem besten Weg dahin, digitale Zwillinge komplexer Prozesslandschaften zu erschaffen.

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So konnte mit der Celonis-Software ein Materialhersteller frühzeitig Verspätungen bei seinen Zulieferern erkennen und daraufhin automatisch Aufträge seiner eigenen Kunden nach Prioritäten ordnen. Und einer Bank gelang es dank digitaler Prozess-Simulationen, Szenarien für ihre Kreditvergabe durchzuspielen und unnötige Kosten zu vermeiden.

Der Faktor Mensch

Allerdings: Der digitale Zwilling eines gesamten Unternehmens ist nach wie vor eine Vision. „Das hat vor allem zwei Gründe“, erklärt Wil van der Aalst. „Zum einen lassen sich die Grenzen einer Organisation nicht klar abstecken, und zum anderen ist menschliches Verhalten mitunter irrational und ändert sich im Lauf der Zeit.“ Denn eine Firma besteht ja nicht nur aus ihren Fabrikhallen und Produktionsprozessen, sondern vor allem auch aus ihren Mitarbeitern, Lieferanten und Kunden – und deren vielfältigen sozialen Wechselwirkungen.

Menschen haben persönliche Vorlieben, und ihr Verhalten wandelt sich, wenn sich Teamstrukturen, Vorschriften oder politische Rahmenbedingungen ändern. Ein drastisches Beispiel ist der Zusammenbruch nicht nur der Lieferbeziehungen, sondern auch vieler langjähriger Kooperationen und persönlicher Kontakte im Lauf der Sanktionen gegen Russland – ein digitaler Zwilling, der so etwas berücksichtigen könnte, ob mit oder ohne Künstliche Intelligenz, ist noch in weiter Ferne. Für sinnvolle Unternehmensentscheidungen ist daher die Klugheit von Menschen nach wie vor unverzichtbar.


ULRICH EBERL hat mehrere Bücher über Künstliche Intelligenz geschrieben und den Kongress „Smarte Maschinen im Einsatz“ mitorganisiert und moderiert.

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