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Künstliche Neuronen entwickelt

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Künstliche Neuronen entwickelt
Eine "künstliche Nervenzelle" in einer Schutzhülle auf einer Fingerspitze. (Bild: University of Bath)

Sie erhalten Signale und senden dann selbst spezielle Impulsmuster: Das komplexe Verhalten von Neuronen im Nervensystem haben Forscher nun erstmals erfolgreich auf Halbleiterchips übertragen. Es ist ihnen zudem gelungen, den Energiebedarf dieser künstlichen Neuronen sehr gering zu halten. Die neue Technologie könnte somit zur Entwicklung von Implantaten führen, die Funktionen von gestörten Schaltkreisen im Nervensystem wiederherstellen, wie beispielsweise bei neurologischen Erkrankungen oder Verletzungen.

„Zentrale an Herz: Schneller schlagen!“ Was bei solchen Steuerungsprozessen in unserem Körper im Detail abläuft, ist hochkomplex. Die kleinsten Einheiten in dem entsprechenden Signalsystem bilden dabei die Neuronen. Sie sind über Fortsätze mit anderen Nervenzellen verknüpft und bilden Einheiten, die wiederum untereinander vernetzt sind und das gesamte Nervensystem des Körpers einschließlich des Gehirns bilden. Die Neuronen der jeweiligen Untergruppen übernehmen dabei spezielle Funktionen: Sie bekommen elektrische Impulse aus übergeordneten Einheiten, worauf sie wiederum selbst mit einem speziellen Signalverhalten reagieren. Im Fall des Herzens erhalten spezielle Neuronen Signale aus dem Nervensystem, die sie in Steuerimpulse für die optimal angepasste Leistung des Pumporgans umsetzen.

Wie lassen sich gestörte Nervenschaltkreise reparieren?

Sind solche neuronalen Steuerungssystem gestört, kommt es zu körperlichen Problemen. So gibt es Herzerkrankungen, bei denen Neuronen nicht richtig auf Signale des Nervensystems reagieren und deshalb die Pumpleistung nicht mehr optimal regeln können. Ähnliches ist auch bei anderen medizinischen Problemen der Fall, bei denen die Nervenfunktionen durch degenerative, krankhafte oder verletzungsbedingte Prozesse beeinträchtigt sind. Aus diesem Grund arbeiten Wissenschaftler bereits seit einiger Zeit an Verfahren, die eine Reparatur von gestörten Schaltkreisen ermöglichen sollen. Doch die Entwicklung von technischen Einheiten, die wie ihre natürlichen Vorbilder auf elektrische Signale des Nervensystems reagieren, hat sich als eine knifflige Herausforderung erwiesen. Doch nun vermelden die Forscher um Alain Nogaret University of Bath einen Durchbruch auf diesem Gebiet.

Es ist ihnen zunächst gelungen, genau zu erfassen, wie bestimmte Neuronen auf elektrische Reize von anderen Nerven reagieren. Das entsprechende Verhalten haben sie dann durch Gleichungen modelliert. Wie sie betonen, war dies knifflig, denn die Antworten der Neuronen auf Impulse sind komplex: Wenn ein Neuron etwa ein doppelt so starkes Signal bekommt, bedeutet das nicht unbedingt, dass auch seine Reaktion doppelt so intensiv ist – es kann ein ganz neues Impulsmuster die Folge sein, sagen die Forscher. Dennoch konnten sie am Ende das natürliche Reaktionsverhalten von Nervenzellen präzise simulieren. „Es handelt sich um einen Durchbruch, da wir nun eine Methode entwickelt haben, um die elektrischen Eigenschaften realer Neuronen bis ins kleinste Detail zu reproduzieren“, sagt Nogaret.

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Mit „Nerven-Software“ programmierte Chips

Anschließend haben die Forscher Siliziumchips entwickelt, die mit dem Reaktionsverhalten natürlicher Neuronen programmiert werden können. Sie haben ihnen nun zunächst die Merkmale von Hippocampus-Neuronen und Atemwegsneuronen von Ratten gegeben. Tests zeigten: Die Chips reagieren auf eine Vielzahl von Impulsen wie ihre natürlichen Vorbilder. Wie die Forscher betonen, besitzen die künstlichen Neuronen dabei noch ein weiteres wichtiges Merkmal: „Sie benötigen nur 140 Nanowatt Energie. Dadurch eignen sich diese künstlichen Neuronen gut für die Entwicklung von bioelektronischen Implantaten“, sagt Nogaret.

Die Forscher haben bereits konkrete Anwendungen im Visier: „Zum Beispiel entwickeln wir intelligente Herzschrittmacher, die das Herz nicht nur zum gleichmäßigen Schlagen anregen können. Durch die künstlichen Neuronen könnten diese Geräte in Echtzeit die Herzleistungen den Anforderungen anpassen, wie es natürlicherweise der Fall ist“, sagt Nogaret. Darüber hinaus sind auch Anwendungen zur Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer denkbar, sagen die Wissenschaftler. Co-Autor Julian Paton von der University of Bristol sagt: „Die Nachbildung der Reaktionen von Neuronen durch Bioelektronik, die miniaturisiert und implantiert werden kann, eröffnet enorme Möglichkeiten für die Entwicklung von intelligenter Medizintechnik“, resümiert der Wissenschaftler.

Quelle: University of Bath, Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-019-13177-3

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