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Künstliche Zellen werden kommunikativ

Technik|Digitales

Künstliche Zellen werden kommunikativ
Signalmoleküle (blau) verbreiten sich im künstlichen Zellverband und ermöglichen eine Kommunikation durch die Membranen hindurch. (Bild: A. Dupin / TUM)

Synthetische Biologie heißt das Stichwort: Nachbildungen natürlicher Strukturen sollen der Erforschung biologischer Prozesse dienen und auch Anwendungen ermöglichen. In diesem Zusammenhang berichten deutsche Synbiologen nun von einem wichtigen Fortschritt: Es ist ihnen erstmals gelungen, künstliche Zellen zu erzeugen, die im Verbund untereinander Signalmoleküle austauschen können. Diese Kommunikation kann die Herstellung von RNA oder Eiweißen in den synthetischen Gebilden auslösen.

Es handelt sich um ein neues, spannendes, aber auch umstrittenes Forschungsfeld: Im Rahmen der synthetischen Biologie entwickeln Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen Systeme mit biologischen Merkmalen, die in der Natur nicht vorkommen. Dabei gibt es drei unterschiedliche Zielsetzungen beziehungsweise Strategien. Manche Forschergruppen versuchen, Organismen auf ihre allernotwendigsten Systemkomponenten zu reduzieren. Andere bauen hingegen synthetische Elemente in Lebewesen ein, um ihnen neue Eigenschaften zu geben. Dabei handelt es sich um diejenige Zielrichtung im Rahmen der Synbiologie, die bei vielen Menschen Bedenken auslöst.

Bei der dritten Kategorie werden hingegen keine mikrobiologischen Mischwesen erzeugt: Den natürlichen Vorbildern folgend entwickeln Forscher aus künstlichen Komponenten und chemischen Verbindungen Systeme, die bestimmte Eigenschaften von Lebewesen aufweisen. Konkret arbeiten Wissenschaftler derzeit daran, künstliche, zellartige Systeme herzustellen, die in der Lage sind, das Verhalten lebender Organismen nachzubilden. Diesem Ziel widmen sich auch die Forscher um Friedrich Simmel von der Technischen Universität München.

Mikro-Gewebe mit interner Kommunikation

Wie die Forscher berichten, ist es ihnen nun gelungen, künstliche Zellverbände mit interner Kommunikation zu erzeugen. Aufgebaut sind sie aus 10 bis 100 Mikrometer kleinen zellartigen Einheiten. Es handelt sich um Tröpfchen, die von einer Fettschicht – einer Lipidmembran umschlossen sind. Im Inneren befinden sich biochemische Reaktionslösungen sowie genetisches Material. Unter bestimmten Bedingungen können in den künstlichen Zellen dadurch RNAs oder Eiweiße gebildet werden – sie besitzen somit die Fähigkeit zu einer Art Genexpression.

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Um die Zellen der Mikro-Gewebe untereinander in Verbindung treten zu lassen, haben die Forscher winzige Proteinkanäle in die Membranen der „Synzellen“ eingebaut, über die sie Signalmoleküle austauschen können. Dass dieses Konzept tatsächlich funktioniert, haben die Forscher durch Versuche dokumentiert: Sie konnten chemische Pulse durch den Zellverband schicken und somit Informationen verbreiten. Damit ließen sich die Zellen zeitlich und räumlich miteinander koppeln. Das System wurde somit ähnlich dynamisch wie natürliches Gewebe.

Der Natur einen Schritt näher

Wie die Forscher berichten, ließen sich die Signale sogar nutzen, um die anfänglich identischen Zellen des Verbands zu unterschiedlicher Entwicklung anzuregen. „Unser System ist ein erster Schritt hin zu gewebeähnlichen, synthetischen biologischen Materialien, die komplexes raumzeitliches Verhalten zeigen und in denen sich einzelne Zellen ähnlich wie biologische Organismen spezialisieren oder ausdifferenzieren könnten“, resümiert Simmel.

Doch welchem Zweck kann ein solches Nachbasteln biologischer Systeme dienen?
Wie die Forscher erklären, tragen die Modelle zum Verständnis bei, wie das höhere Leben entstanden sein könnte. Denn komplexere Organismen waren erst möglich, als sich Zellen spezialisierten und die Arbeit zwischen Zellen aufteilen konnten. Wie dieses komplexe System entstanden ist, ist eine der spannendsten Fragen in der Grundlagenforschung, betonen die Wissenschaftler. Doch ihnen zufolge sind durchaus auch zweckdienliche Anwendungen der Gebilde der Synbiologie möglich: Die künstlichen Zellverbände könnten sich als Minifabriken nutzen lassen, um gezielt bestimmte Biomoleküle zu produzieren, sagen die Forscher mit Blick in die Zukunft.

Quelle: Technische Universität München, Nature Chemistry,  DOI: 10.1038/s41557-018-0174-9

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