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Mehr Saft über den Wolken

Technik|Digitales

Mehr Saft über den Wolken
Flugzeugtriebwerke bringen eine enorme Leistung und sind sehr zuverlässig. Neue Entwicklungen sollen die Jet-Turbinen vor allem sauberer, leiser und sparsamer machen.

Was heute Flugzeuge antreibt

Es war ein Top-Ereignis. Rund 10 000 Neugierige und etliche Journalisten drängelten sich auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen, als dort am 29. Oktober 2005 zum ersten Mal ein A380 landete. Der Riesenvogel des europäischen Flugzeugbauers Airbus, der 2006 in Dienst gestellt werden soll, setzt neue Maßstäbe im Flugverkehr: Auf zwei Etagen bietet er Raum für 555 Passagiere – das sind mehr als anderthalbmal so viele wie auf den 332 Sitzplätzen eines Jumbo-Jets Platz finden, dem bislang größten Verkehrsflugzeug der Welt.

Neben der Verwendung neuartiger Werkstoffe, die den 73 Meter langen fliegenden Giganten mit einem Leergewicht von 277 Tonnen relativ leicht machen, richtete sich das Augenmerk der Entwickler vor allem auf die Triebwerke. Sie, so die Vorgabe, sollten besonders leise und umweltverträglich sein. Um das zu erreichen, haben die Triebwerkhersteller Engine Alliance (mit dem GP7200) und Rolls Royce (mit dem Trent 900) eine neue Generation von Flugzeugturbinen entwickelt. Damit verbraucht der A380 – als erstes Langstreckenflugzeug – pro 100 Kilometer und Passagier unter drei Liter Treibstoff. Damit weist der neue Jet von Airbus ähnliche Verbrauchswerte auf wie ein sparsames Auto. Der Durchschnittsverbrauch der bisherigen Großflugzeuge liegt bei 3,5 Liter Kerosin pro Passagier und 100 Kilometer Flugstrecke.

Auch das Konkurrenzprodukt zum Airbus A380, der 7E7 Dreamliner des US-amerikanischen Flugzeugherstellers Boeing – zurzeit noch in Entwicklung –, setzt auf besonders effizient arbeitende Triebwerke. Durch neue Aggregate, geliefert von Rolls Royce und General Electric, wird die Boeing 7E7 rund 20 Prozent weniger Kraftstoff als heutige Flugzeuge vergleichbarer Größe verbrauchen und entsprechend weniger Schadstoffe ausstoßen, verspricht der Flugzeugbauer aus Seattle.

Dass sich sparsame Antriebe sowohl für die Umwelt als auch für die Fluggesellschaften rechnen, belegen Zahlen. So trägt der Flugverkehr laut dem Luftfahrtverband IATA (International Air Transport Association) immerhin 13 Prozent zum gesamten weltweiten Verbrauch an Kraftstoff bei. Und: Die steigenden Ölpreise haben dazu geführt, dass der Anteil der Ausgaben für Kerosin an den Gesamtausgaben der Luftfahrtunternehmen von 13 Prozent im Jahr 2002 auf 24 Prozent 2005 gewachsen ist.

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Ohne Verbrennungsmotoren wäre die Luftfahrt heute schlichtweg nicht möglich. Große Passagierflugzeuge, Kampfjets, Höhenforschungs- und Geschäftsreiseflugzeuge – alle nutzen Düsentriebwerke. Die sind mittlerweile die effizientesten Verbrennungsmaschinen überhaupt. Große Triebwerke liefern einen Startschub von 400 000 Newton – das entspricht einer Leistung von etwa 30 000 Kilowatt oder 42 000 PS. Am anderen Ende des Spektrums stehen kleine Triebwerke für acht- bis zehnsitzige Firmenjets, etwa das 5300 Newton starke Williams FJ33–4A. Der Wirkungsgrad der einzelnen Komponenten – Fan, Verdichter, Brennkammer und Turbine – liegt mittlerweile deutlich über 90 Prozent.

Ein Düsentriebwerk saugt Luft in einen Verdichter ein, der sie komprimiert und erhitzt. Der heiße Luftstrom schießt unter hohem Druck in die Brennkammer, wo Treibstoff eingespritzt wird und das Gemisch sich entzündet. Aus der Brennkammer entweichen die heißen Gase in die Turbine, deren Schaufeln sie antreiben. Bei Turbofan-Triebwerken, die heute in den meisten Flugzeugen stecken, liefert die Turbine auch Kraft für den großen Fan. Der Fan, der im Prinzip ein gigantisches Gebläse ist, sorgt für zusätzlichen Schub (siehe Kasten „Woraus ein Triebwerk besteht“ ).

Zivile Triebwerke sind für konstante und wirtschaftliche Dauerleistungen ausgelegt. Dagegen muss ein Militärtriebwerk hohe Beschleunigungswerte liefern und auch in extremen Fluglagen noch funktionieren. Sein neuralgischer Punkt ist der Lufteinlauf. Denn sobald das Triebwerk nicht optimal mit Luft versorgt wird, sind Schäden oder Ausfälle die Folge. Also lässt sich der Einlaufkanal durch komplexe Klappensysteme an die Geschwindigkeit anpassen. Außerdem sorgt ein Nachbrenner für zusätzlichen Schub. Der Pilot kann Treibstoff in die Abgasdüse einspritzen und hat so schlagartig mehr Schub zur Verfügung.

Einige wenige Militärtriebwerke verfügen über bewegliche Schubdüsen – etwa das britische Rolls Royce Pegasus 105. Es treibt die britischen Senkrechtstarter vom Typ Harrier an.

Propellerturbinen stehen im Schatten der leistungsfähigeren Düsentriebwerke. Propellerturbinen oder Turboprops sind der Motor der Wahl, wenn es um Flugzeuge mit guten Langsamflugeigenschaften, kurzen Startstrecken und niedrigem Spritverbrauch geht – also um militärische Kampfzonentransporter, Verkehrsmaschinen für kurze und mittlere Strecken, aber auch um Flugzeuge zur Schulung oder für Geschäftsreisen. Hubschrauber fliegen mit Propellerturbinen, bei denen die Gasturbine einen Rotor antreibt. In der Sportfliegerei dominieren Kolbenmotoren, die ähnlich arbeiten wie der Motor eines Autos oder Lastwagens.

Der lange Weg zum Turbofan

Viele Flugpioniere scheiterten nicht an der Bauweise ihrer Möchtegern-Flieger, was ihnen fehlte, waren vielmehr geeignete Motoren. Theoretisch erschien ein reiner Rückstoßantrieb optimal, doch der lag in der Anfangszeit der Fliegerei weit jenseits des technisch Machbaren. So wurden viele Flugpioniere notgedrungen zu Triebwerkstüftlern. Sie experimentierten mit primitiven Kolbenmotoren, die mit Benzin, Gas, Azeton oder Schießpulver arbeiten sollten. Aber erst der Beginn der Entwicklung von Kolbenmotoren für Straßenfahrzeuge verschaffte auch Flugzeugen leistungsfähige Motoren.

Bis in die Fünfzigerjahre hinein flogen Flugzeuge durchweg entweder mit luftgekühlten Sternmotoren oder mit flüssigkeitsgekühlten Reihenmotoren. Beide Typen besaßen einen Propeller. Doch mit Propellertriebwerken lässt sich maximal eine Geschwindigkeit von etwa 700 bis 800 Kilometern pro Stunde erreichen. Wollte man schneller fliegen, brauchte man eine neue Antriebstechnik – und die fand man in der Gasturbine.

Deren Funktionsprinzip war schon länger bekannt. Bereits 1903 hatte der Norweger Aegidius Elling die erste selbstständig laufende Gasturbine gebaut. Der Brite Frank Whittle erhielt 1932 ein Patent für ein Triebwerkdesign für Flugzeuge, und vier Jahre später wurde der Tüftler als Entwicklungschef der neu gegründeten Firma Power Jets eingestellt. Whittles erstes Triebwerk, der Typ U, lief am 12. April 1937 zum ersten Mal auf dem Prüfstand. Nach diesem erfolgreichen Test finanzierte die britische Regierung Whittles weitere Forschungen. So entstand das W1, Whittles erstes flugtaugliches Triebwerk. Auch während des inzwischen ausgebrochenen Zweiten Weltkrieges ging die Arbeit weiter. Der englische Flugzeugbauer Gloster stattete mit Whittles Triebwerk ein Testflugzeug aus, das am 15. Mai 1941 zu seinem Jungfernflug startete.

Obwohl Whittle früher begonnen hatte, flog sein Triebwerk wesentlich später als das seines deutschen Konkurrenten Pabst von Ohain. Der hatte 1935 mit seinen Studien begonnen, ohne von Whittles Arbeiten zu wissen. Er machte den deutschen Flugpionier und Flugzeugbauer Ernst Heinkel auf sich aufmerksam und bekam in dessen Unternehmen eine eigene Abteilung. Ohains erstes Triebwerk, das HeS-1 (HeS: Heinkel-Strahltriebwerk) lief 1937 erstmals auf dem Prüfstand. Es ist der Urahn aller heutigen Düsentriebwerke. Allerdings betrieb Ohain seine erste Turbine mit Wasserstoff, nicht mit Benzin oder Kerosin. 1939 war das HeS-3 fertig, das im August 1939 der kleinen He 178 zum ersten Start eines Düsenflugzeugs verhalf.

Während die meisten Nazis die Bedeutung dessen, was da in ihrem Land gebaut wurde, nicht begriffen, erkannte der damalige Generalluftzeugmeister Ernst Udet das Potential der He 178 und ihres neuartigen Triebwerks sofort. Udet verantwortete die Rüstungsprogramme der Deutschen Luftwaffe. Er unterstützte von Ohain und Heinkel, sodass das Folgetriebwerk HeS-8 bereits 1941 fertig war und in ein Flugzeug eingebaut werden konnte. Am 5. April 1941 startete der erste Düsenjäger der Welt, die Heinkel He 280, ausgestattet mit zwei HeS-8-Triebwerken zu seinem Erstflug. Der erste im Krieg eingesetzte Düsenjäger wurde allerdings der von der Firma Messerschmitt gebaute Me 262.

Bei Kriegsende arbeiteten deutsche Ingenieure bereits an den ersten Propellerturbinen. Ihre Erkenntnisse flossen in die Projekte der Siegermächte ein. Das neue Turbinen-Triebwerk blieb jedoch zunächst auf die militärische Luftfahrt beschränkt. Zivile Flugzeuge besaßen weiter Kolbenmotoren. Erst 1948 flog ein erstes ziviles Passagierflugzeug mit Strahltriebwerken. Allerdings war es lediglich ein umgebautes Propellerflugzeug, mit dem man testweise Daten sammeln wollte.

Treiber des technischen Fortschritts blieb auch nach 1945 das Militär, das während des Kalten Krieges immer leistungsfähigere Kampfflugzeuge forderte. Zunächst waren das Jagdflugzeuge, denn der Spritverbrauch der ersten Jettriebwerke war zu hoch für Langstreckenbomber. Die Leistung sollte steigen, ohne dass die Triebwerke größer werden durften. Man gab die Radialverdichter zugunsten der Axialverdichter auf. Anfang der Sechzigerjahre verfügten dann Ost und West über Kampfjet-Triebwerke, die Geschwindigkeiten über Mach 2 erlaubten – also mehr als die doppelte Schallgeschwindigkeit von 1200 Kilometern pro Stunde.

Mitte der Sechzigerjahre forderten die Militärs Kampfflugzeuge, die Mach 3 überschreiten sollten. Aber am Ende kamen nur zwei dieser hochgezüchteten Jets zum Einsatz: die SR-71 aus den USA und die sowjetische MiG-25. Die SR-71 flog bis zu Mach 3,3 schnell. Die MiG-25 und ihre Weiterentwicklung MiG-31 brachten es auf etwa Mach 3. Die in diesen Kampfjets eingesetzten Triebwerke waren die stärksten ihrer Zeit. Sie bildeten den Schlusspunkt einer Entwicklung, die immer schnellere Flugzeuge forderte. Sie nutzten eine Wasser-Methanol-Einspritzung, um jenseits von Mach 2 noch schneller zu werden.

Die ersten zivilen Düsentriebwerke waren Abarten militärischer Triebwerke, so genannte Turbojets. De Havilland Ghost-Triebwerke, eigentlich für einen leichten britischen Jäger konzipiert, trieben auch die De Havilland Comet an, das erste Düsenverkehrsflugzeug der Welt. Die Comet flog bereits 1949, aber Probleme mit der Druckkabine verzögerten ihre Serienreife bis in die Fünfzigerjahre. Da hatte sich Boeing mit der 707 bereits einen höheren Marktanteil gesichert.

Zunächst stieg die Zivilluftfahrt vom Kolbenmotor auf den Turboprop um, bei dem eine Gasturbine einen Propeller bewegt. Turboprops waren leistungsfähiger als Kolbenmotoren und wirtschaftlicher als die frühen Jettriebwerke. Auch war das Risiko bei Turboprop-Flugzeugen geringer, wie die Serie von Comet-Abstürzen in den Fünfzigerjahren zeigte. Ihre Wirtschaftlichkeit führte dazu, dass Turboprops bis heute manche Regionalverkehrsflugzeuge, Trainingsflugzeuge und Hubschrauber antreiben. Der Durchbruch des Düsentriebwerks erfolgte mit der Boeing 707 und ihren kleineren Verwandten wie der 727 und der 737. Sie flogen zunächst mit Turbojets, doch in den Sechzigerjahren setzten sich die Turbofans immer mehr durch. Das erste Turbofan-Triebwerk war das Rolls Royce Conway. Turbofans sind wesentlich sparsamer und leiser als Turbojets. Heute fliegen damit alle zivilen Jets.

Das Triebwerk von morgen

Für die Triebwerkentwickler besteht kein Grund, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Der Luftverkehr, und damit der Absatzmarkt für Flugmotoren, wächst zwar stetig. Doch er tut das unter hohem Kostendruck und immer strikteren Umweltauflagen. Günter Wilfert, der beim Motorenbauer MTU die Abteilung Technologiestrategie leitet, sieht drei Trends für die künftige Entwicklung: „Der Spritverbrauch muss sinken, die Triebwerke müssen leiser und die Abgaswerte gedrosselt werden.“ Die ACARE, das Advisory Council for Aeronautics Research in Europe, hat Industrie und Forschung bis 2020 anspruchsvolle Ziele gesetzt: Die Triebwerke sollen um 50 Prozent sparsamer, 50 Prozent leiser und 80 Prozent sauberer werden.

Auch die steigenden Spritpreise spornen die Ingenieure an, Triebwerke mit höherem Wirkungsgrad – und damit geringerem Spritverbrauch – zu entwickeln. Und der Triebwerklärm muss nicht nur wegen der Flughafen-Anwohner begrenzt werden. Auch da spielen Kosten eine Rolle: „Landegebühren werden nach dem Lärm der Jets festgesetzt“, sagt Reinhard Mönig, Leiter des Kölner Instituts für Antriebstechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Die Forscher stellen daher alle Triebwerkkomponenten auf den Prüfstand. Der Fan lärmt am meisten. Er könnte leiser werden, wenn man ihn langsamer laufen ließe. Um seinen Wirkungsgrad zu steigern, müsste er aber gleichzeitig größer sein. Doch dann würde das Triebwerk zu groß und ließe sich nicht mehr unter der Tragfläche anbringen – einem optimalen Platz: Die Triebwerkgondel stört die Aerodynamik des Flügels nicht. Und am Boden kann man das am Flügel hängende Triebwerk leicht reparieren oder austauschen.

Die Turbine erreicht ihre beste Wirkung bei hohen Drehzahlen. Will man also beides in einem Triebwerk haben – einen möglichst hohen Wirkungsgrad und möglichst leise Betriebsgeräusche –, muss man zwischen Fan und Turbine ein Getriebe einbauen. Dadurch entsteht ein so genanntes Getriebefan-Triebwerk, in dem sich der Fan langsam und die Turbine schnell dreht.

Eine zweite Variante für ein weiterentwickeltes Triebwerk stellt der gegenläufige Fan dar. Hier drehen sich zwei Fanstufen in entgegengesetzter Richtung. Der Wirkungsgrad steigt zwar dadurch, aber das Triebwerk ist lauter als heutige Aggregate. Denn die aneinander vorbei wirbelnden Fanschaufeln verdichten die Luft so stark, dass sie sich mit einem lärmenden Knallen wieder entspannt. Die Entwickler suchen derzeit noch nach technischen Lösungen, um diesen Lärm zu unterdrücken.

Geräuschdämpfung ist zum einen durch passive Maßnahmen wie den Einsatz von Dämmstoffen oder ein lärmarmes Design der Turbinenschaufeln möglich. Die zweite, noch recht neue Möglichkeit ist das Erzeugen von Gegenschall über Lautsprecher. Dabei registrieren Mikrofone ständig die Schallfrequenz. Ein Computer erzeugt dann Schall derselben Frequenz, aber mit symmetrisch entgegengesetzter Amplitude, der dem Schall der Turbine überlagert wird. Die Folge: Beide Schallwellen heben sich auf. Allerdings funktioniert das erst bei wenigen Frequenzen.

Auf den Fan folgt der Verdichter. Wirbelnde Schaufelkränze bringen die angesaugte Luft auf hohen Druck und leiten sie weiter in die Brennkammer. Der Verdichter braucht sehr viel Raum. Damit er kleiner und kompakter werden kann, wollen die Flugzeug-Ingenieure den Druck darin erhöhen. Auch im Verdichter entsteht Lärm – durch Luftwirbel zwischen den Blattspitzen und dem Gehäuse. Diese Wirbel kosten obendrein Leistung. Man will ihnen künftig durch ein spezielles Schaufeldesign begegnen.

In der Brennkammer entstehen bei rund 1000 Grad Celsius Ruß, Stickoxide und andere Verbrennungsprodukte. „Das Kerosin wird sehr fett verbrannt – das bedeutet: mit einem hohen Anteil von Kerosin im Kerosin-Luft-Gemisch“, nennt Reinhard Mönig das größte Problem der Forscher in dieser Triebwerkkomponente. Das Ziel ist eine möglichst magere Verbrennung. Dann aber wird der Verbrennungsprozess instabil. Ein Forschungsprojekt des DLR soll die Grundlagen erkunden, wie sich dennoch eine magere Verbrennung anwendungsreif machen lässt.

Aus der Brennkammer schießt die Luft mit 1600 bis 1800 Grad Celsius in die Turbine. „Es gibt keine Werkstoffe, die diese Hitze aushalten“, sagt Reinhard Mönig. Daher kühlten bereits die Konstrukteure der ersten Düsentriebwerke die Schaufelblätter mit Luft, die aus dem Verdichter abgeführt wird. Diese Luft strömt durch nadelfeine Kanäle durch die Turbinenschaufeln. Im heißeren, vorderen Bereich tritt sie durch haardünne Löcher aus und hüllt die Schaufel in ein kühlendes Polster. Schaufeln, die weiter hinten sitzen, werden nur von innen durchströmt.

Doch weil die Luft aus dem Verdichter entnommen wird, schmälert sie die Leistung. Deshalb würden die Entwickler gern mit weniger Kühlluft auskommen. Das bedeutet mehr Effizienz und spart Kerosin. Ein Weg dorthin sind neue Werkstoffe – etwa aus Keramik. Ein anderer Weg ist das „aktive Triebwerk“, wie es der Motorenbauer MTU zusammen mit anderen europäischen Herstellern derzeit entwickelt. Es besitzt einen intelligenten Verdichter, der sich stets dem jeweiligen Flugzustand anpasst. Egal ob Start oder Reiseflug, der Verdichter arbeitet so jederzeit optimal.

Zum aktiven Triebwerk gehört auch die Regelung der Kühlluft für heiße Triebwerkbereiche. Das Problem: Kühlen kostet Energie. Also soll der Fluss der kühlenden Luft je nach Flugzustand dosiert werden. So wird mehr Luft für den Antrieb frei – und die Lebensdauer heißer Triebwerkteile steigt. Kernstück dieser Lösungen ist ein von MTU entwickelter Wärmetauscher, der kompakt und widerstandsfähig genug ist, um ein ganzes Triebwerkleben hindurch zu funktionieren.

MTU hat ein Testtriebwerk gebaut, in dem Wärmetauscher und Getriebefan gemeinsam geprüft wurden. Dieser auch „rekuperatives Triebwerk“ genannte Flugzeugmotor erreicht als bislang einziger die ACARE-Ziele. „Der Wärmetauscher befindet sich in der Abgasdüse und führt Wärme zurück ins Triebwerk“, erläutert MTI-Technologiestratege Günter Wilfert. Die so zurückgewonnene Energie heizt die Luft auf, bevor diese in die Brennkammer fließt. Dadurch muss das Triebwerk weniger Kerosin verbrennen, um seine Arbeitstemperatur zu halten. Der Wärmetauscher spart rund 20 Prozent Treibstoff ein.

Allerdings reicht der Wärmetauscher allein nicht aus. Ein sauberes, leises und sparsames Triebwerk der Zukunft braucht zusätzlich einen Getriebefan und einen Zwischenkühler. Der Zwischenkühler verhindert, dass die Luft vor dem Verdichter zu heiß wird. Solche Triebwerke wären an sich etwas schwerer als heutige Flugzeugantriebe. Bauteile aus leichteren Materialien könnten das aber ausgleichen. Ein aktives Triebwerk mit Wärmetauscher, Zwischenkühler und Getriebefan soll um 2015 als Prototyp vorliegen und spätestens zehn Jahre später in Serie gehen.

Den großen Entwurf hat niemand in der Tasche. Gefragt ist daher ein optimaler Mix aus verschiedenen Technologien. Denn keine der neuen Lösungen ist ohne ungünstige Auswirkungen auf das Gewicht oder die technische Komplexität zu haben. So ist auch das im neuen Riesen-Airbus A380 steckende Triebwerk Rolls Royce Trent 900 ein Kompromiss: Weil es möglichst wenig Lärm machen soll, haben seine Konstrukteure einen etwas höheren Spritverbrauch in Kauf genommen. ■

Friedrich List

Ohne Titel

Axialverdichter

komprimieren die Luft durch mehrere Sätze sternförmig angeordneter Schaufeln, die entlang der Triebwerksachse angebracht sind. Sie wurden bereits in den ersten in Deutschland gefertigten Serientriebwerken von BMW und Junkers verwendet und sind inzwischen allgemein gebräuchlich.

CLEAN

Die Buchstaben stehen für „Component Validator für Environmentally-Friendly Aero-Engine“. Mit diesem Projekt wies der Turbinenhersteller MTU die Machbarkeit eines rekuperativen Triebwerks oder Wärmetauscher-Triebwerks nach.

Rekuperatives Triebwerk

Düsentriebwerk mit Wärmetauscher im Abgasstrahl: Der Wärmetauscher leitet Hitze zurück ins Triebwerk. Mit ihr wird in die Brennkammer fließende Luft vorgewärmt, sodass in der Brennkammer selbst weniger Kerosin verbraucht werden muss. Zusätzlich ist vor dem Verdichter ein Zwischenkühler erforderlich, der verhindert, dass der Verdichter sich überhitzt. Der Wirkungsgrad eines rekuperativen Triebwerks ist deutlich höher als der einer konventionellen Düsenturbine.

Radialverdichter

Radialverdichter nutzen die Zentrifugalkraft und leiten die Luft nach außen an die Gehäusewand. Von dort strömt sie weiter in die Brennkammer. Die ersten Radialverdichter hatten den Vorteil, auf die Verdichter von Kolbenmotoren aufzubauen – und damit eine erprobte Technik nutzen zu können. Sie sind robust und leicht zu bauen, doch sie sind auch groß und nicht besonders leistungsfähig. Daher gab man ihren Einsatz in den Sechzigerjahren auf.

Turbinenschaufel

Eines der wichtigsten Bauteile eines Düsentriebwerks: Die Schaufeln sitzen auf Ringkränzen im Verdichter, zum einen in der Turbine und zum anderen vorne im Fan. Man unterscheidet zwischen beweglichen oder Rotorschaufeln und fest eingebauten oder Statorschaufeln. Statorschaufeln stecken im Verdichter. Turbinenschaufeln bestehen aus sehr widerstandsfähigen Metalllegierungen und haben in ihrem Inneren dünne Kanäle, in denen Kühlluft zirkuliert. Ihre Herstellung erfordert bis zu 50 Arbeitsgänge. Auf dieses Bauteil wirken während des Betriebs Zentrifugalkräfte, die einer Last von mehreren Tonnen entsprechen.

Nebenstromverhältnis

Dieser Zahlenwert gibt das Verhältnis zwischen dem heißen Luftstrom aus der Turbine und dem kalten Luftstrom aus dem Fan an. Heutige Triebwerke haben ein Nebenstromverhältnis von 1 : 6 bis 1 : 7. Entwickler zielen auf ein Verhältnis von 1 : 10 bis 1 : 12.

Ohne Titel

Turbojet

Die einfachste Bauart des Strahltriebwerks besteht aus einer Gasturbine, deren komprimierter Abgasstrahl den Schub erzeugt. Verdichter und Turbine sind über eine Welle miteinander verkoppelt. Einen Fan gibt es nicht. Turbojets haben bei geringen Geschwindigkeiten einen niedrigen Wirkungsgrad, verbrauchen viel Sprit und sind sehr laut. Sie wurden bis in die Sechzigerjahre hinein verwendet – in der Militärluftfahrt sogar länger, während die Zivilfliegerei zügig auf den wirtschaftlicheren Turbofan umstieg.

Turbofan

Er heißt auch Mantelstromtriebwerk, benannt nach dem Luftstrom, den der Fan vor dem eigentlichen Triebwerk erzeugt. Dieser Mantel- oder Nebenstrom hüllt den heißen Schubstrahl aus der Düse wie einen Mantel ein. Zurzeit ist der Turbofan die am häufigsten verwendete Bauart von Düsentriebwerken. Der Nebenstrom wird zusätzlich zum Abgasstrahl der Turbine zur Schuberzeugung genutzt und liefert in modernen Triebwerken sogar 90 Prozent des Schubs. Die Turbine treibt also überwiegend den Fan an. Das macht das Triebwerk wirtschaftlicher und sparsamer. Der Mantelstrom dämpft außerdem den Lärm des heißen Abgasstrahls aus dem Kerntriebwerk. Turbofans haben zwei koaxiale Wellen.

Turboprop

Dieser Triebwerkstyp – auch Propellerturbine genannt – steckt in kleineren Verkehrsflugzeugen und mehrmotorigen Privatflugzeugen, militärischen Transportern und Seeüberwachungsflugzeugen sowie Hubschraubern. Das Prinzip: Eine Gasturbine bewegt einen Propeller. Der Schub des Triebwerks spielt beim Antrieb kaum eine Rolle. Die ersten Propellerturbinen kamen in großen Passagiermaschinen der Fünfzigerjahre zum Einsatz. Zu jener Zeit erschienen auch die ersten Turbinenhubschrauber.

Staustrahl-Triebwerk

Es verdichtet Luft nicht durch Verdichter, sondern durch Staudruck. Der baut sich auf, wenn Luft sehr schnell von vorne in ein nach hinten konisch zulaufendes Rohr strömt. Dahinter folgen eine Brennkammer und eine Abgasdüse. Staustrahl-Triebwerke kommen fast ohne bewegliche Teile aus und sind sehr schubstark. Allerdings können sie keinen Standschub erzeugen. Ein Staustrahl-Flugzeug braucht daher ein spezielles Starttriebwerk oder eine wegklappbare Verdichterstufe im Eintrittsrohr. Die Technologie wäre ideal für Hochgeschwindigkeitsflugzeuge, doch die technische Entwicklung ist noch nicht weit genug. Die NASA erprobt den unbemannten Flugkörper X-43, um Daten für Triebwerks- und Flugzeugentwürfe zu sammeln. In Frankreich, den USA und Deutschland wurden Staustrahl-Triebwerke bereits im Flug erprobt. Eingesetzt werden sie bislang jedoch nur in Flugabwehrraketen und Seeziel-Lenkwaffen.

Ohne Titel

Ein modernes Düsentriebwerk setzt sich zusammen aus Fan, Verdichter, Brennkammer, Turbine und Austrittsdüse. Es saugt Luft durch den Einlauf in den Verdichter. Dort wird die Luft komprimiert und gleichzeitig erhitzt. Der Luftstrom schießt mit einem Druck von über 20 Bar und etwa 200 Grad Celsius heiß in die Brennkammer. Dort spritzen kleine Düsen Kerosin ein. Das Gemisch entzündet sich, Temperatur und Druck steigen. Aus der Brennkammer entweichen die heißen Gase in die Turbine. Dort treffen sie auf Schaufelringe, die um die zentrale Achse des Triebwerks laufen. Die ersten Reihen – auch Statorreihen genannt – sind fest installiert. Sie dienen dazu, den brennenden Gasstrom gleichzurichten. Der Gasstrom trifft dann auf die beweglichen Schaufeln der Turbine, die Rotoren.

Die Turbine treibt den Verdichter an, aber auch Anbaugeräte wie Stromgeneratoren und Druckerzeuger für die Hydraulik. Beim Turbofan-Triebwerk, der heute üblichen Triebwerkbauweise, liefert sie außerdem Kraft für den großen Fan vor dem eigentlichen Triebwerk. Der Fan – im Prinzip ein gigantisches Gebläse – sorgt für zusätzlichen Schub. Der Luftstrom des Fans wird auch als Nebenstrom bezeichnet.

Im hinteren Teil der Turbine kühlt sich die heiße Luft stark ab, weil sie sich auf ihrem Weg durch die Schaufelreihen ausgedehnt hat. Sie hat jedoch immer noch einen höheren Druck und eine höhere Temperatur als die Außenluft. Im konisch zulaufenden Austrittsrohr wird sie erneut komprimiert, um so viel Druck und Hitze wie möglich in Schub für das Flugzeug umzuwandeln.

Bei Turbofan-Triebwerken liefert der Nebenstrom bis zu neun Zehntel des Schubs. Je größer dieser Nebenstrom im Verhältnis zur Luftmenge ist, die durch das Triebwerk strömt, desto leiser und sparsamer ist der Motor. Ziel der Entwickler ist daher ein möglichst hohes Nebenstromverhältnis.

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log  〈Math.; Abk. für〉 Logarithmus, (wenn die Basis nicht explizit angegeben ist) Logarithmus auf der Basis 10

in|for|ma|ti|ons|tech|no|lo|gisch  〈Adj.〉 die Informationstechnologie betreffend, auf ihr beruhend

Ne|ben|win|kel  〈m. 5; Math.〉 Winkel, der mit einem andern Winkel den Scheitel u. einen Schenkel gemeinsam hat, die beiden anderen Schenkel bilden eine Gerade

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