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Mit Gold und Licht gegen das Beschlagen

Materialforschung

Mit Gold und Licht gegen das Beschlagen
Gesichtsmasken verschärfen das Beschlagen von Brillen. Clevere Nanotechnologie kann das Problem offenbar bekämpfen (rechts). © ETH Zürich

Mit Nanotechnologie gegen den benebelten Blick: Forscher haben eine raffinierte Beschichtung entwickelt, die durch einen „Hauch von Gold“ und mithilfe von Sonnenlicht das Beschlagen von Scheiben effektiv verhindern kann. Die Gold-Nanoschicht absorbiert den Infrarotanteil des Lichts und wandelt ihn in Wärme um. Sichtbare Strahlung wird hingegen kaum beeinträchtigt, wodurch die Schicht transparent bleibt. Die Herstellung ist vergleichsweise einfach und das zum Patent angemeldete Konzept eröffnet verschiedene Einsatzmöglichkeiten, die über Brillen und Windschutzscheiben hinausgehen, sagen die Wissenschaftler.

Jeder kennt wohl diesen lästigen Effekt: Ein feiner Film behindert die Sicht durch Brillenglas, Windschutzscheibe und Co. Dazu kommt es, wenn durch einen Abfall der Temperatur oder einen Anstieg der Luftfeuchtigkeit Wasser auf der Oberfläche kondensiert. Die entstehenden Tröpfchen sorgen dann für den getrübten Blick. Um das Beschlagen zu verhindern, werden bisher vor allem zwei Verfahren eingesetzt: Bestimmte Substanzen in Antifog-Sprays sollen die Bildung der feinen Tröpfchen unterbinden. Außerdem kann Wärme bekanntlich für ihr Verschwinden sorgen. Auf diese Weise wird auch das Kondenswasser im Auto beseitigt: Die Windschutzscheibe wird durch das Heizungsgebläse erwärmt und die Heckscheibe wird durch feine Heizdrähte auf erhöhte Werte gebracht.

Nanotechnologie als Alternative

Doch diese Konzepte erfordern Aufwand oder eine Verbindung zu einer Energiequelle. Bereits seit einigen Jahren arbeitet deshalb ein Forscherteam der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) an einem alternativen Konzept: Sie wollen dem Beschlagen durch passiv beheizte Oberflächenbeschichtungen beikommen. Die Wissenschaftler haben bereits zuvor erste Prototypen ihres Systems entwickelt, doch erst jetzt haben sie ihr Konzept entscheidend verbessert und damit offenbar auf den Weg zur Marktreife gebracht. Es handelt sich um eine nur zehn Nanometer dicke Beschichtung, die auf Scheiben unterschiedlicher Art aufgebracht werden kann. Sie besteht aus einer hauchdünnen Schicht von Goldpartikeln, die zwischen zwei feinen Lagen aus Titanoxid eingebettet ist.

Schematische Darstellung des Aufbaus der Beschichtung. © ETH Zürich

Für den Erwärmungseffekt sorgen dabei die speziellen optischen Eigenschaften der Gold-Nanoschicht: Sie absorbiert selektiv den Infrarotanteil einfallender Strahlung und wandelt ihn in Wärme um. Darin steckt erhebliches Potenzial, denn die Hälfte der im Sonnenlicht enthaltenen Energie liegt im Infrarotspektrum. Den sichtbaren Anteil lässt die Gold-Nanolage hingegen weitgehend ungehindert passieren – so kann die Schicht transparent bleiben, erklären die Wissenschaftler. Die Lagen aus Titanoxid tragen ihnen zufolge zusätzlich zur Effizienz des Systems bei: Aufgrund ihrer lichtbrechenden Eigenschaften erhöhen sie die Wirksamkeit. Darüber hinaus dient die oberste Lage als Schutzschicht vor mechanischen Belastungen.

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Effektiv für Durchblick gesorgt

Wie die Forscher berichten, belegen Tests die Leistungsfähigkeit des Konzepts: „Unsere Beschichtung absorbiert einen großen Teil der Infrarotstrahlung und erwärmt sich dadurch um bis zu acht Grad Celsius über der Umgebungstemperatur“, sagt Erst-Autor Iwan Hächler von der ETH. Dadurch können Scheiben unter realistischen Bedingungen effektiv vor dem Beschlagen geschützt werden, zeigten Experimente. „Der photoinduzierte Wärmeeffekt verhindert das Beschlagen selbst bei bewölkten Bedingungen“, schreiben die Wissenschaftler. Wie Hächler betont, ist dabei die Befürchtung unbegründet, dass sich ein Auto oder Räume im Sommer durch die Beschichtung verstärkt aufheizen könnten: „Die Scheibenbeschichtung absorbiert die Infrarotstrahlen der Sonne, was die Scheibe gezielt erwärmt und verhindert dadurch, dass die Strahlung in das Innere des Autos oder eines Raumes gelangt. Dadurch heizt sich der Innenbereich sogar noch weniger auf als ohne die Beschichtung“, so Hächler.

Neben Brillen, Windschutzscheiben und Fenstern gibt es weiteres Anwendungspotenzial für das System, sagen die Entwickler. Es kann letztlich überall dort eingesetzt werden, wo es Bedarf für Beschlagschutz transparenter Systeme mit wenig Aufwand gibt – etwa auch im Fall von optischen Sensoren. Die Entwicklung geht zwar nun weiter, doch die ETH Zürich hat die Beschichtung bereits zum Patent angemeldet. Wie das Team betont, ist auch das eher unproblematische Herstellungsverfahren ein wichtiger Positivaspekt im Hinblick auf einen praktischen Einsatz: Die Beschichtung wird durch Methoden hergestellt, die in der Produktion bereits weit verbreitet sind. In einem Reinraum werden die Schichten dabei mittels Aufdampfen im Vakuum auf die Oberfläche aufgebracht. Das teure Gold wird in solch geringen Mengen eingesetzt, dass die Materialkosten niedrig bleiben. Zum Vergleich: Ein gewöhnliches Blattgold ist zwölfmal dicker als die dreilagige Schicht des Systems, betonen die Entwickler.

Quelle: ETH Zürich, Fachartikel: Nature Nanotechnology, doi: 10.1038/s41565-022-01267-1

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