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Neuer Star am Solar-Himmel

Technik|Digitales

Neuer Star am Solar-Himmel
Forscher sehen Perowskit als Hoffnungsträger für die künftige Nutzung der Sonnenenergie.

Der Energiehunger der Menschheit wächst scheinbar unaufhaltsam. Ihn zu stillen wäre kein Problem, wenn sich dazu unbegrenzt die Energie nutzen ließe, die die Sonne permanent zur Erde schickt. Schon ein Prozent davon würde genügen, um den globalen Energiebedarf vollständig zu decken.

Doch diese unerschöpfliche Quelle anzuzapfen, ist nicht trivial. Noch leben die Menschen in einer Ära, in der fossile Brennstoffe in riesiger Menge verheizt werden – was den globalen Klimawandel beschleunigt. Der Haken an der Nutzung der Solarenergie ist, dass die Strahlung der Sonne diffus und unregelmäßig auf die Erde trifft – und sich der Sonnenstrom nicht für eine spätere Nutzung aufbewahren lässt. Doch mit Solarzellen eines neuartigen Typs ließe sich dieses Problem lösen. Sie bestehen aus Perowskit – einem natürlich vorkommenden Mineral, das vor allem Kalzium, Titan und Sauerstoff sowie Spuren von Metallen wir Blei oder Nickel enthält. Manche Forscher sprechen beim Blick auf daraus gefertigte Solarzellen bereits von einem „ Durchbruch“. Denn die Zellen erlauben es, Solarstrom einfach und kostengünstig in Wasserstoff zu verwandeln – und damit für später aufzubewahren.

Dabei dient die Natur als Vorbild: Pflanzen gewinnen durch Photosynthese aus Wasser Sauerstoff und verwandeln Kohlendioxid in Kohlenwasserstoffe. Als Energiequelle für diese chemischen Prozesse dient ihnen das Sonnenlicht. Allerdings: Der Gesamtwirkungsgrad der natürlichen Photosynthese – das Verhältnis zwischen aufgenommener Solarenergie und der Energie, die in den Reaktionsprodukten gespeichert ist – beträgt gerade mal ein Prozent. Für eine technologische Nutzung wäre das viel zu wenig, um rentabel zu sein.

Ebenso wenig wäre es eine gute Idee, den Strom aus Solarzellen zur Spaltung von Wasser per Elektrolyse zu nutzen – ein Verfahren, das technisch bereits seit Langem angewandt wird, aber recht teuer ist. Kein Wunder also, dass Forscher seit Jahren in einem weltweiten Wettbewerb versuchen, eine „künstliche Photosynthese“ mit höherem Wirkungsgrad zu realisieren, um damit Sonnenenergie für verschiedenste Anwendungen einzufangen und aufzubewahren – zum Beispiel in Form von Wasserstoff, der sich als Kraftstoff mit hoher Energiedichte verwenden lässt.

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Mehr Spannung ist gefragt

Die Herausforderung: Um Wasser in seine chemischen Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen, muss eine elektrische Grundspannung von 1,23 Volt an dem System anliegen. Dazu addieren sich zwei sogenannte Überpotenziale, die die beiden Teilreaktionen für Wasserstoff und Sauerstoff antreiben. Sie erfordern eine zusätzliche Spannung von 0,1 und 0,3 Volt. Aufsummiert benötigt eine praktikable Wasserspaltung per Sonnenstrom also Solarzellen, die mindestens 1,7 Volt, besser noch 1,8 bis 2 Volt Spannung liefern. Silizium-Zellen erzeugen pro Einheit aber nur 0,6 Volt. Um damit Elektrolyse zu betreiben, müssen drei bis vier solche Zellen in Serie geschaltet werden – eine technisch aufwendige Komplikation.

Bislang hatten Forscher beim Erzeugen von Wasserstoff mithilfe der Photovoltaik daher die Wahl zwischen zwei Übeln: entweder teuer oder ineffizient. Ende 2013 war weltweit eine Gesamtleistung von etwa 140 Gigawatt in Photovoltaik- Anlagen installiert (Deutschland: 36 Gigawatt), Tendenz: stark steigend. Doch die heute meistens eingesetzten Silizium- Solarzellen gelten nicht als zukunftsfähige Lösung, um eines Tages allein den Energiebedarf der Menschheit zu stillen – zumal für ihre Herstellung seltene und teure Edelmetalle wie Platin, Ruthenium oder Iridium nötig sind.

Damit sich ein System zum Spalten von Wasser als technisches Massenprodukt durchsetzen kann, muss es vier wichtige Eigenschaften haben: Es muss effizient und kostengünstig sein, ohne seltene und kostbare Rohstoffe auskommen und viele Jahre der Nutzung stabil überdauern. Die Suche nach alternativen Solarzellen, die über dieses Bündel verschiedener Merkmale verfügen – und damit zweifellos ein enormes Marktpotenzial hätten –, ist seit vielen Jahren weltweit Gegenstand der Forschung. Der Schweizer Chemiker Michael Grätzel und sein Team an der Polytechnischen Hochschule Lausanne (EPFL) setzen dabei auf Zellen aus Perwoskit – und haben auf dieser Basis nun offenbar einen kostengünstigen Weg gefunden, um aus Wasser mithilfe von Sonnenlicht Wasserstoff zu gewinnen. Wie sie vor Kurzem im Fachmagazin Science berichteten, erreicht der Wirkungsgrad dieser solaren Umwandlung derzeit rund 13 Prozent.

Eine zündende Idee aus Fernost

Auf die Idee, Perowskit für Solarzellen zu nutzen, kamen zunächst japanische Forscher um Tsutomu Miyasaka an der Universität Yokohama. 2007 präsentierten sie die ersten Solarzellen, die dieses Mineral enthielten. Ihre Leistung war noch bescheiden: Sie verwandelten kaum zwei Prozent des Sonnenlichts in elektrischen Strom – und das auch nur wenige Mi- nuten lang. 2009 erreichten verbesserte Perowskit-Zellen eine Effizienz von immerhin 3,5 Prozent. Zum Vergleich: Kommerzielle Silizium-Solarzellen haben Wirkungsgrade von über 20 Prozent und halten mindestens 20 Jahre lang durch.

Doch schon im September 2013 meldeten der britische Physiker Henry Snaith und sein Team an der Universität Oxford einen Wirkungsgrad von 15 Prozent – ein gewaltiger Fortschritt innerhalb von nur vier Jahren. Und die Tendenz zeigt weiter nach oben (siehe Grafik): Snaith erwartet, dass sich die Effizienz von Perowskit- Solarzellen in den nächsten Jahren noch deutlich verbessern wird. Den Silizium-Zellen sind sie noch in anderer Hinsicht überlegen: Pro Einheit liefern Solarzellen aus Perowskit deutlich höhere Spannungen – zwischen 0,9 und 1,5 Volt. Für eine effektive Wasserspaltung reichen also zwei Elemente aus, die sich als Tandem kombinieren lassen.

Doch die aussichtsreichen neuen Zellen haben auch Schwächen: So bereitet den Forschern ihre Systemstabilität Kummer. Denn nach wenigen Stunden Betriebsdauer wird der wasserspaltende Photostrom in den Zellen schwächer. Die Ursache ist bislang unklar. Allerdings erholt sich die Leistung nach einiger Zeit wieder, was letztlich sogar günstig für einen Tag-und-Nacht-Zyklus wäre. Ein Problem könnte zudem das Blei sein, das in Perowskit steckt – auch wenn jede Solarzelle nur winzige Mengen des Schwermetalls enthält. Doch Blei ist ein Umweltgift. Der Oxforder Wissenschaftler Henry Snaith arbeitet bereits daran, den Blei-Anteil durch Zinn zu ersetzen. Das verringert derzeit zwar noch den Wirkungsgrad der Zellen, verbessert aber ihre Recyclingfähigkeit.

US-Forscher Thomas Hamann ist überzeugt: Sollten sich die Probleme dieser noch jungen und sich rasch entwickelnden Technologie lösen lassen, könnte sie schon bald alle vier Kriterien erfüllen, die es braucht, „um den Wettlauf zu solarem Wasserstoff zu gewinnen und dadurch fossile Rohstoffe aus unserer Energiezukunft zu verdrängen“. •

von Reinhard Breuer

Raketenstart bei der Energieausbeute

Perowskit-Solarzellen sind die Shooting-Stars unter den photovoltaischen Energiewandlern. Es gibt sie erst seit 2007. Doch die Forscher haben es in wenigen Jahren geschafft, ihre Eigenschaften enorm zu verbessern. Der Wirkungsgrad der solaren Exoten erreicht inzwischen rund 20 Prozent – und übertrifft damit die Effizienz vieler herkömmlichen Arten von Solarzellen.

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