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Physiker zwingen Atome zur "Geschlechtsumwandlung"

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Physiker zwingen Atome zur "Geschlechtsumwandlung"
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Durch die Überlagerung mehrerer Laserstrahlen erzeugten die Forscher ein Gitter von Lichtröhren (Bildquelle: Max-Planck-Institut für Quantenoptik).
Es gibt zwei Sorten physikalischer Teilchen, die sich kaum unterschiedlicher verhalten könnten: Bosonen und Fermionen. Während es gleichartigen Fermionen streng verboten ist, sich am gleichen Ort aufzuhalten, haben Bosonen damit keine Probleme. Einem Team aus Mainzer und Münchner Physikern ist es jetzt gelungen, bosonische Rubidium-Atome dazu zu zwingen, sich wie Fermionen zu verhalten. Die Forscher stellen ihr Experiment im Fachmagazin Nature (Bd. 429, S. 277) vor.

Das von Wolfgang Pauli (1900 bis 1958) entdeckte quantenmechanische Ausschließungsprinzip besagt, dass Teilchen mit einem halbzahligen Spin ? das sind die Fermionen ? nie die gleichen Quantenzahlen haben können. Die Quantenzahlen sind die Eigenschaften, die ein physikalisches Teilchen annehmen kann. Insbesondere gibt der Spin an, wie schnell sich ein Teilchen um sich selbst dreht.

Dieses Pauli-Prinzip ist der Grund dafür, warum sich die Materie unseres Universums fein säuberlich in ein systematisch gegliedertes Periodensystem einteilen lässt. Elektronen können nur die Spinwerte plus einhalb und minus einhalb annehmen. Da das Pauli-Prinzip nicht zulässt, dass bei zwei Elektronen alle Quantenzahlen identisch sind, muss ein drittes Elektron sich in einer anderen Quantenzahl von den beiden ersten unterscheiden. Für Elektronen, die einen Atomkern umkreisen, bedeutet das, dass sie das Atom in einem anderen Orbital umkreisen müssen.

Das gegenteilige Verhalten zeigen Bosonen. Im Jahr 1995 war es unter anderem dem deutschen Physiker Wolfgang Ketterle gelungen, ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat zu erzeugen. Dies ist ein exotischer quantenmechanischer Materiezustand, bei dem sich viele Atome am gleichen Ort befinden. Damit Atome dieses Verhalten zeigen, müssen sie bis in die Nähe des absoluten Nullpunktes bei minus 273 Grad Celsius abgekühlt werden.

Solch ein Bose-Einstein-Kondensat aus Rubidium-Atomen war auch der Ausgangspunkt für die Forscher des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching und der Universität Mainz. Mit Hilfe mehrerer Laser schufen die Physiker an der Stelle, an der sich das Bose-Einstein-Kondensat befand, eine “Falle” aus mehreren tausend zueinander parallelen “Lichtröhren”. Aufgrund der dadurch hergestellten Energieverhältnisse war es den Atomen nur möglich, sich entlang dieser Röhren zu bewegen, aber nicht senkrecht dazu. Durch Erhöhung der Intensität des Laserlichts erreichten die Teams um Theodor Hänsch und Immanuel Bloch, dass sich die Rubidium-Atome entlang der Lichtröhren verteilten.

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Damit zeigten sie aber noch nicht das typische fermionische Verhalten. Denn die Atome konnten sich entlang der Röhren frei bewegen. Insbesondere konnten sie sich gegenseitig “überholen” und damit vorübergehend die gleiche Position einnehmen. Doch durch Hinzufügen einer stehenden Lichtwelle entlang der Röhren erreichten die Wissenschaftler eine Erhöhung der “gefühlten” Masse der Atome. Dadurch wurde die Bewegungsenergie der Atome herabgesetzt. Durch das “Auf- und Abdrehen” der stehenden Welle konnten die Physiker den fermionischen Verhaltensanteil der Atome steuern.

Die Existenz solch eines “Tonks-Girardeau-Gases” war bereits vor etwa vierzig Jahren von Marvin Girardeau vorhergesagt worden. Dass es sich bei ihrer Beobachtung tatsächlich um solch ein Tonks-Girardeau-Gas handelte, konnten die Forscher durch Messung und Berechnung der Geschwindigkeitsverteilung der Atome in den Lichtröhren nachweisen.

“Wie diese Entdeckung die laufenden Forschungen über Quantencomputer und Quanteninformationstechnologien beeinflussen wird, ist noch unklar. Aber mit diesem Experiment ist uns ein aufregender Weg erschlossen worden.” So kommentiert Murray Holland von der Universität von Colorado in Boulder das Ergebnis der deutschen Physiker.

Axel Tillemans
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