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Revolution in der Küche: Ingenieure kreieren warmes Eis und Karamell ohne Zucker

Technik|Digitales

Revolution in der Küche: Ingenieure kreieren warmes Eis und Karamell ohne Zucker
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Die Kunst des Kochens ist nichts als Wissenschaft. Derart sachlich enthüllen Ingenieure aus verschiedenen europäischen Ländern derzeit die Tricks aus der Küche. Wie ein weich gekochtes Ei am besten gelingt und wie Sahne am längsten steif hält, sind einige der Fragen, die sie beschäftigen. Scheinbar nebenbei erfinden die Ingenieure dabei neue Rezepte aus natürlichen Zutaten – etwa warmes Eis. Internationale Starköche zeigten sich begeistert von den Ideen der Forscher und wollen mit den neuen Gaumenfreuden ihre Gäste überraschen.

Erlesene und frische Zutaten sind es, die den Weihnachtsstollen zur unvergesslichen Gaumenfreude machen. So schwören echte Weihnachtsbäcker auf frische Eier, Nüsse oder Trockenfrüchte und natürlich – bewährte Rezepte. Doch dies ist nur die halbe Miete. Der Geschmack wird vor allem über die Konsistenz der Zutaten festgelegt, betonen Forscher. So liegt Marzipan mit fein gemahlenen Mandeln anders auf dem Gaumen als jenes mit groben Mandelstücken. Indem die Wissenschaftler mit der Konsistenz spielen, wollen sie nun völlig neue Gerichte kreieren.

„Alleine über die Art der Mischung lassen sich neue Geschmackserlebnisse ersinnen“, berichtet Gerd Klöck, Professor für Bioverfahrenstechnik am Technologie-Transfer-Zentrum (TTZ) in Bremerhaven. Er leitet ein EU-Projekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Küche mit dem Wissen der Ingenieure zu bereichern. Dabei bedarf es keiner chemischen Zusätze. Die neue Zubereitung natürlicher Produkte ist der Schlüssel zu neuen Mahlzeiten.

Anregungen bekommen die Wissenschaftler dabei von Starköchen aus Spanien, Frankreich und Deutschland. Diese geben vor, welches Geschmackserlebnis sie ihren Gästen gerne kredenzen würden. Beispielweise wollten die Köche die Zunge ihrer Gäste mit einem Gefühl von warmen Eis überraschen. „Tatsächlich lässt sich das mit natürlichen Zutaten verwirklichen“, sagt Klöck. Das Rezept ist derzeit jedoch noch geheim.

Damit die neuen Rezepte aus der Feder der Ingenieure gelingen, müssen diese Anleihen bei der industriellen Lebensmittelherstellung machen. „In der Industrie lässt sich Temperatur und Druck exakt einstellen. Im Backofen zuhause schwankt die Temperatur meist um 20 Grad“, hebt Claudia Krines, Mitarbeiterin im Projekt am TTZ Bremerhaven hervor. So können viele der neuen Kreationen gar nicht oder zumindest nicht perfekt gelingen.

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Dies gilt sogar für bekannte Gerichte. So hat der französische Molekulargastronom Hervé This vom Landesinstitut für Agrarforschung INRA in Paris herausgefunden, dass ein weich gekochtes Ei bei 69 Grad Celsius im Wasser am vorzüglichsten gelingt. Das Eigelb wird bei dieser Temperatur kaum angegriffen. Mit dem heimischen Herd ist diese Temperatur jedoch nicht genau genug einstellbar. „Unser Ziel ist es daher auch, die erforderlichen neuen Küchengeräte für unsere Rezepte zu entwickeln“, ergänzt Krines.

Denn nicht nur Starköche und die Haute Cuisine sollen von den Entwicklungen des Projekts profitieren, sondern am Ende auch der einfache Haushalt. Beispielsweise arbeitet Krines an einem temperierbaren Küchenmixer. Mit dem Gerät soll sich Sahne so steif schlagen lassen, dass sie auch ohne chemische Zusätze zwei bis drei Tage hält. Auch in der Sauce hollandaise sehen die Forscher einen Kandidaten für den künftigen Mixer. Wird die Temperatur in der Sauce aus Eigelb und zerlassener Butter genau eingehalten, gelingt das Rezept ohne Probleme.

Mit solchen Küchengeräten könnten gängige Rezepte leichter gelingen und darüber hinaus lassen sich neue Kompositionen ausprobieren. Der französische Molekulargastronom Hervé This arbeitet gar mit Mikromischern, um Saucen und Pasten herzustellen. In den zigarrenschachtelgroßen Geräten werden in haarfeinen Kanälen zum Beispiel Kartoffelbrei, Wasser und Öl miteinander verwirbelt. In unterschiedlichen Mengen lassen sich die Zutaten auf Knopfdruck zu einer Paste vermischen. Die Art der Mischung bestimmt dabei den Geschmack. Grundsätzlich ließen sich bis zu zehn verschiedene Zutaten in einem solchen Mischer in Bruchteilen einer Sekunde zur Creme oder Sauce verarbeiten.

Die Zusammenarbeit mit den Spitzenköchen brachte die Ingenieure auf weitere ausgefallene Ideen, die sie in der nächsten Zeit testen wollen. „Bislang hat auch noch niemand versucht, Zuckerwatte oder Karamell aus Zuckerersatzstoffen herzustellen“, nennt Krines ein Beispiel.

Ein anderes Vorhaben des Projekts will ätherische Öl oder natürliche Aromen in Form von kleinen, nahezu unsichtbaren Kapseln in Gerichte bringen. So sei es möglich, beispielsweise ein Gericht nach Basilikum duften zu lassen, aber im Mund einen Geschmack nach Pfefferminze zu erzeugen. Erst auf der Zunge öffnet sich die Kapsel aus Gelatine, Stärke oder Alginat und das eingeschlossene Pfefferminzöl strömt aus. Solche Überraschungen in der Küche von morgen könnten aus den Labors der Ingenieure von heute entstehen.

Susanne Donner
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