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Röntgenlaser „erhellt“ Virus-Strukturen

Technik|Digitales

Röntgenlaser „erhellt“ Virus-Strukturen
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Darstellung des Untersuchungsprinzips: Der mit Nanokristallen beladene Chip wird vom Röntgenstrahl (grün) Pore für Pore abgerastert. Jeder Kristall erzeugt ein Streubild. (Illustration: Philip Roedig, DESY)
„Ausgeleuchtet“ bis in die atomaren Details: Forscher haben erstmals mittels eines Röntgenlasers die Strukturen eines intakten Viruspartikels erfasst. Die innovative Methode im Rahmen der Röntgenkristallographie könnte den Fortschritt in der Strukturbiologie beflügeln. Dies könnte wiederum zum Verständnis fundamentaler biologischer Vorgänge beitragen und auch zur Entwicklung neuer Medikamente führen, sagen die Forscher.

Wie genau sind bestimmte Biomoleküle aufgebaut? Die Antworten können Strukturbiologen Informationen über die Funktionsweisen der vielfältigen Lebensbausteine liefern. „Die Kenntnis der dreidimensionalen Struktur eines Proteins gibt einzigartige Einblicke in seine biologische Funktion“, sagt David Stuart von der University of Oxford. „Wenn wir beispielsweise die Struktur eines Proteins kennen, mit dem sich das Virus an Zellen anhakt, versetzt uns das möglicherweise in die Lage, einen Schutz für die Zellen zu entwickeln, sodass das Virus unfähig ist, sie anzugreifen“, erklärt der Wissenschaftler.

Aufschlussreiches Streulicht

Solche Verfahren zur Strukturdiagnose sind bereits faszinierend hochentwickelt: Die sogenannte Röntgenkristallographie hat schon tausende Strukturen von Biomolekülen aufgedeckt. Bei diesem Verfahren werden kleine Kristalle aus den zu untersuchenden Proteinen gezüchtet und dann mit energiereichem Röntgenlicht beleuchtet. Diese Strahlung wird dann von den Kristallen auf charakteristische Weise gestreut, sodass Rückschlüsse auf ihre Struktur möglich sind. So lassen sich die Bestandteile der Biomoleküle atomgenau erfassen. Doch diese Technik ist knifflig und aufwändig: Die Kristalle sind schwer zu züchten, bleiben oft winzig klein und werden schnell von der energiereichen Röntgenstrahlung beschädigt. Jeder Mikrokristall kann deshalb nur ein einziges Streubild liefern. Für eine Strukturanalyse sind aber hunderte bis tausende Streubilder nötig.

Daher schießen Forscher bisher einen feinen Flüssigkeitsstrahl mit Proteinkristallen durch einen gepulsten Laser, der in schneller Folge ultrakurze Röntgenblitze abfeuert. Jedes Mal, wenn ein Röntgenblitz zufällig einen Mikrokristall trifft, entsteht ein Streubild, das aufgezeichnet werden kann. Allerdings: „Die Trefferquote liegt typischerweise bei unter einem Prozent der Röntgenblitze, womit die meisten der kostbaren Mikrokristalle ungenutzt im Auffangbehälter landen“, sagt Co-Autor Alke Meents vom Hamburger Center for Free-Electron Laser Science.

Schub für die medizinische Forschung

Um kostbare Messzeit und Probenmaterial effizienter einzusetzen, hat das internationale Forscherteam nun ein neues Verfahren entwickelt: Die Wissenschaftler verwenden einen mikrostrukturierten Chip mit tausenden winzig kleiner Poren, auf die sich die Proteinkristalle verteilen. Der Chip wird dann mit dem Röntgenlaser so abgerastert, dass im Idealfall mit jedem Schuss des Lasers ein Streubild aufgenommen werden kann. Tests mit zwei unterschiedlichen Virenpartikeln zeigten: Mit diesem System ist tatsächlich eine Trefferquote von immerhin bis zu neun Prozent möglich. In nur 14 Minuten sammelten die Forscher so genug Daten, um die Strukturen der untersuchten Viren mit einer Detailgenauigkeit von 0,23 Nanometern zu bestimmen. „Unseres Wissens ist dies die erste atomgenaue Struktur eines intakten Viruspartikels, die an einem Röntgenlaser bestimmt werden konnte“, betont Meents.

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In einem zweiten Test untersuchte das Forscherteam um Meents einen Baustein von Viren: das Protein Polyhedrin. Es ist ein Element eines porösen Containers, in dem sich bis zu mehrere tausend Viruspartikel vor Umwelteinflüssen schützen können, um über längere Zeit intakt zu bleiben. Bei dieser Untersuchung erreichten die Forscher eine Trefferquote von bis zu 90 Prozent. „Für die Polyhedrin-Struktur haben wir nur einen einzigen Chip abscannen müssen, der mit vier Mikrogramm Proteinkristallen beladen war. Das ist Größenordnungen unter der üblicherweise benötigten Menge“, sagt Meents.

„Unser Ansatz reduziert nicht nur den Bedarf an Messzeit und Probenmenge bei den Untersuchungen drastisch, er eröffnet auch die Möglichkeit, ganze Viren mit Röntgenlasern zu analysieren“, fasst Meents zusammen. Er und seine Kollegen wollen das Verfahren nun noch weiter optimieren und hoffen auf einen durchschlagenden Effekt in der strukurbiologischen Forschung und damit letztlich auch für die Medizin.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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