Bisher sind Metallschrauben, Platten oder Nägel die Methode der Wahl, wenn komplizierte Brüche fixiert werden müssen. Die im Knochen verankerten Stützgerüste sollen diesen so lange stabilisieren, bis der Bruch verheilt ist und der Knochen wieder belastbar ist. Diese Implantate haben aber gleich mehrere Nachteile, wie Gabriel Perrone von der Tufts University in Medford und seine Kollegen erklären: Ihre Steifigkeit kann die Befestigungsstellen im Knochen beschädigen, der Fremdkörper führt oft zu Problemen bei der Wundheilung und kann Infektionen fördern und noch dazu müssen viele Metallimplantate in einer zweiten Operation wieder entfernt werden.
Um diese Nachteile auszugleichen, sind bereits einige Systeme aus resorbierbaren Polymeren entwickelt und getestet worden. Diese Materialien werden nach einigen Wochen vom Körper abgebaut und sind zudem flexibler als Metall. Allerdings haben auch sie einige Nachteile: „Sie können Entzündungen hervorrufen und führen nicht immer zu einer vollständigen und ausreichenden Regeneration des Knochens“, berichten die Forscher. Deshalb werden solche Polymer-Schrauben und -platten bisher nur für Spezialfälle wie beispielsweise die Rekonstruktion gebrochener Schädel- und Gesichtsknochen bei Kindern eingesetzt. Perrone und seine Kollegen haben nun ein Material auf seine Eignung getestet, dass gegenüber Polymeren und Metallen einige Vorteile bieten könnte: Seide.
Stabil und flexibel zugleich
Entgegen landläufiger Annahme ist Seide ein sehr stabiles Material. Werden die Fasern zu festen Blöcken vereinigt, dann entsteht daraus ein kunststoffähnlicher Naturstoff, der stabil und flexibel zugleich ist. Ähnlich wie die Polymere wird auch die Seide durch körpereigene Enzyme abgebaut. Im Laufe mehrere Wochen bis Monate zersetzt sich ein Implantat dadurch von selbst, wie Laborversuche von Perrone und seinen Kollegen belegen. Für den medizinischen Einsatz aber bringt das Naturmaterial weitere Vorteile mit: „Es bleibt bis zu 170 Grad Hitze stabil, ist säure- und laugenbeständig und kann für die Sterilisation problemlos autoklaviert werden“, berichten die Forscher. Außerdem lassen sich die Seidenschrauben problemlos in den Knochen eindrehen, die spröderen Kunststoffe erfordern dagegen vorgefräste, maßgeschneiderte Gewinde, was ihre Implantation aufwändig macht.
Wie gut sich Seidenschrauben und –platten in der Praxis beim Flicken von Knochenbrüchen bewähren, haben Perrone und seine Kollegen an Ratten getestet. Diesen implantierten sie unter Betäubung jeweils mehrere Schrauben in den Oberschenkelknochen. Aus der Narkose erwacht, waren die Ratten sofort wieder voll mobil und zeigten keinerlei Anzeichen für Schmerzen oder eine Schonung des Beines, wie die Forscher berichten. Analysen des Gewebes nach vier bis acht Wochen zeigten, dass die Seidenschrauben zu diesem Zeitpunkt schon begonnen hatten, vom Körper abgebaut zu werden, Entzündungen traten nicht auf.
„Unsere Tests demonstrieren die Eignung von Seide als Biomaterial für Knochen-Stützsysteme“, konstatieren die Forscher. Der Naturstoff habe sich als leicht zu fertigendes, verträgliches und stabiles Stützmaterial erwiesen. Schon jetzt hat sich Seide in vielen medizinischen Bereichen bewährt, beispielsweise als Schwämme, Gewebe oder Fasern. Diese Spanne um orthopädische Implantate zu erweitern, liegt daher ihrer Ansicht nach nahe. In zukünftigen Versuchen wollen die Wissenschaftler ihre Seidenschrauben weiter testen und prüfen, wie sie sich möglicherweise noch verbessern oder abwandeln lassen.