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Sensible Wächter

Technik|Digitales

Sensible Wächter
Eine neue Generation von Sensoren ist in der Lage, winzige Magnetfelder und deren Änderungen zu messen. Damit lassen sich Fahrzeuge der verschiedensten Art erfassen und unterscheiden.

Das Autoradio bringt wieder einmal die üblichen Staumeldungen: Auf der A6 im Rhein-Main-Gebiet, der A8 und A9, rund um Hamburg, Berlin, Stuttgart und München ist zäher Verkehr bis zum Stillstand angesagt. Es ist Freitagabend – und damit „Stauzeit”. Eine neue Technologie zur automatischen Erkennung von Fahrzeugen könnte dem bald abhelfen.

Die so genannten TrafficSensoren nutzen dazu nicht – wie bislang üblich – Radar, Infrarot, Laserlicht oder Induktionsschleifen. Sie messen stattdessen den „magnetischen Fingerabdruck” der Autos. Er entsteht dadurch, dass Fahrzeugbauteile aus bestimmten metallischen Materialien ein schwaches Magnetfeld um sich herum erzeugen, das sich dem stets vorhandenen Erdmagnetfeld überlagert und dieses geringfügig verzerrt. Wie diese Verzerrung aussieht, hängt von Art, Größe und Gestalt des Vehikels ab.

Die schwachen Magnetfelder und ihre sehr kleinen Änderungen zu messen, ist allerdings schwierig. Erstmalig gelang das Prof. Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich mit Hilfe magnetischer Schichten, die wie bei einem Sandwich übereinander gelegt wurden. Dafür erhielt er 1998 den Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten. Mit dem von Grünberg erarbeiteten Wissen entwickelten Forscher der Universität des Saarlandes in Saarbrücken nun einen hochempfindlichen Sensor, der in der Lage ist, Magnetfelder bis in den Pikotesla-Bereich (10-12 Tesla) zu messen. Er kann damit noch Felder aufspüren, die rund ein Millionstel so stark sind wie das Erdmagnetfeld.

„Wird das Magnetfeld durch ein vorbeifahrendes Fahrzeug gestört, registriert der Sensor dessen spezielles Profil, indem er die von dem Auto hervorgerufene Verbiegung des Magnetfelds und das anschließende Entzerren präzise misst”, erklärt Prof. Uwe Hartmann, Leiter der Forschergruppe Magnetosensorik des Bereichs Experimentalphysik der Universität des Saarlands. Eine intelligente Analyse der Messergebnisse sorgt dafür, dass uninteressante Signale, die etwa Straßenbahnen, Züge oder elektrische Anlagen verursachen, ausgeschlossen werden.

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Damit das glückt, war zunächst Fleißarbeit gefragt: Etliche Magnetfeldprofile mussten aufgenommen und klassifiziert werden, um den Sensor mit der nötigen Intelligenz auszustatten – dem Wissen, welches Profil für welche Art von Fahrzeug charakteristisch ist. Zudem hatten die Forscher Schnittstellen zu entwickeln, um die Daten per Kabel oder Funk übertragen zu können. Schließlich musste die notwendige Software zur Auswertung aller Messdaten entworfen werden. Anders als beim Debakel um die deutsche Lkw-Maut, bei der die Entwickler von Toll Collect sich vor allem an dieser Aufgabe bis heute die Zähne ausbeißen, gelang das den Saarbrücker Wissenschaftlern: Derzeit kann der Sensor nicht nur alle Fahrzeuge – vom Fahrrad übers Auto bis zum Flugzeug – erfassen, sondern auch Fahrzeugklasse, Geschwindigkeit und Fahrtrichtung bestimmen.

Die Vorteile des TrafficSensors sind vielfältig: Er ist klein und robust, kann ohne Schaden zu nehmen überfahren werden, misst genau und zuverlässig von oben, unten oder von der Seite – und das unabhängig von Witterungseinflüssen wie Schnee, Eis, Regen, Nebel, Schmutz sowie Licht- und Temperaturschwankungen. Damit, betont Hartmann, sei er allen bisher zur Verkehrsmessung eingesetzten Technologien überlegen, die das nur eingeschränkt könnten.

Die Ingenieure am Zentrum für integrierte Verkehrssysteme (ZIV) in Darmstadt bestätigen das. „Der TrafficSensor aus Saarbrücken ist eine moderne, kostengünstige Alternative zu den bisherigen Verkehrserfassungssystemen”, lobt ZIV-Geschäftsführer Dr. Uwe Plank-Wiedenbeck. „Gemeinsam mit den Forschern und Entwicklern testen wir verschiedene verkehrstechnische Anwendungen des Sensors sowohl für den ruhenden als auch für den fließenden Verkehr”, erklärt der Experte und ergänzt: „ Testmessungen in der Innenstadt von Darmstadt und an Autobahnen waren bereits sehr erfolgreich.”

In der Innenstadt von Darmstadt wurden an Ampelanlagen und Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen Sensoren angebracht und miteinander vernetzt, um aktiv den Verkehr zu regeln. Waren die Sensoren unterhalb der Straße verlegt, erfassten sie auch Fahrzeuge in zwei oder drei Reihen nebeneinander. Bei den bisher zur Verkehrsüberwachung eingesetzten Messungen per Radar, Infrarot oder Laserlicht ist das problematisch, wenn ein Fahrzeug in Messrichtung die Sicht versperrt. Ein weiterer Pluspunkt für den TrafficSensor: Die Messsignale werden weder durch Schienenverkehr noch durch die elektromagnetischen Felder von Stromleitungen gestört.

Ein entscheidendes Argument für den Einsatz der neuen Verkehrsfühler sieht Plank-Wiedenbeck darin, dass sie bis zu etwa 2,50 Meter tief unter der Erde in Rohre verlegt werden können, ohne dass die Straße dafür gesperrt werden muss. Selbst bei Straßenbauarbeiten kann weiter gemessen werden. Dazu wird der Sensor einfach im Rohr verschoben.

Besonders gespannt waren die Forscher auf die Resultate von Messungen am Autobahnkreuz Bad Homburg. In zwei Rohren wurde dafür je ein Sensor zirka zwei Meter tief im Abstand von 50 Zentimetern angebracht. Um die aufgenommen Sensor-Daten zu überprüfen, ermittelten die ZIV-Ingenieure in einer zweiten Messreihe per Auge die Fahrzeugklasse und mit einer Lichtschranke die Geschwindigkeit der Wagen. Der Vergleich beider Messreihen spricht für den TrafficSensor: Er hält selbst starken Erschütterungen durch den fließenden Verkehr stand und liefert zuverlässige Daten über Geschwindigkeit und Abstand – und das getrennt für jede Fahrbahn. Außerdem kann man die Fahrzeugklasse über die Zahl der Achsen bestimmen und bei Lastkraftwagen zusätzlich erkennen, ob sie beladen oder leer fahren.

Das ist beispielsweise für das Kassieren von Mautgebühren wichtig, wenn das manuell geschieht und nicht über anfällige High-Tech-Inkassosysteme. Betreiberfirmen von stationären Mautstationen, zum Beispiel in der Schweiz, in Österreich, Frankreich und Italien, interessieren sich bereits für den Sensor. Denn er bietet die Chance, das Kassieren der Maut von Lastkraftwagen unabhängig vom Personal der Mautstationen zu kontrollieren.

Auch außerhalb des fließenden Verkehrs lässt sich die Magnetfeld-Technologie einsetzen. Mit einer geschickten Anordnung von Sensoren kann jede Ein- und Ausfahrt, egal ob Garage, Industrietor oder Parkhaus, überwacht und gesteuert werden. „ Intelligente” Parkhäuser oder Parkplätze, die Autos freie Stellplätze zuweisen, werden so schon bald realisierbar sein und sich mit innerstädtischen Parkleitsystemen kombinieren lassen, versprechen die Erfinder des Sensors um den Physiker Hartmann. Funktionstests im Personalparkhaus des Frankfurter Flughafens belegen das. Demnächst kommt der TrafficSensor als kommerzielles Produkt auf den Markt, gebaut vom Automobilzulieferer Votronic in St. Ingbert – zum Preis von zunächst etwa 100 Euro. Mit steigenden Stückzahlen soll der Preis auf etwa die Hälfte sinken.

„Verkehrsleit- und -regelsysteme für den Schienenverkehr auf Nebenstrecken sind ein weiteres mögliches Einsatzfeld”, ergänzt Uwe Plank-Wiedenbeck. Wenn die aktuelle Verkehrslage schneller bekannt ist, könnten Strecken zügiger freigegeben, Signale rascher geschaltet und damit Bahnverspätungen reduziert werden. Auch in puncto Sicherheit an Bahnübergängen bieten sich TrafficSensoren zur permanenten Überwachung an.

Ihre erste Anwendung könnten die Magnetfeld-Sensoren bald im Rollfeld-Management auf Flughäfen finden. Auf dem Flugfeld verkehren neben Flugzeugen auch Versorgungsfahrzeuge und Zubringerbusse. Sie kollisionsfrei zu managen sowie jedes startende, landende oder rollende Flugzeug in die richtige Position zu leiten, erfordert einen enormen logistischen Aufwand. Bisher wird dies über Leuchtsignale („Befeuerung”), Bodenradar, Funk und vorausfahrende „Follow-me”-Fahrzeuge geregelt.

Mit TrafficSensoren in den gelben Roll- und Haltelinien könnte das Bodenkontrollpersonal den Flugplatz unabhängig vom Wetter zu jeder Zeit überwachen. Flugzeuge ließen sich entlang der Leitlinien kontrolliert in die Parkpositionen leiten, Haltelinien für den Start könnten zeitlich exakt überwacht werden. Selbst Bereiche zwischen den Gebäuden, die mittels Bodenradar nicht erreichbar sind, wären einsehbar. Würde in einem ersten Schritt – beispielsweise für das Parkpositions-Management – der TrafficSensor als Raster in die Fahrbahnmarkierung eingebaut, könnte das Kontrollpersonal im Tower jeden Winkel des Flugplatzes erfassen, kontrollieren und die Flugzeugbewegungen bequem steuern, schlägt Uwe Hartmann vor.

Im Frühjahr 2004 startete dazu ein auf drei Jahre angelegtes und rund vier Millionen Euro teures internationales Forschungsprojekt, das zur Hälfte aus EU-Mitteln finanziert wird. Dabei geht es um die Entwicklung eines witterungsunabhängigen Rollführungs- und Bodenüberwachungssystems für Vorfeld- und Towerlotsen auf kleinen und mittelgroßen Flughäfen. Beteiligt an dem Projekt sind neben dem Team um Uwe Hartmann von der Universität des Saarlandes diverse Partnerfirmen aus Deutschland, Österreich, Großbritannien und Griechenland. Dazu sind in den nächsten drei Jahren Tests mit Prototypen auf den Flughäfen im griechischen Thessaloniki sowie in Frankfurt am Main und Saarbrücken geplant.

Nach wie vor feilen Forscher und Entwickler an der Technik der Sensoren. Der Energieverbrauch der Messfühler soll deutlich sinken, zum Beispiel indem diese mit einem „Sleep Modus” versehen werden, vergleichbar mit dem Stand-by-Betrieb eines Fernseh- oder Kopiergeräts. Zudem will man die Sensoren künftig durch Brennstoffzellen mit Strom versorgen – sobald diese Technologie in Form zuverlässiger und preisgünstiger Energiespender zur Verfügung steht. Dadurch müssten die Sensoren nur noch einmal im Jahr gewartet werden. Außerdem arbeiten die Wissenschaftler an der Integration von Funkmodulen für die Fernübertragung der Daten via Satellit.

In Zukunft könnten die sensiblen Messfühler das Verkehrsmanagement wesentlich effizienter machen, weil sich schneller und zuverlässiger zu jeder Zeit ein aktuelles Verkehrslagebild aufnehmen sowie Verkehrsströme verfolgen und dirigieren ließen. Dass die Entwicklung neuer effizienter und dazu kostengünstiger Verkehrsmanagement-Systeme dringend nötig ist, zeigen die Prognosen der Bundesverkehrswegeplanung. Demnach ist bis 2015 mit einem Anstieg des Personenverkehrs um über 20 Prozent und des Güterverkehrs um rund 65 Prozent zu rechnen. Besonders stark soll der Verkehr auf den Autobahnen anschwellen.

Dr. Christine Ritschel

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Infos zum TrafficSensor der Firma Votronic in St. Ingbert:

www.votronic.com/trafficsensor.pdf

Ohne Titel

TrafficSensoren arbeiten nach dem so genannten AMR-Prinzip (AMR: Anisotropic Magnetic Resistance, auf deutsch: richtungsabhängiger Magnetwiderstand). Sie bestehen aus einem weichmagnetischen, elektrisch leitfähigen Material, zum Beispiel Permalloy, einer Legierung aus Nickel, Eisen, Kobalt und Molybdän. Wirkt ein äußeres Magnetfeld auf einen solchen Sensor, ändert sich sein elektrischer Widerstand. Dieser „ Magnetowiderstand” hängt ab von der Stärke und Richtung des angelegten Feldes. Um ihn zu messen, benutzt man eine so genannte Wheatstone’sche Brücke – eine Kombination mehrerer parallel und in Reihe geschalteter elektrischer Widerstände. Der Trick ist, dass über diese Brücke der Stromfluss gegen Null geregelt wird. Verbindet man zwei TrafficSensoren über eine solche Brücke, wird diese bei einem veränderlichen äußeren Magnetfeld ständig verstimmt und muss durch das Ändern zweier bekannter variabler Widerstände wieder auf Null geregelt werden. Der dabei über die Brücke fließende Strom ist ein empfindliches Maß für Stärke und Richtung des von außen wirkenden Magnetfelds.

Der Magnetfeldsensor erfasst konstante und veränderliche Felder mit einer Empfindlichkeit von einigen Hundert Nanotesla bis zu einigen Hundert Mikrotesla in dreidimensionaler Auflösung. Er sendet das gemessene elektrische Signal über einen Verstärker an einen Analog-Digital-Wandler. Anschließend wird das Signal in einem Sensor-Conditioner messtechnisch aufbereitet: Neben einer automatischen Kalibrierung des Nullpunkts gleicht der Conditioner störende Einflüsse durch die Temperatur aus, eliminiert in der Umgebung vorhandene Magnetfelder und erkennt das Magnetfeldprofil durch Vergleich mit bekannten Profilen. So kann die Elektronik etwa ermitteln, ob es sich bei einem Fahrzeug um einen Pkw oder einen Lkw handelt und wie viele Achsen dieser besitzt.

Ohne Titel

· Mit den neuen Magnetfeld-Messfühlern lassen sich Verkehrsströme überwachen und steuern.

· In Parkhäusern könnten die Sensoren Autos gezielt an freie Stellplätze lotsen.

· Auf Flughäfen sollen sie startende und landende Jets sicher über das Rollfeld leiten.

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