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Softe „Robo-Hände“ für die Meeresforschung

Erde|Umwelt Technik|Digitales

Softe „Robo-Hände“ für die Meeresforschung
Im Griff sanfter „Nudelfinger“ bleiben Quallen entspannt. (Bild: Anand Varma)

Sanfte „Nudelfinger“ statt starrer Krallen: Biologen haben das Potenzial der Softrobotik für die Erforschung empfindlicher Meerestiere aufgezeigt. Im Griff weicher Strukturen bleiben die Quallen entspannt, zeigen ihre Tests. Herkömmliche Greifinstrumente aktivieren bei den sensiblen Tieren hingegen Stressgene, ergaben die Analysen. Die sanften Greifer eignen sich demnach besonders gut für die minimalinvasive und naturnahe Erforschung von empfindlichen Meerestieren, sagen die Wissenschaftler.

Quallen, Korallen und die bizarren Geschöpfe der Tiefsee stehen intensiv im Fokus der Forschung. Neben der biologischen Bedeutung sind Wissenschaftler auch an dem Potenzial von Genen und Wirkstoffen dieser Lebewesen interessiert. Probennahmen und Verhaltensbeobachtungen sollten bei diesen Untersuchungen eigentlich möglichst sanft und zerstörungsfrei erfolgen. Doch bisher geht es in der Meeresforschung eher rabiat zu: Starre Greifarme von Tauchgeräten grapschen nach den empfindlichen Wesen, verletzen sie oder halten sie in ihren harten Krallen gefangen. „Unser Ziel ist es, dass wir so sanft und vorsichtig wie möglich vorgehen, wenn wir in diese Lebensräume vordringen und ihre Lebewesen studieren“, sagt der Meeresbiologe David Gruber von der City University of New York.

Ein ultra-sanfter Greifer

So rückte das Potenzial der Softrobotik in den Fokus. Bereits seit einiger Zeit entwickeln Wissenschaftler Roboter aus weichen Materialien als Alternativen zu den herkömmlichen Systemen aus Metall oder harten Kunststoffen. Die Entwicklerin Nina Sinatra von der Harvard University in Cambridge hat die Verfahren der Softrobotik in einem vorhergehenden Projekt für die Entwicklung eines ultra-sachten Greifgeräts eingesetzt: Statt steifer Strukturen besitzt es Nudel-ähnliche Silikon-Finger, die sich sanft um ein Objekt legen können. Die Finger besitzen wassergefüllte Hohlräume, die durch Druckveränderungen ein Öffnen und Schließen ermöglichen. Jeder Finger übt durch die Bewegung nur einen extrem niedrigen Druck aus – er ist geringer als beim Schließen eines menschlichen Augenlids.

Mit dem Gerät lassen sich Quallen tatsächlich sanft einfangen und festhalten, zeigten bereits Tests. Prinzipiell können aber auch starre Greifarme die Tiere verletzungsfrei umschließen und gefangen halten. So sind die Wissenschaftler nun der Frage nachgegangen, inwieweit die besonders sanfte Behandlung für die Quallen eine Rolle spielt. Doch wie kann man herausfinden, wie es einer Qualle geht? Wie die Forscher erklären, ist dies durch genetische Verfahren möglich, welche Aktivitäten von Erbanlagen erfassen. Dies erlaubt Rückschlüsse darauf, wie Organismen auf Reize reagieren: „Stellen Sie sich vor, Sie sitzen zufrieden an Ihrem Schreibtisch und ich messe, welche Gene aktiv sind. Anschließend traktiere ich Sie mit einer Krallenhand und erfasse erneut die Genaktivität. Ein Vergleich der Muster kann dann das Stressniveau aufzeigen, dass durch die Störung entstanden ist“, erklärt Gruber.

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Dem Befinden von Quallen auf der Spur

Analog dazu haben die Forscher im Rahmen ihrer Studie untersucht, inwieweit sich die Genaktivität von Quallen unterscheidet, die mit starren Greifern im Vergleich zu den sanften Robo-Händen eingefangen worden waren. Wie sie berichten, zeigten die vergleichsweise behutsam behandelten Versuchstiere ein Genexpressionsmuster, das ungestörten Individuen ähnelte. Die von der Klaue umschlossenen Quallen aktivierten hingegen Gene, die mit Stressreaktionen verknüpft sind, berichten die Forscher. Dabei handelte es sich teilweise um „Reparatur-Gene“, was darauf hindeutete, dass sich die Tiere auf körperliche Schäden einstellten. „Durch das genetische Verfahren konnten wir somit bestätigen, dass der Softroboter tatsächlich einen sanfteren Umgang mit den Quallen ermöglicht“, resümiert der Erstautor der Studie Michael Tessler vom American Museum of Natural History in New York.

Die Bedeutung des Ergebnisses geht allerdings über die Erforschung von Quallen hinaus, betont Gruber: „Wir haben sie als unsere Test-Organismen verwendet. Da wir zeigen konnten, dass dieses Verfahren so empfindlichen Wesen wie Quallen Stress ersparen kann, wird nun deutlich: Softroboter könnten bei verschiedenen Anwendungen in der Meeresforschung zum Einsatz kommen, bei denen eine sanfte Vorgehensweise wichtig ist“, so der Meeresbiologe.

Auch die Entwicklerin der sanften Robo-Hände freut sich über den Erfolg: „Es zeigt sich erneut, wie Ingenieure durch den Einsatz neuer Materialien Robotern Fähigkeiten geben können, die mit herkömmlichen Konzepten nicht möglich wären. Durch eine Kombination flexibler, robuster und leichter Materialien können Softroboter in der Tiefsee verlässlich arbeiten und sind offenbar gleichzeitig sanft genug, um sicher mit empfindlichen Meeresorganismen zu interagieren“, sagt Sinatra.

Video: Harvard University

Quellen: Cell Press, Harvard University, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2020.01.032

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