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Strom aus der Flasche

Technik|Digitales

Strom aus der Flasche
Hobbysegler müssen bislang mit einer schlechten Stromversorgung vorlieb nehmen. Brennstoffzellen, die sich mit Flüssiggas betreiben lassen, kommen da gerade recht.

Leinen los, Segel setzen und hinaus aufs Meer. Etliche Menschen, die der Hektik des Alltags überdrüssig sind, finden Ausgleich und Entspannung beim Segeln. Doch auf viele an Land gewohnte Annehmlichkeiten muss man an Bord einer Yacht verzichten: Radio, Fernsehen und selbst eine simple Beleuchtung sind auf vielen Booten nicht möglich. Der Grund: Elektrische Energie ist rar an Bord. Zugleich zehren Navigationsgerät, Funkausrüstung, Kühlschrank und Ankerwinde reichlich Strom und sorgen dafür, dass die Batterie meist schon nach ein paar Stunden leer ist – und durch eine Lichtmaschine am Antriebsmotor oder einen Dieselgenerator wieder aufgeladen werden muss.

Diesen Energiemangel soll es auf Segeltörns bald nicht mehr geben. Dafür sorgen soll ein neuartiges Stromaggregat, das Forscher am Zentrum für Brennstoffzellen-Technik (ZBT) in Duisburg – einem Tochterunternehmen der Universität Duisburg-Essen – entwickelt haben. Das Gerät erzeugt elektrische Energie sauber, leise und ausdauernd mithilfe von Brennstoffzellen – chemischen Anlagen, in denen Wasserstoff und Sauerstoff durch „kalte Verbrennung”, ohne Flammen, zu Wasser reagieren und dabei Strom und Wärme liefern.

Die Idee, solche Geräte dort zur Energieversorgung zu nutzen, wo es keinen Anschluss an das Stromnetz gibt, ist nicht neu. Das Besondere an dem Duisburger Brennstoffzellen-Aggregat ist jedoch, dass es Flüssiggas als Treibstoff nutzt. „Darin unterscheidet es sich von allen anderen bislang erhältlichen mobilen Brennstoffzellen-Systemen”, sagt Peter Beckhaus, der das Projekt am ZBT leitet.

Die bisher angebotenen Systeme werden entweder direkt mit reinem Wasserstoff oder mit Methanol betrieben, aus dem der in der Brennstoffzelle benötigte Wasserstoff zunächst durch chemische Umwandlung gewonnen wird (bdw 2/2002, „BreZel statt Akku”). „Doch weder für Wasserstoff noch für Methanol existiert bisher eine ausreichende Versorgungs-Infrastruktur”, sagt Beckhaus – ein Nachteil, der einer weit verbreiteten Nutzung der Brennstoffzellen-Technologie im Weg steht. Zudem ist die Handhabung der beiden exotischen Treibstoffe für die Anwender ungewohnt und umständlich.

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Weitaus einfacher fällt hingegen der Umgang mit Flüssiggas, das viele Segler ohnehin stets dabei haben, um damit einen Gaskocher zu betreiben. „Flüssiggas verbindet die energetischen Vorteile von Erdgas, das künftig in Brennstoffzellen-Heizgeräten zur Strom- und Wärmeerzeugung in Wohnungen und Betrieben eingesetzt werden soll, mit denen eines transportablen Energieträgers wie Benzin”, sagt Peter Beckhaus. In den verflüssigten Gasen steckt reichlich Energie, und gleichzeitig gibt es für sie eine sehr gut ausgebaute Versorgungs-Infrastruktur. Diese Vorzüge, davon sind die Duisburger Forscher überzeugt, werden dafür sorgen, dass mit Flüssiggas betriebene Brennstoffzellen-Aggregate nicht zum Ladenhüter werden. Denn Brennstoffzellen eignen sich ideal für die Stromversorgung an Bord einer Yacht: Sie arbeiten geräuschlos, ohne störende Vibrationen und verpesten die Luft nicht mit umweltschädlichen Abgasen.

Um Flüssiggas als Treibstoff für Brennstoffzellen nutzen zu können, muss es aufbereitet werden. Dafür haben die Forscher am ZBT ein mehrstufiges System entwickelt. Zunächst wird das Flüssiggas in eine Entschwefelungseinheit geleitet. Sie ist notwendig, um darin enthaltenen Schwefel zu entfernen, der sonst den Katalysator im nachfolgenden Gasreformer vergiften würde. Im Reformer werden die Kohlenwasserstoffe Propan und Butan des Flüssiggases in Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2) verwandelt. Um die dazu nötigen chemischen Reaktionen in Gang zu halten, werden Wasserdampf und Wärme zugeführt. Neben H2 und CO2 entsteht im Reformer auch Kohlenmonoxid (CO). „Das ist schlecht für die Brennstoffzellen, da sie durch das Kohlenmonoxid allmählich verrußen und dadurch unbrauchbar werden würden”, sagt Peter Beckhaus. Daher muss das CO aus dem Gasstrom entfernt werden. Das geschieht in einem so genannten Shift-Konverter und einer nachfolgenden Feinreinigungsstufe. Diese beiden Module reduzieren den Kohlenmonoxid-Gehalt des Gases auf weniger als 30 ppm (Tausendstel Promille). Erst das gesäuberte Gas strömt in die Brennstoffzellen-Einheit.

Sie besteht aus 40 in einem so genannten Stack aneinander gefügten Zellen, die zusammen eine elektrische Leistung von 300 Kilowatt liefern. Das als Reaktionsprodukt in den Brennstoffzellen entstehende Wasser wird in einem geschlossenen Kreislauf in den Reformer zurückgeführt. Auch unverbrauchtes Restgas gelangt in den Reformer zurück. Die anfallende Wärme, die an Bord einer Yacht nicht gebraucht wird, führt ein Luftstrom nach außen ab. „Das Aggregat bringt es auf einen Wirkungsgrad von über 20 Prozent”, freut sich Beckhaus. Das heißt: Ein Fünftel der im Flüssiggas gespeicherten chemischen Energie wird in elektrische verwandelt. Damit ist der Wirkungsgrad deutlich höher als die 12 Prozent eines Dieselgenerators.

Bis zum Frühjahr wollen die Forscher aus den einzelnen Komponenten einen ersten Prototyp des Aggregats fertigen. Im Sommer 2005 soll eine Kleinserie folgen. Bis 2006, so das Ziel, wird das Flüssiggas-Brennstoffzellen-System als Produkt auf den Markt kommen – voraussichtlich als Gerät, das sich leicht am Heck einer Segelyacht anbringen lässt. Das Design dafür haben Studenten und Mitarbeiter von Prof. Kurt Mehnert am Essener Lehrstuhl für Industrial Design bereits entworfen. Für die Weiterentwicklung der Technologie zur Produktreife suchen die Wissenschaftler noch Partner aus der Industrie.

Die Entschwefelungseinheit und den Reformer haben die Duisburger Forscher selbst entwickelt und gebaut. Auch die in den Brennstoffzellen eingebauten Bipolarplatten entstanden am ZBT. Sie lassen sich per Spritzguss-Verfahren in großer Stückzahl zu vergleichsweise geringen Kosten herstellen. Dennoch rechnet Peter Beckhaus damit, dass die ersten Geräte über 5000 Euro kosten werden – ein stolzer Preis, der weit über dem eines herkömmlichen kleinen Stromgenerators liegt.

Doch Peter Beckhaus ist vom Erfolg der Technologie überzeugt. „ Wer sich eine Yacht kauft, kann sich auch eine Brennstoffzelle leisten”, sagt er. Und: „Wer eine Yacht besitzt, will auch besondere Technik an Bord haben” – zumal, wenn die den Komfort deutlich steigert. Und das tun die neuartigen Aggregate: Die ZBT-Forscher haben errechnet, dass eine 5-Kilogramm-Flasche Propan genügt, um mit den 300 Kilowatt starken Brennstoffzellen die Stromversorgung an Bord zwei Wochen lang zu sichern – inklusive Licht, Radio und TV-Gerät. Die elektrischen Einrichtungen müsste man dazu nicht einmal verändern. „Die Brennstoffzellen werden den bewährten Akku nicht ersetzen, sondern ihn nur ergänzen”, sagt Beckhaus. Sein Konzept: Die Brennstoffzellen laden die Batterie ständig nach, während die Stromverbraucher weiterhin direkt an sie angeschlossen werden. ■

Ralf Butscher

COMMUNITY Internet

Weitere Informationen zur Flüssiggas-Brennstoffzelle: www.zbt-duisburg.de

Ohne Titel

Flüssiggase enthalten die Kohlenwasserstoffe Propan (C3H8), Butan (C4H10) oder ein Gemisch davon. Unter normalen Umgebungsbedingungen sind diese Stoffe gasförmig, doch bereits durch einen geringen Überdruck lassen sie sich verflüssigen. Dann hat das Flüssiggas nur noch weniger als ein halbes Prozent seines gasförmigen Volumens. Die in den verflüssigten Kohlenwasserstoffen enthaltene große Energiemenge lässt sich somit in relativ kleinen und leichten Druckgefäßen transportieren und lagern. Gewonnen wird Flüssiggas bei der Verarbeitung von Rohöl in Raffinerien sowie direkt bei der Förderung von Erdgas und Rohöl. In Deutschland wurden 2003 insgesamt rund 2,6 Millionen Tonnen Flüssiggas verbraucht, davon jeweils etwa die halbe Gewichtsmenge an Propan und dem etwas schwereren Butan. Fast 60 Prozent des verbrauchten Flüssiggases dienen zur Energieversorgung, etwa 40 Prozent als Rohstoff für die chemische Industrie.

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