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Überwachungsvideo eines viralen Einbrechers

Bildgebung

Überwachungsvideo eines viralen Einbrechers

Viren bei ihrer „verbrecherischen Mission“ auf der Spur: Durch eine neue Mikroskopie-Methode können Forscher nun einzelne Erreger-Partikel bei ihrer Suche nach „Einbruchsmöglichkeiten“ in Zellen live verfolgen. Dies könnte Einblicke darin ermöglichen, wie bestimmte Faktoren die Verbreitung von Viren in Zellgeweben und damit ihre Infektionserfolge beeinflussen, sagen die Wissenschaftler.

Coronavirus, HIV, Grippeerreger und Co: Viele unterschiedliche virale Erreger plagen die Menschheit und stehen deshalb intensiv im Fokus der Wissenschaft. Ihre Erforschung ist allerdings deutlich kniffliger als im Fall der Bakterien. Denn im Gegensatz zu diesen Einzellern handelt es sich bei Viren um extreme Winzlinge ohne eigenen Stoffwechsel: Viren-Partikel bestehen nur aus einer proteinbesetzten Hülle, in der Erbgut verpackt ist. Die Infektion beginnt, wenn sich ein Virus an eine Zelle bindet und in sie eindringt. Anschließend bringt es die zelluläre Maschinerie dazu, sein virales Erbgut zu vervielfältigen und weitere Viren-Partikel herzustellen. Diese Nachkommen gehen dann erneut auf die Reise, um weitere Zellen zu kapern.

Wie verläuft der Weg zum Tatort?

Um eine Infektion auszulösen, muss ein Virus-Partikel zunächst durch Diffusionsprozesse die schützenden Schichten aus Schleim und äußeren Zellen durchdringen, die unsere Atemwege und den Darm auskleiden. Obwohl Viren mit Mikroskopietechniken in und an Zellen gut sichtbar gemacht werden können, konnten sie auf diesem wichtigen Weg vor der Infektion bisher nicht deutlich beobachtet werden. Das liegt zum Teil daran, dass sich die im Vergleich zu den Zellen winzigen Viren-Partikel durch die dynamischen Prozesse im freien Raum viel schneller bewegen als im Zellinneren. „Bei mikroskopischen Untersuchungen ist es so, als würde man versuchen, Aufnahmen von einer Person zu machen, die sich vor einem Wolkenkratzer bewegt: Man kann nicht das ganze Gebäude und gleichzeitig die Details der Person davor mit einem einzigen Bild erfassen“, erklärt Seniorautor Kevin Welsher von der Duke University in Durham. Doch ihm und seinem Team ist es nun gelungen, eine Methode zu entwickelt, die Echtzeitaufnahmen von Viren ermöglicht, während sie sich ihren zellulären Zielen nähern.

Sie nennen ihr Verfahren 3D-Tracking and Imaging Microscopy (3D-TrIm). Es basiert im Wesentlichen auf der Kombination von zwei Mikroskopen. Das erste erfasst dabei ein durch Fluoreszenz-Substanzen markiertes Virus bei seinen schnellen Bewegungen im Umfeld von lebenden Zellen. Dabei schwenkt zudem ein Laser mit hoher Geschwindigkeit um das leuchtende Virus herum, um seine Position zu berechnen und zu aktualisieren. Während die feinen dynamischen Prozesse in den Zwischenräumen und an den Zelloberflächen das Virus bewegen, wird der Objektträger ständig subtil nachgeführt, um es im Fokus zu halten. Parallel zur Verfolgung des leuchtenden Virus nimmt das zweite Mikroskop dreidimensionale Bilder von den umliegenden Zellen auf. Aus der Kombination beider Datenquellen entsteht dann ein Resultat, das mit dem Eindruck beim Navigieren mit Google Maps vergleichbar ist, erklären die Forscher: Neben dem aktuellen Standort während der Bewegung, werden auch das Gelände, Sehenswürdigkeiten und die allgemeine Lage des Umfeldes angezeigt.

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Vielversprechende Visualisierung

In ihrem Präsentations-Video zeigen die Forscher, wie ein speziell präpariertes Forschungs-Virus sich zwischen dicht gepackten menschlichen Darmzellen bewegt, die sich auf einem Objektträger befinden. Sie vergleichen das Video mit den Aufzeichnungen einer Überwachungskamera: Es ist, als würde man einen Einbrecher beim Versuch beobachten, Einstiegsmöglichkeiten in Häuser zu finden. Für einen Moment kommt das Virus dabei mit einer Zelle in Berührung, gleitet dann aber an ihrer Oberfläche entlang, ohne zu stoppen. „Wäre dies ein geplanter Hauseinbruch, wäre dies die Phase, bei dem der Einbrecher das Fenster noch nicht eingeschlagen hat“, sagt Erst-Autorin Courtney Johnson von der Duke University. „Wenn ich unsere Forschungsarbeit vorstelle, werde ich manchmal gefragt, ob das eine Simulation ist“, so die Wissenschaftlerin. Doch dann kann sie stolz erklären, dass es sich um echte mikroskopische Aufnahmen handelt.

Wie das Team betont, zeigt ihre Arbeit das Potenzial ihres Konzepts auf. Sie hoffen , dass durch Weiterentwicklungen des Verfahrens ein Einsatz in immer realistischeren – gewebeähnlichen Umgebungen möglich sein wird, in denen Infektionen auftreten. „Das ist das eigentliche Ziel dieser Methode. Wir glauben, dass wir jetzt die grundlegenden Möglichkeiten dazu geschaffen haben“, so Welsher. Momentan arbeitet das Team vor allem an der Verlängerung der möglichen Beobachtungszeiten. Denn bisher können sie ein Virus jeweils nur einige Minuten lang verfolgen, bevor das Leuchten der Fluoreszenzmarkierung erlischt. „Die größte Herausforderung für uns ist es jetzt, hellere Versuchs-Viren herzustellen“, sagt Co-Autor Jack Exell von der Duke University.

Quelle: Duke University, Fachartikel: Nature Methods, doi: 10.1038/s41592-022-01672-3

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