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Verknotete Ringe

Astronomie|Physik Technik|Digitales

Verknotete Ringe
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Dieses Modell zeigt einen dreilappig verknoteten Wirbelschlauch, wie ihn die Forscher mit ihren Schablonen erzeugt haben. (Bild: Dustin Kleckner und William T. M. Irvine)
Ob Rauchringe, Wasserwirbel oder die Windböe an der Straßenecke: Turbulenzen und Wirbel begegnen uns in unserem Alltag häufig. Viele dieser Phänomene haben eine charakteristische Form: Der Rauch bildet einen wabernden Ring und die Strömung formt spiralige Muster. Diese im Labor nachzubilden, ist kein großes Problem. Bisher blieben aber alle Versuche vergeblich, solche Wirbel auch in komplexeren Geometrien zu erzeugen, beispielsweise als Knoten oder verknüpfte Ringe. Genau dies ist nun zwei US-Physikern gelungen – mit überraschenden Ergebnissen.

„Schnürsenkel zu einem Knoten zu binden, ist eine relativ simple Angelegenheit, ein Feld, beispielsweise eine Magnetfeldlinie, ist aber eine ganz andere Geschichte“, erklären Dustin Kleckner und William Irvine von der University of Chicago. Letzteres gleicht eher dem Versuch, einen wirbelnden Tornado mit sich selbst zu verknoten. Denn ob Rauchring oder Plasmabogen auf der Sonnenoberfläche: Alle diese Phänomene bestehen aus einer Art Wirbelschlauch, einem Strömungsfeld, das die gleiche Form hat wie das konzentrische Magnetfeld, das sich um ein stromführendes Kabel bildet.

Der Theorie nach sollten solche Strömungsfelder nicht nur als Ringe oder einfache Bögen existieren, sondern auch in komplexeren Formen. Man vermutet beispielsweise, dass die Magnetfeldlinien auf der Sonne verknotete Plasmaschläuche bilden und auch in der Quantenphysik gehen Forscher von der Existenz verknoteter Wirbel aus. Das Problem dabei: Bisher existierten solche Knotengebilde nur in der Fantasie und in den Berechnungen der Physiker. Im Labor konnte niemand mehr als nur einfache Rauch- oder Blasenringe produzieren. Das aber ist Kleckner und Irvine nun erstmals gelungen: Sie schufen mit Hilfe einer raffinierten 3D-Schablone komplexe Blasengebilde, die Kleeblättern ähneln oder zwei miteinander verschränkten Ringen.

Bläschen-Schub durch eine Schablone

„Normalerweise erzeugt man einen Blasenring, indem man einen Stoß ultrafeiner Gasblasen durch eine kreisförmige Öffnung in einen Wassertank bläst“, erklären die Forscher. Um nun aus dem einfachen Ring einen Knoten zu bilden, mussten sie zunächst eine geeignete Schablone entwickeln, die die Blasen in die gewünschte Form bringt. Dafür gingen sie zunächst von einem Plastikring aus, dessen Reif in Querschnitt flügelförmig gewölbt war und der zunächst ringförmige Wirbelschläuche erzeugte.

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Dann modifizierten sie diese Unterwassertragfläche, indem sie aus ihr mittels 3D-Drucker entweder zwei ineinander verschränkte Ringe oder aber einen durchgehenden, mit sich selbst verknoteten Streifen machten. Durch diese Schablonen bliesen die Physiker dann jeweils einen Stoß winziger Gasbläschen in einen Wassertank und zeichneten das sich entwickelnde Gebilde mittels Hochgeschwindigkeitskamera auf. Wie erhofft, entstanden tatsächlich dreiblättrige Knoten und miteinander verschränkte Ringe – zum ersten Mal seit Beginn solcher Bemühungen vor rund hundert Jahren.

Knoten lösen sich wie von Geisterhand

Überraschendes tat sich allerdings, als die Physiker den weiteren Werdegang ihrer Blasengebilde verfolgten. „Einfache Ringe verhielten sich wie erwartet: Sie bewegten sich einfach nur vorwärts und veränderten dabei kaum ihre Form“, berichten sie. Die verschränkten Ringe und dreilappigen Knoten jedoch hätten sich völlig unerwartet verhalten: Sie begannen zu rotieren und sich dabei zu verformen. „Benachbarte Bereiche der Wirbelschläuche bewegten sich dabei aufeinander zu, bis sie nahezu parallel lagen, wanden sich dann umeinander und kollidierten dann schließlich“, beschreiben Kleckner und Irvine ihre Beobachtungen.

Dieser Prozess führte zu einer fundamentalen Gestaltwandlung – sowohl vom den zwei verknüpften Ringen als auch von dem dreilappigen Knoten blieben am Ende jeweils zwei voneinander getrennte, einfache Ringe übrig. Diese überraschende Auflösung der komplexen Formen zugunsten einfacherer gibt nach Ansicht der Forscher einen wichtigen Einblick in die Physik solcher Wirbelschläuche, wie sie der Theorie nach auch im Sonnenplasma, in ultrakalten Bose-Einstein-Kondensaten und anderen „Ausnahmezuständen“ der Materie auftreten.

Das Experiment wirft aber auch neue Fragen auf, wie Kleckner und Irvine betonen. So sei noch völlig unklar, ob alle Knoten auf die beobachtete Weise zerfallen, oder ob es auch stabile Knotenformen gebe. Auch welche Mechanismen letztlich für die Auflösung der Knoten verantwortlich sind, liegt noch im Dunkeln. „Aber unser System bietet ja nun die Möglichkeit, viele Aspekte dieser Gebilde experimentell zu erforschen“, so die Physiker.

Dustin Kleckner und William Irvine (University of Chicago), Nature Physics, doi: 10.1038/nphys2560 © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
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