Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

VIER RUNDEN BIS ZUM SIEG

Gesellschaft|Psychologie Technik|Digitales

VIER RUNDEN BIS ZUM SIEG
Üblicherweise vier Mal tagt die Jury des Deutschen Zukunftspreises, bis der Gewinner feststeht. Jury-Mitglied Günter Stock lässt bdw hinter die Kulissen blicken. Günter Stock ist seit 2006 Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften mit Sitz in Berlin. Stock, 1944 geboren, studierte an der Universität Heidelberg Medizin und übernahm dort 1980 eine Professur für Vegetative Physiologie. 1983 trat er in die Schering AG ein und ist dort seit 1989 als Mitglied des Vorstandes für die Forschung des Pharmaunternehmens zuständig. 1986 ernannte ihn die Freie Universität Berlin zum außerplanmäßigen Professor. Stock ist unter anderem Mitglied des Wissenschaftsrates, Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft sowie Senator und Kuratoriumsmitglied der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 2007 hat Bundespräsident Horst Köhler ihn in die zehnköpfige Jury des Deutschen Zukunftspreises berufen.

bild der wissenschaft: Herr Professor Stock, Sie sitzen in der zehnköpfigen Jury des Deutschen Zukunftspreises. Sie sollen Menschen auszeichnen, deren Erfindungen in Zukunft für unser Land wirtschaftlich wichtig werden. Verfügen Sie über prophetische Gaben?

Günter Stock: Nein. Wir Juroren stützen uns bei der Begutachtung der eingereichten Vorschläge auf drei Informationen. Erstens: die wissenschaftliche Originalität der eingereichten Erfindung – die können wir aufgrund unserer Erfahrung einschätzen. Zweitens sollen die Vorgeschlagenen als Teil ihrer Unterlagen auch einen Geschäftsplan einreichen, aus dem erkennbar wird, wie aus ihrer Entwicklung ein Marktprodukt werden kann. Drittens erhalten wir einen begleitenden Kommentar der einreichenden Institutionen – das sind die großen Wissenschafts- und Wirtschaftsorganisationen dieses Landes –, die ihrerseits über große Erfahrung verfügen. Das sind unsere Entscheidungsgrundlagen.

Geradezu wagemutig ist, was unter Punkt drei der Preis-Statuten steht. Da heißt es, der Deutsche Zukunftspreis müsse „mit hoher Wahrscheinlichkeit marktfähig sein und damit Arbeitsplätze schaffen”. Wie wollen Sie das vorausahnen?

Deutschland hatte in der Vergangenheit immer den Ruf, in der Grundlagenforschung gut, aber in der Umsetzung zu Marktprodukten behäbig zu sein. Dieser Preis soll als Incentive dienen, wie man neudeutsch sagt – als Anreiz und Belohnung für die, die sich mit Fantasie und Mut auf diesen Weg begeben. Wir sichten die eingereichten Vorschläge daher auch nach dem Kriterium: Bei welcher Idee bestehen am ehesten Chancen auf Arbeitsplätze in Deutschland? Ich räume ein, dass das manchmal riskant ist.

Anzeige

Untersuchen Sie bei den seit 1997 Ausgezeichneten, ob deren Ideen tatsächlich zu Arbeitsplätzen hierzulande geführt haben?

Wir beobachten den weiteren Weg unserer Preisträger, aber wir machen keine systematische Evaluierung. Bedenken Sie auch, dass wir die Preisträger nur aus dem Fundus wählen, der uns von den einreichenden Institutionen vorgeschlagen worden ist. Da hat bereits eine kompetente Vorauswahl stattgefunden.

Noch einmal zu dem Punkt drei Ihrer Statuten: „ Marktfähigkeit” plus Schaffung von Arbeitsplätzen. Es gibt doch Innovationen, die zu Rationalisierung und Arbeitsplatzabbau führen.

Was wir wollen, sind technologische Durchbrüche. Selbstverständlich können wir uns dabei den Innovationszyklen, in deren Verlauf alte Technologien von neuen abgelöst werden, nicht entziehen. Manchmal führt das zu Umwälzungen am Arbeitsmarkt, auch zu Verlagerungen von Produktionen in Nachbarländer. Aber es gibt genügend Gegenbeispiele, die belegen, dass neue Technologien durchaus Arbeitsplätze schaffen.

Unlängst wurde auf einer Messe eine Brezelschlingmaschine für Großbäckereien vorgestellt. Sie dürfte Arbeitsplätze vernichten. Wäre sie also kein Kandidat für den Deutschen Zukunftspreis?

Sie wäre schon deswegen keiner, weil hier die wissenschaftliche Fundierung zu kurz käme. Es gibt generell sehr viele technische Fortschritte – häufig von kleinen und mittelgroßen Unternehmen, den KMU –, die zwar sehr wichtig, aber mit zu wenig wissenschaftlicher Innovation unterlegt sind. Die haben es schwer beim Deutschen Zukunftspreis. Dieser Punkt macht uns in der Jury viel Kopfzerbrechen. Denn gerade von den KMU werden häufig „nur” technische Innovationen eingereicht, die es kaum bis zur Nominierung schaffen.

Unter den Nominierten findet sich die Creme der deutschen Großkonzerne, etwa BASF, Bosch, Daimler und Merck. Müssen die anderen draußen bleiben mangels wissenschaftlicher Potenz?

Das ist nur halb richtig. Unter unseren Nominierten und Preisträgern finden sich zur Hälfte Forscher, die in Wissenschaftsorganisationen wie der Max-Planck-Gesellschaft oder der Fraunhofer-Gesellschaft arbeiten. Das ist ein wichtiges Signal: Auch in der eher grundlagenorientierten vorindustriellen Forschung gibt es Erkenntnisse und Entdeckungen mit hohem wirtschaftlichem Potenzial. Aber Ihre Frage rührt an ein wichtiges Thema in der Unternehmensforschung. Bei den von Ihnen angesprochenen KMU ist Wissenschaft oft nur in geringem Maße die Grundlage der Innovationen. Anders ist es bei KMU aus dem Hightech-Bereich der Biotechnologie. Insoweit ist der Weg zum Zukunftspreis nur für einige KMU schwieriger. Die Jury achtet sehr darauf, dass Großkonzerne nicht bevorzugt werden.

Was können Sie tun, damit die KMU bessere Chancen bekommen?

Wir Juroren haben beim Bundespräsidenten bereits ins Gespräch gebracht, andernorts Sonderpreise für die rein technologischen Innovationen auszuschreiben. Der Deutsche Zukunftspreis hat einfach ein anderes Profil: Wir wollen Individuen auszeichnen, die Ideen aus der Grundlagenforschung in die Praxis tragen, und wir möchten die Persönlichkeit solcher Menschen sichtbar machen.

Große Unternehmen beschäftigen oft Tausende von Forschern und Entwicklern mit Millionen-Etats. Ist es gerecht, angesichts solcher Materialschlachten einzelne Entwickler-Teams auszuzeichnen?

Auch uns ist die Frage sehr wichtig: Sind die uns vorgeschlagenen Kandidaten wirklich die entscheidenden kreativen Köpfe gewesen? Einen wichtigen Fingerzeig geben die Patente und die Publikationen. Beides schauen wir uns genau an. Denn daraus geht hervor, wer schon seit Jahren das Thema vorangetrieben hat. Taucht plötzlich ein neuer Name in den Veröffentlichungen auf, erkundigen wir uns, was diese Person beigetragen hat. Die Patentsituation ist übrigens ein weiterer Grund, warum die KMU sich bei uns schwertun. In deren Vorschlägen ist sehr oft die Frage des intellektuellen Eigentums nicht klar, und sie fallen schon deshalb durch das Raster.

Großunternehmen sind nicht nur Gewinner des Deutschen Zukunftspreises, sie gehören auch zu seinen Sponsoren – etwa Bosch und Siemens. Wie schützen Sie sich vor Lobbyismus?

Es hat noch keinen einzigen Versuch gegeben, uns bei der Wahl zu beeinflussen. Das wäre angesichts der Stellung und der Erfahrung meiner Mitjuroren auch unvorstellbar. Wir haben eine sehr offene Diskussionskultur. Wenn jemand sich bei einem der Vorschläge befangen fühlt, sagt er es laut und deutlich.

In der Regel tagt die Jury vier Mal. Erst beim letzten Treffen fällt die Entscheidung für den Preisträger – wie zu hören ist, geschieht das immer einstimmig. Gibt es in der Jury tatsächlich nie eine abweichende Meinung?

Zu Beginn unserer Diskussion sind wir ganz und gar nicht einer Meinung. Wir durchlaufen mehrere Beratungsrunden, mit Abständen von zwei bis drei Monaten. Dabei verdichten wir die Kandidatengruppe von Mal zu Mal. Noch beim vorletzten Treffen sind wir zehn Juroren uns nicht einig, wer nominiert wird. Aber beim letzten Treffen werden wir es. Im Lauf der Diskussion schält sich nämlich immer deutlicher heraus, welcher der Kandidaten die Kriterien des Preises am besten erfüllt. Zuletzt fragen wir in die Runde: „Gibt es jemanden, der mit diesem Kandidaten überhaupt nicht klarkommt?” Wenn das verneint wird, steht die Wahl – und daher, aber nur in diesem Sinn, ist sie einstimmig. ■

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Forst|aka|de|mie  〈f. 19〉 Ausbildungsstätte für Forstbeamte des höheren Dienstes (Forstmeister)

Ver|kehrs|bü|ro  〈n. 15〉 = Verkehrsverein

Zehr|wes|pe  〈f. 19; Zool.〉 Wespe, deren Larven in Eiern, Puppen od. Larven anderer Insekten schmarotzen: Chalcidodea; Sy Erzwespe … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige