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Vorwärts mit Drachenkraft

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Vorwärts mit Drachenkraft
Effizient und gut für die Umwelt: mit Hightech-Himmelssegeln angetriebene Schiffe.

Die „Aghia Marina“ ist ein Massengutfrachter, wie es auf der Welt Tausende gibt: 20 Jahre alt, 170 Meter lang, eine Ladekapazität von 28500 Tonnen. Doch wer dem Schiff zufällig auf den Weltmeeren begegnet, kann eine Überraschung erleben: Vor dem Bug des Ozeanriesen flattert des Öfteren ein riesiges Stück Stoff im Wind – ein Drachen, ähnlich jenen Freizeitgeräten, die beim Kitesurfen zum Einsatz kommen.

30 Meter misst das Segel von einer Seite zur anderen, seine Fläche ist mit 320 Quadratmetern so groß wie ein kleines Grundstück. Wenn der Wind stark genug weht, zieht es die Aghia Marina mit einer Kraft von 2700 Pferdestärken vorwärts. An solchen Tagen spart der Einsatz des Zugdrachens zehn Tonnen Treibstoff ein, was etwa 5000 Dollar und 30 Tonnen CO2-Emissionen entspricht. Im Schnitt dürften die Einsparungen bei 10 bis 15 Prozent liegen.

Die Kraft des Windes für die Schifffahrt zu nutzen, wie in alten Zeiten – das ist die Vision des 2001 gegründeten Hamburger Unternehmens SkySails. Von der ursprünglichen Idee, einen mit Helium gefüllten Ballon als Antrieb zu verwenden (bild der wissenschaft 1/2006, „Rote Karte für schwarze Schwaden?“), sind die Ingenieure um Firmengründer Stefan Wrage abgekommen: „ Textilien sind nicht völlig heliumdicht“, sagt der Wirtschaftsingenieur. „Wir verzichten daher auf Helium.“

Seinen anfänglichen Plan, bis zu 5000 Quadratmeter große Drachen zu bauen, was etwa einem halben Fußballfeld entspricht, hat Wrage indessen noch nicht aufgegeben. „Das ist realistisch, wenn die Materialien weiterentwickelt werden“, sagt er. Mit den derzeit verwendeten Stoffen könnten die Drachen immerhin 1500 Quadratmeter groß werden, und im Augenblick arbeiten die Entwickler an einer 640 Quadratmeter großen Version.

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Bereits 2008 ging das erste Himmelssegel auf einem kommerziellen Schiff in die Testphase. Auch wenn die Idee genial einfach klingt: Die Entwickler mussten bei der Umsetzung einige Herausforderungen meistern. „Die Automatisierung von Start und Landung des Zugdrachens sowie die Offshore-Tauglichkeit waren die anspruchsvollsten Aufgaben“, berichtet Stefan Wrage. In zahlreichen Tests fanden SkySails-Ingenieure heraus, wie sie den Drachen während des Starts ständig unter Spannung halten können. So wird verhindert, dass sich die vielen kleinen Leinen verknoten, mit denen der Drachen am Zugseil befestigt ist. Das Zugseil ist ebenfalls ein Hightech-Produkt: Es besteht aus einer hochfesten Kunststoff- Faser, in deren Inneren ein Spezialkabel liegt, das Daten von der Steuergondel des Drachens zur Brücke überträgt.

Der Drachen selbst ist kein Spielzeug des Windes, sondern fliegt komplizierte, computergesteuerte Manöver, meist liegende Achten. „Durch den dynamischen Flug befindet er sich quasi permanent in einem künstlichen Sturm mit Geschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometer pro Stunde“, erklärt Wrage. Die Zugkraft des Himmelssegels übertrifft die von gewöhnlichen Segeln pro Quadratmeter Fläche um den Faktor 25.

Dass trotz der Vorteile für Effizienz und Umweltschutz bislang erst vier Schiffe weltweit mit Zugdrachen von SkySails ausgerüstet sind, hat vor allem strukturelle Gründe, meint Stefan Wrage: „Durch die Schifffahrtskrise fehlt den Reedern Kapital. Zudem profitieren die Reedereien nicht von Investitionen in Umwelttechnologien, da nicht sie für die Treibstoffkosten aufkommen müssen, sondern die Charterer.“ Doch wenn sie denen die Drachenschiffe etwas teurer überlassen wollen und mit der Treibstoffersparnis argumentieren, winken die ab. Denn sie chartern die Schiffe nicht so lange, dass sich die Investition lohnen würde. Laut SkySails amortisieren sich die Kosten für ein Zugdrachensystem in etwa fünf Jahren. Geld verdient SkySails derzeit vor allem mit einem Nebenprodukt der Drachenentwicklung – einem Softwaresystem, das den Schiffsbetrieb optimiert. Ute Kehse

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