Bei der Suche nach einer Weltformel, die nicht nur Einstein Kopfzerbrechen bereitete, machte die Gravitation die größten Schwierigkeiten. Alle Vereinheitlichungsforscher (außer Einstein) entschieden sich deshalb in den vierziger Jahren für einen pragmatischen Weg: Sie ließen die Gravitation links liegen und konzentrierten sich auf die drei Kräfte der Mikrowelt. Ihr Ziel war, die elektromagnetische Kraft sowie die starke und die schwache Wechselwirkung quantenmechanisch zu formulieren und in einer Theorie zu vereinigen. Ein erfolgreicher Ansatz – denn 1968 konnten Steven Weinberg, Abdus Salam und Sheldon Glashow immerhin zwei Kräfte in eine Quantentheorie betten: die schwache Wechselwirkung und die elektromagnetische Kraft. Elf Jahre später bekamen sie dafür den Nobelpreis.
In den siebziger Jahren machte die Arbeit an einer Großen Vereinigungstheorie (GUT) beachtliche Fortschritte, die auch die starke Wechselwirkung einbezog. Nur die vierte Kraft – die Schwerkraft – blieb das fünfte Rad am Wagen. Immer wenn die Physiker sie quantenmechanisch packen wollten, stießen sie beim Rechnen auf unendliche Größen, die sich mit keinem der bekannten mathematischen Tricks beseitigen ließen. Quantenmechanik und Allgemeine Relativitätstheorie galten daher als grundsätzlich unvereinbar.
Bis die Physiker Michael Green und John Schwarz 1984 die Superstrings, kurz: Strings, ins Spiel brachten: Die Schöpfer dieser Saiten-Theorie behaupteten, unser Universum habe nicht vier Dimensionen – drei für den Raum und eine für die Zeit -, sondern zehn. Es sei gefüllt mit winzigen Saiten – den Strings -, die entweder als offene Fäden oder als geschlossene Schlaufen vorkommen.
Mit neuen Rechentricks hoffen die Physiker nun, unser Universum in der String-Theorie zu finden – ein schwieriges und langwieriges Unterfangen, denn die String-Theorie hat Millionen von Lösungen. In einer davon soll der verwirrende Zoo der Elementarteilchen stecken, den die experimentellen Forscher in den vergangenen Jahrzehnten mit Hilfe von Teilchenbeschleunigern entdeckt haben (bdw-Highlight “Tohu und Wabohu”). Daß die String-Forschung, die für die meisten Physiker ein Buch mit sieben Siegeln ist, langsam ernst genommen wird, beweisen die guten Berufsaussichten der weltweit nur wenigen hundert String-Spezialisten: “Noch vor wenigen Jahren hatten junge String-Forscher große Schwierigkeiten, nach ihrer Doktorarbeit eine Stelle zu finden”, erinnert sich John Schwarz. “Jetzt sind diese Leute in den USA heiß begehrt.” Eines darf man bei aller Euphorie nicht vergessen: Physik ist vor allem eine experimentelle Disziplin – letzter Schiedsrichter ist und bleibt die Natur. Solange es nicht gelingt, die String-Theorie im Experiment zu erhärten, ist sie nicht mehr als ein elegantes Phantasiegebilde.